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Kranbauer schweißt jetzt doppelt so effizient

Manitowoc Cranes: Neuartiger Prozess halbiert die Fügekosten
Kranbauer schweißt jetzt doppelt so effizient

Einen „Vollanschluss“ am 10er-Blech schweißen ohne jegliche Fase an der Kehlnaht – das empfanden die Kranbauer von Manitowoc als „Revolution“. Deswegen schweißen sie jetzt immer mehr mit dem ForceArc- Verfahren von EWM und verkürzen damit ihre Fügezeiten um teilweise mehr als die Hälfte.

Manitowoc Cranes ist ein weltweit bekannter Kranhersteller mit seinen Marken Grove, Manitowoc, National Crane und Potain. Im Wilhelmshavener Werk entstehen hydraulische Mobil- und Teleskopkrane mit 80 bis 450 t Tragkraft. Wie überall im Stahlbau ist die Schweißtechnik auch hier der wesentliche Fertigungsfaktor mit einem Anteil von 60 % an der Gesamtproduktion. Seit die EWM Hightec Welding GmbH, Mündersbach, im Werk am Jadebusen das Potenzial des Fügeverfahrens ForceArc vorstellte, wird dieses Verfahren immer häufiger eingesetzt.

Das Wilhelmshavener Werk ist mehr als nur Produktionsstätte: Hier ist neben der Konstruktion & Entwicklung auch der Prototypenbau mit Testareal für die europäischen Krantypen zu Hause. Die riesigen Bauteile – ob Ausleger, Drehtische, Fahrwerksrahmen oder Abstützträger – sind aus hochfestem Feinkornbaustahl unterschiedlicher Güte. Bevor sie verschweißt werden, durchlaufen sie die Bearbeitungsstationen thermischer Zuschnitt, Fasenschleifen, Kanten und mechanische Bearbeitung. Dabei zählt neben der Qualität, wie überall, die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. So sind neben den beiden Unterpulver(UP)-Schweißautomaten für Längsnähte 50 herkömmliche Metall-Aktivgas(MAG)-Stromquellen im Einsatz.
Michael Hüneke ist Fertigungsleiter im Werk und steht der mechanischen Abteilung vor. Zudem ist der Schweißfachingenieur (SFI) erster Ansprechpartner für alle europäischen Werke, wenn es um das thermische Fügen geht. Momentan arbeiten neben ihm in zwei Schichten insgesamt 70 Schweißer, zwei Schweißmeister und ein Schweißfachmann.
Dass sich die Welt des Fügens bei Manitowoc mittelfristig sehr stark verändern wird, ist bereits Programm. Michael Hüneke erinnert sich gerne an den Beginn des Umbruchs: Vor einem Jahr bekamen sie Besuch vom EWM-Schweißspezialisten Dieter Kocab. Dieser zeigte eine Vielzahl an Schweißproben aus seinem Musterkoffer – alle mit dem international ausgezeichneten MAG-Verfahren ForceArc geschweißt. „Dann konnten wir erfahren, was jeder Experte als absolut nicht machbar bezeichnen würde: der Mann führte uns vor, wie man einen Vollanschluss mit definierter Kehlnaht an der Nahtwurzel schweißt – ohne jegliche Fase anzuarbeiten.“ Der Schweißfachingenieur berichtet vom Erstaunen über den Vollanschluss am 10er Blech und über seine Reaktion darauf: „Ich war fasziniert und erschrocken zugleich. Fasziniert von den Möglichkeiten, die uns solch ein Verfahren ohne jegliches Anfasen eröffnen würde. Erschrocken, weil es im Grunde eine Revolution in unserem Stahlbau losträte.“
Dem Fachmann war klar, dass diese Technologie im Widerspruch zu dem stand, was in der Branche als unumstößlich galt: Hochfeste Feinkornbaustähle müssen mit niedriger Streckenenergie verschweißt werden, um die Umwandlung des Gefüges in tolerierbaren Grenzen zu halten – ForceArc arbeitet dagegen mit hoher Streckenenergie. Dazu Hüneke: „Die Praxis zeigt uns aber, dass in diesem Fall aus dem Fein- kein Grobkorngefüge in der Wärmeeinflusszone entsteht. Das belegten alle Festigkeitswerte unserer Härteprüfungen.“
