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Kleine Körner für Riesenschweißnähte

Schweisstechnik: produktivität ist gefragt
Kleine Körner für Riesenschweißnähte

Die Oerlikon Schweißtechnik GmbH hat rund 4 Mio. Euro in eine Schweißpulver-Produktionslinie in der Pfalz investiert. Der Bedarf der Industrie an dem Werkstoff für das automatisierte Unterpulverschweißen ist derzeit groß.

1,1 Mio. t Stahl sind für den Bau der Ostsee-Pipeline geplant. Zwar wird die 1200 km lange Erdgasleitung quer durch die Ostsee noch nicht gebaut, doch läuft die Fertigung der Rohre auf Hochtouren. 2011 sollen schließlich die Gaslieferungen beginnen. „Für uns ist das ein Riesenprojekt“, freut sich Steffen Schulz, Leiter Marketing und Service bei der Oerlikon Schweißtechnik GmbH. Zu deren Kunden zählt nämlich der deutsche Rohrhersteller Europipe, der immerhin ein drei Viertel aller Stahlrohre für den ersten Strang der Pipeline liefert. Dabei handelt es sich um längsnahtgeschweißte Großrohre, eine typische Domäne für das Unterpulver-Schweißen.

Dieses Verfahren setzt auch die Eiffel Deutschland Stahltechnologie GmbH mit Sitz in Hannover ein. Beispielsweise beim Bau der Haupthallen der neuen Landesmesse Stuttgart; deren Konstruktion als Hängedach aus Flachstahl-Spannbändern ausgelegt ist.
Diese Beispiele sind laut Schulz typisch für den derzeitigen Trend zum Unterpulver-Schweißen. Dabei brennt der Lichtbogen zwischen einer abschmelzenden Drahtelektrode und dem Werkstück unter einer Pulverschicht, die sich auf der zu schweißenden Fläche befindet. In der Umgebung des Lichtbogens wird ein Teil des Pulvers zu einer flüssigen Schlacke aufgeschmolzen. Zwischen Schlacke und Schmelzbad bildet sich eine aus Metalldämpfen und Reaktionsgasen bestehende Kaverne, in der der Lichtbogen brennt und der Werkstoff tropfenförmig abschmilzt. Das nicht verschlackte Pulver wird dabei abgesaugt.
Das Hochleistungs-Schweißverfahren eignet sich insbesondere für große und lange Nähte sowie Rundnähte. Im Vergleich zu anderen Schweißverfahren ist es stark automatisiert, dank seiner hohen Abschmelzleistung sehr schnell und zudem bringt es konstante Ergebnisse. Diese technischen Gründe sorgen nicht alleine für einen ausgesprochenen Boom des Verfahrens. 2007 hatte es, bezogen auf die verkaufte Tonnage, in Deutschland um gut 30 % zugelegt, wie Zahlen der Schweißelektroden-Vereinigung e.V. belegen. Damit lag der Marktanteil bei rund 10 %. Dieses Jahr dürfte er nach Einschätzung von Schulz auf mindestens 12 % wachsen.
„Wir profitieren ganz klar von der starken Konjunktur und der Nachfrage nach Stahl auf dem Weltmarkt“, erklärt er. Dazu trage eben vor allem der Energiesektor mit dem Bau von Kraftwerken, Pipelines, Windkrafträdern und Flüssiggastankern bei, aber auch der Maschinenbau und Schienenverkehr.
Bei Eiffel liegt der Anteil des Unterpulver-Schweißens bei circa 30 % des Schweißumsatzes. „Nur im Kraftwerksbau wird gelegentlich noch geschraubt“, sagt Bernhard Vorspohl, Leiter Materialwirtschaft und Einkauf. „Doch das Verhältnis Schrauben-Schweißen hat sich insgesamt von ehemals 70:30 exakt umgekehrt.“ Im Kraftwerksbau habe man enorme Bauteilgrößen und entsprechend lange Schweißnähte. Hier mache das Unterpulver-Schweißen Sinn.
Aus diesem Grund hat Oerlikon Schweißtechnik Anfang des Jahres eine hochmoderne Produktionsanlage für Schweißpulver in Betrieb genommen, die gemeinsam mit der bestehenden Anlage die Produktionskapazität am Standort Eisenberg/Pfalz verdoppelt. Um welche Mengen es sich handelt, will das Unternehmen nicht verraten. „Doch wir fahren bereits jetzt wieder am Anschlag“, so der Manager. Neben den höheren Kapazitäten hat die neue Anlage aber auch den Vorteil, dass die Verantwortlichen auf die Qualität der etwa 30 verschiedenen Pulverprodukte während des Fertigungsprozesses (siehe Kasten) besser Einfluss nehmen können. Vor allem die Steuer- und Regelungstechnik macht den Prozess laut Schulz stabiler – somit auch die Qualität der Produkte: „Über die Veränderung von Vortemperaturen, Ruhezeiten oder Abkühlzeiten steuern wir letztlich die Qualität des Pulvers.“ Dennoch wird in Eisenberg jede Charge einzeln kontrolliert.
