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Lasergewitter in den Fabriken

3D-Druck zieht in die metallische Fertigung ein – auch in den Metallguss
Lasergewitter in den Fabriken

3D-Metalldruck | Nicht mehr nur Spielzeugfiguren, Designerobjekte und Prototypen entstehen generativ, sondern auch ganze Kleinserien industrieller Produkte werden gedruckt. Selbst Gießereien setzen auf den 3D-Druck, um Gussmodelle, Gusskerne und –formen herzustellen.

Edgar Lange Freier Fachjournalist in Düsseldorf

Eine Szenerie im Kern-Maschinenbau: Bei Siemens schmilzt der Laser des 3D-Druckers Schicht für Schicht Metallpulver. Er produziert hitzebeständige Brennerköpfe für industrielle Gasturbinen, die Temperaturen um die 1000 °C standhalten. Die etwa 18 mm dicken Verschleißteile der Turbinen lassen sich so schneller erneuern. Die Reparaturzeit des Bauteils reduziert sich drastisch – von 44 auf vier Wochen.
Auch der Automobilbereich besitzt hohes Potenzial für additive Fertigungsmethoden: Die Entwickler von Daimler stellen zum Beispiel Teile von Motorblöcken mittels 3D-Druck her. An diesen überprüfen sie Reparaturkonzepte. Und das US-Startup Local Motors hat letztes Jahr sogar ein ganzes Auto mit Teilen aus dem 3D-Drucker gefertigt.
Bis zu 10 % der 3D-Druck-Bauteile sind inzwischen aus Metall – mit steigender Tendenz, schätzt Rainer Gebhardt vom Branchenverband der Maschinenbauer, dem VDMA. Und auch die Unternehmensberatung Roland Berger sagt dem metallischen 3D-Druck mittels Laser gute Chancen voraus: Lag das weltweite Marktvolumen 2012 noch bei 1,7 Mrd. Euro, so soll es sich binnen zehn Jahren vervierfachen. Warum dies? Ein Blick auf die heute schon umgesetzten Anwendungen verdeutlicht die Vorteile und zeigt die Richtung an.
So fertigt die Edag Engineering AG, unabhängiger Entwickler großer Automobilmarken, Komponenten für ultraleichte Elektro-Autos mittels 3D-Druckverfahren. Dabei handelt es sich beispielsweise um multifunktionale Gehäuse für die Leistungselektronik oder um Karosseriebauteile, die auf den bionischen Mustern einer Schildkröte basieren (Foto rechts). Für die Entwicklung eines serienreifen 3D-Druckverfahrens für die Autoindustrie wurde Edag kürzlich sogar vom Land Hessen als Innovationsschmiede ausgezeichnet.
3D-hergestellte Leichtbau-Komponenten sind auch für die Raumfahrt interessant: Im Rahmen eines Pilotprojektes kooperierten die Unternehmen Ruag, Altair und EOS bei der Neuentwicklung eines Antennenteils für den Satelliten Sentinel 1. Sie entwickelten eine überarbeitete Halterung, die für die Herstellung im industriellen 3D-Druckverfahren optimiert wurde. Das Ziel wurde erreicht: Das neue Aluminium Bauteil ist bei gleicher Festigkeit nur halb so schwer wie das bisherige und gleichzeitig wesentlich steifer. Der Hersteller von Lasersinter-Anlagen EOS fertigte die Aluminium-Bauteile auf seiner neuen Maschinengeneration EOS M 400 mittels Lasersintern. Mit rund 40 cm Länge ist die Antennenhalterung eines der längsten Metallbauteile, die jemals im Pulverbett-Verfahren hergestellt wurden und sich auf den Weg ins All machen.
Sinn macht die schichtweise Bauteilerzeugung aber auch auf der Erde: Der britische Fahrradhersteller Empire Cycles und der Maschinenbauer Renishaw haben jetzt sogar weltweit zum erstem Mal einen Metallrahmen auf dem 3D-Drucker hergestellt. Der komplette Fahrradrahmen wird in einem Vorgang „gedruckt“, indem die gesamten Teile auf einer Basisplatte positioniert werden. Der Clou: Der Rahmen aus einer Titanlegierung ist ein Drittel leichter als das Ursprungsmodell.