Das neue Fügeverfahren bei Manitowoc ist untrennbar verbunden mit der Inverterstromquelle Phoenix 521 puls. Diese erzeugt aufgrund ihrer hochdynamischen Regelung den zielgerichteten, kraftvollen Lichtbogen. Zunächst projizierten die Wilhelmshavener die Möglichkeiten von ForceArc auf eine ihrer Anwendungen: Ein 40-mm-Blech, das bisher mit K-Naht-Vorbereitung versehen war (45° Öffnungswinkel auf der Rück-, 60° auf der Vorderseite), erhielt nun eine 30°-HV-Naht. Bei der alten K-Naht-Methode wurde die Wurzel von der Vorderseite geschweißt, von der Rückseite ausgefugt und letztlich wurden beide Seiten verfüllt. Nun wird nur noch von einer Seite geschweißt und verfüllt – die Wurzel mit ForceArc, die Füll- und Decklagen nach einfachem Umschalten am Brenner mit dem Impulslichtbogen. „Wir haben eine erstaunlich gute Wurzelausbildung bekommen – völlig ohne Badsicherung“, berichtet Hüneke. „Dieses Phänomen ließen wir mehrfach von Instituten für Materialprüfung untersuchen. Die Ergebnisse waren allesamt positiv. Ich bin überzeugt, dass dies der künftige Weg für unsere Fügetechnik sein wird.“ Auch bei den Kosten wirkt sich dies aus. „Als ich verlauten ließ, dass wir 50 Prozent der Fertigungskosten beim Schweißen und dessen Vorbereitung einsparen könnten, stieß ich intern offene Türen auf.“
Die neue Art des Fügens hat in Wilhelmshaven schon bei einigen Anwendungen das herkömmliche MAG-Schweißen abgelöst. So wird zum Beispiel eine besonders schwere Verriegelungskonsole für den Mobilkran GMK 7450 damit geschweißt. An diesem Bauteil aus Feinkornbaustahl S 960 QL war das Fugenhobeln und das Schweißen der Gegenlage aufgrund der schlechten Zugänglichkeit extrem schwierig. Jedes Teil musste zudem mit Ein- und Auslaufblech für Nahtanfang und -ende versehen werden. Experte Hüneke: „In enger Abstimmung mit unserer Konstruktion haben wir das Bauteil ForceArc-gerecht konstruiert und fertigen es nun in einer Vierer-Losgröße. Das spart uns die Gegenlage.“ Zweimaliges Ausfugen und Verfüllen an einer besonders schwer zugänglichen Stelle entfallen. „Wir schweißen einfach durch, sparen Zusatzwerkstoff und nicht zuletzt Schutzgas. Für die alte Produktionsmethode wurden 32 Schweißraupen mit Decklage benötigt, bei der neuen 30-Grad-Version kommen wir mit 13 Raupen aus.“ In Produktionstagen ausgedrückt wird das Sparpotenzial durch ForceArc noch transparenter. Der Betriebsleiter beziffert die heutige Fertigungszeit mit zwei Schichten gegenüber fünf Schichten in der Vergangenheit.
Von der Zukunft „seiner“ neuen Geräte-Verfahrens-Kombination ist Hüneke durchweg überzeugt: „Es wird uns in der Fertigung wesentliche Erleichterungen bringen, ja sogar aufwendige Arbeitsschritte eliminieren. So werden unsere Fasenschleifanlage und Brennschneidmaschine künftig weniger frequentiert sein.“ Denn für eine K-Naht mussten bisher zwei Fasen pro Blechseite hergestellt werden, bei der HV-Naht ist es nur noch eine. Auch das Handling der Bauteile zwischen den Bearbeitungsschritten entfällt damit.
Die neue Schweiß-Ära beim Kranbauer Manitowoc macht sich auch in der Qualität bemerkbar. Die Qualität, die es zu erzeugen gilt, wird weitaus früher erzielt, da entschieden weniger Arbeitsschritte notwendig sind. Auch der Wärmeeintrag ins Werkstück ist im Vorfeld einfacher zu definieren, Schrumpfungsprozesse lassen sich besser vorhersehen, was schon in der Konstruktion besonders hilfreich ist. Herkömmliches MAG-Schweißen bedingt mehrere Arbeitsschritte mit hohen Wärmeeinträgen und ständig neues Positionieren: Schweißen von Nahtwurzel und ersten Zwischenlagen, Ausfugen der Wurzelrückseite, teilweises Füllen der Gegenlage, Füllen der ersten Seite und Decklage schweißen, Füllen der Gegenlage und Decklage schweißen – die Schritte zwei, drei und fünf erübrigen sich mit der neuen Technologie.
Dieter Schnee Fachjournalist in Frankfurt
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