Das zum Air-Liquide-Konzern gehörende Unternehmen sieht sich als Schweißpulver-Marktführer hier zu Lande. Ingesamt zählt es neben dem Konkurrenten Esab zu den wenigen, die die gesamte Bandbreite an schweißtechnischen Produkten von den Werkzeugen und Maschinen über das Material bis hin zum Helm anbietet. „Wir sind für unsere Kunden die Experten für alle Anforderungen rund ums Schweißen, das Pulver ist dabei nur ein Mittel“, sagt Schulz. Dass man gemeinsam mit dem Kunden nach dessen Anforderungen spezielle Schweißpulver entwickelt, gehört dazu. In der Nähe von Paris betreibt Air Liquide aus diesem Grund ein Forschungszentrum mit 140 Mitarbeitern. Doch auch die Beratung bei neuen Projekten gehört dazu. Hier gehe der Einfluss zum Teil bis hin zur veränderten Konstruktion von Bauteilen, so Schulz.
Ein Beispiel dafür ist die zur Schuler AG gehörende Umformcenter Erfurt GmbH, die ein UP-Halbportal von Oerlikon zum wechselseitigen Schweißen in den Verfahren Unterpulver und MAG in Betrieb hat. Auf dieser Maschine werden Teile mit bis zu 146 m Länge verarbeitet. Drei Viertel des Schweißnahtvolumens werden nach wie vor von Hand geschweißt, der Rest läuft über den Automaten. Dabei trägt das Portal dazu bei, dass der Konzern den Schweiß-Standort Deutschland nicht mehr in Frage stellt: „Die Konstruktionsabteilungen berücksichtigen von Beginn an die Grundsätze der automatengerechten Gestaltung“, erklärt Holger Lunkwitz, Leiter des Kompetenzzentrums Schweißtechnik.
Darüber hinaus werde im Schweißwerk bereits in der Phase der Arbeitsplanung überlegt, in wie weit die Konstruktionen in Unterbaugruppen zerlegbar sind und welche Teile sich gut mit dem Automaten schweißen lassen. Damit erhöht das Werk seine Produktivität – und verbessert zudem die Arbeitsbedingungen: Arbeiten an schwer zugänglichen Teilen, Schweißen in Zwangshaltungen und in engen Räumen werden möglichst von der Maschine erledigt. Lunkwitz: „Mit der stetigen Steigerung unserer Produktivität, dem Zusammenspiel von Konstruktion und Fertigung sowie der Konzentration unserer Kapazitäten zum Schweißen, Bearbeiten und Montieren auf einem Werksgelände ist es uns gelungen, dass der Bezug der bearbeiteten und montierten Großschweißteile aus dem eigenen Haus im Mittel der günstigste Weg für das Unternehmen ist.“
Auch Oerlikon-Manager Schulz sieht das Unterpulver-Schweißen als Hebel für die Branche, in Deutschland wirtschaftlich zu produzieren: „Stahl hat hier zu Lande Zukunft. Hier werden hochwertige Stähle verarbeitet.“ Zudem nehme das Verfahren etwas den Druck von den Unternehmen, geeignete Fachkräfte zu finden, die am Markt rar sind. Schulz: „Das Verfahren erfordert weniger spezifische Fachkenntnisse vom Personal und führt dennoch in der Regel zu hervorragenden Schweißergebnissen.“
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Der Computer steuert die Pulverherstellung

Die Herstellung des Schweißpulvers, das sich wie die Elektrodenumhüllung beim Lichtbogenhandschweißen überwiegend aus verschiedenen mineralischen Bestandteilen zusammensetzt, erfolgt auf der neuen Produktionsanlage bei Oerlikon Schweißtechnik nach folgendem Schema: Pulvrige und flüssige Stoffe – dazu gehört Wasserglas zur Bindung – werden gemischt. Dazu werden die einzelnen Bestandteile per Förderleitung zugeführt und gewogen, bevor sie in dem Mischer landen. Hier entsteht ein Granulat, das per Förderband in einen Vortrockner geleitet wird. Danach wird es in einer ersten Behandlungsstufe gesiebt, um sowohl die feinen als auch die ganz groben Bestandteile auszufiltern. In einem Ofen wird das Pulver dann geglüht, um die endgültige Qualität zu erreichen. Anschließend erfolgt die Kühlung sowie das abschließende Sieben des Pulvers. Dieses landet in einem Zwischensilo und wird dann von einem Roboter verpackt und palettiert. Die gesamte Steuerung und Überwachung der Anlage erfolgt über die Maschinensteuerung. Dafür steht ein zentrales Bedienerpanel zur Verfügung.
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