Zunehmend kommt der 3D-Druck routinemäßig auch bei einer Vorstufe der Metallfertigung zum Einsatz, beim Herstellen von Sandgussformen für Metallteile – ein üblicherweise arbeitsintensiver Prozess. Denn je komplexer ein Gussteil ist, umso aufwendiger wird das Erstellen der Gussform. Oft besteht sie aus mehreren Teilen, die einzeln geformt und später zusammengesetzt werden. Damit hat sich auch die Gießerei von Bosch Rexroth in Lohr am Main auseinander gesetzt.
Im Ergebnis setzt sie heute bei Kleinserien und Prototypen auf Formen und Kernen aus Sand, die im 3D-Druck entstehen. „Beim Einsatz der 3D-Drucktechnologie werden Kerne und Formen ohne Werkzeuge hergestellt, also nur anhand eines Datensatzes“, erläutert Florian Müller, Kaufmännischer Werkleiter, Gießerei bei Bosch Rexroth. Ein weiterer Vorteil, der Müller und seine Kollegen überzeugt hat: Mit den 3D-Druckern lassen sich auch komplexe Geometrien leicht und kostengünstig realisieren. Für die Gießer aus dem Frankenland ein wichtiger Aspekt, denn die Kerne und Formen bei Bosch Rexroth sind komplex geformte Ventile, Steuerblöcke, Pumpengehäuse oder Motorgehäuse für die Hydraulikindustrie. Die Bauteilgrößen der Sandkerne und -formen liegen zwischen 50 x 50 x 50 mm³ und 500 x 500 x 500 mm³.
Hinzu kommt: Mit dem neuen 3D-Verfahren lassen sich die technologischen Grenzen des traditionellen Kernschießverfahrens, bei dem Sand mit hohem Druck in ein Werkzeug geschossen wird, leicht überwinden, erläutert Müller. „Wir können quasi in jede Richtung drucken. So können wir jetzt auch Bohrungen realisieren, die um die Ecke gehen“ – Hinterschneidungen werden möglich. Außerdem lassen sich die Arbeitsabläufe im Gießereiprozess bereits vor dem Serienstart mit Hilfe von gedruckten Kernen optimieren. Zum Beispiel durch Kernmontageversuche und Kernspielanalysen. „Und in der Entwicklung von Prototypen oder neuer Produkte kann die Geometrie problemlos nachjustiert werden, ohne dass für jede Anpassung ein neues Werkzeug gefertigt werden muss“, freut sich Müller.
Mit der Nutzung der Innovation reagiert Bosch Rexroth auch auf sinkende Stückzahlen bei gleichzeitig zunehmender Produktvarianz sowie auf die Erfordernis, künftig noch flexibler auf Kundenwünsche reagieren zu müssen. So können Kleinserien und Ersatzteile arbeitseffizienter und somit kostenoptimal produziert werden. „Die Wirtschaftlichkeit wird aber nicht ausschließlich durch die Stückzahl bestimmt“, macht Müller klar: „Wir profitieren auch von Einsparungen bei den Werkzeug-, Kernmontage-, Lager- und Qualitätskosten. Und nicht vergessen werden dürfen die Wettbewerbsvorteile durch schnellere Lieferzeiten.“
Im Werk in Lohr am Ufer des Mains sind eine Furanharzmaschine und ein Phenolharzdrucker im Einsatz. „Das Drucken mit Phenolharz ist ein neues Verfahren, bei dem die Gießerei gemeinsam mit dem Lieferanten der Maschine erst einmal Grundlagenforschung betreiben musste, um den Prozess stabil im Alltag einsetzen zu können“, erinnert sich Müller. Vorteil: Müssen filigrane Geometrien wie etwa kleine Kanäle gegossen werden, lassen sich dafür Sandformen mit Biegefestigkeiten von 800 N/cm² im Phenolharzverfahren realisieren. Hingegen führt das kostengünstigere Furanharzverfahren zu Formen mit 250 N/cm2 Biegefestigkeit und eignet sich für gröbere Geometrien.
Die Geometriedaten werden bei beiden 3D-Verfahren direkt via Software in den Drucker eingegeben. In dem zur Verfügung stehenden Druckvolumen lassen sich beliebig viele Bauteile vorsehen und dafür mit ihrer unterschiedlichen Geometrie programmieren. Gedruckt wird in 0,28 mm dicken Schichten. Der Druckkopf trägt dabei Binder auf den mit Aktivator (Härter) vermischten Sand in jenen Bereichen auf, in denen Material vorgesehen ist. Pro Schicht benötigt der Drucker 30 s. Schicht um Schicht wächst so die Form. „Hierbei gibt es kaum Einschränkungen, denn die Restriktionen traditioneller Kernschießverfahren entfallen“, sagt Müller.
Auch die Schweizer Gießerei Wolfensberger AG setzt heute auf solch innovative 3D-Druckverfahren, um Sandformen herzustellen. Zum Einsatz kommen 3D-Drucker von Voxeljet. Unter anderem eröffnen sie die Möglichkeit, konventionelle Modelleinrichtungen mit 3D-gedruckten, komplexen Kernen zu kombinieren. Dadurch können die Schweizer auf eine teure Kernbüchse verzichten und haben viel größere Freiheit bei der geometrischen Gestaltung der Innenkonturen – Modellkosten entfallen.
Besonders pfiffig: Wolfensberger nutzt darüber hinaus die Möglichkeit, existierende Gussteile mittels Scannen zu digitalisieren und dafür per 3D-Druck eine gießbare Sandform herzustellen, ganz ohne Modelle – eine perfekte Methode für die Fertigung von Ersatzteilen. So geschehen bei einem Francis-Turbinenrad, das defekt war und zum Ausfall der Eigen-Stromversorgung eines kleinen Krankenhauses in Äthiopien führte. Normalerweise ist die Herstellung solcher Turbinenräder ein überaus teures und aufwändiges Unterfangen, das leicht Monate dauern kann. Der Grund sind die komplizierten Hinterschneidungen, die eine manuelle Herstellung mehrerer Sandkernsegmente notwendig machen. „Dank des neuen 3D-Druckverfahrens waren wir in der Lage, aus den eingescannten CAD-Daten innerhalb kürzester Zeit Sandformen und -kerne zu fertigen“, heißt es dazu bei Wolfensberger. Die Gießer wenden die additive Methode für solche Ersatzteilproduktionen ebenso an wie für erste Prototypen eines Produkts, für einzelne oder komplexe Serienteile.
Seit zehn Jahren befasst sich auch schon der Augsburger Produktionsdienstleister und Maschinenbauer ExOne mit dem 3D-Druckverfahren. ExOne ist mit zwei 3D-Druckern, dem kleineren S-Print und dem größeren S-Max auf dem Markt. Die Geräte funktionieren nach demselben, bereits grob skizzierten Prinzip: Quarz- oder Keramiksand wird über einen Vorratsbehälter angesaugt, in einem Mischer mit Härter vermengt und dann in einen Behälter gefüllt, der das Gemisch schichtweise auf die Druckplatte aufträgt. In einem weiteren Arbeitsschritt dosiert der Druckkopf den Binder darauf und dieser reagiert mit dem Härter.
Der Vorgang wiederholt sich stetig, sodass sich die Teile Schicht für Schicht aufbauen – unter Raumbedingungen. Als Binder kommen Furan, Phenol und Silikat zum Einsatz. „Eine herkömmliche Form für einen Zylinder benötigt zum Beispiel drei Monate zur Herstellung“, stellt Rainer Höchsmann den Vergleich an, Geschäftsführer von ExOne. „Mit unserem Verfahren sind es sieben Tage und die Qualität der Formen ist absolut vergleichbar. Wir können nahezu jede Form umsetzen, egal wie komplex.“ Und Höchsmann schließt: „Das ist vielleicht einer der größten Vorteil des 3D-Drucks.“ •
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