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Lohnfertiger automatisiert Bestandsmaschine mit Garant-Roboterzelle

Beladezelle hilft, das Angebot Richtung Serienfertigung zu erweitern
Lohnfertiger automatisiert Bestandsmaschine mit Roboterzelle der Hoffmann Group

Um einen lukrativen Serienauftrag abwickeln zu können, hat Lohnfertiger Uetz ein vorhandenes Hermle C250-Bearbeitungszentrum mit einer Garant-Roboterzelle ergänzt. Obwohl die Maschine keine Automatisierungsschnittstelle hat, generiert diese Kombination jetzt im Monat bis zu 300 Stunden mehr Spindellaufzeit.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Mut und Pragmatismus bewies Alexander Uetz gleich nach seiner Ausbildung zum Industriemechaniker. Infolge der Lehman-Krise und den damit verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen konnte ihn sein Ausbildungsbetrieb damals nicht übernehmen. Kurzentschlossen gründete der frischgebackene Facharbeiter 2010, im Alter von 20 Jahren, sein eigenes Unternehmen. Heute beschäftigt Uetz CNC-Technik in Remshalden zehn Mitarbeiter und fertigt mit fünf CNC-Fräs- und einem CNC-Drehzentrum hochpräzise Teile für den Sondermaschinenbau, die Luftfahrtindustrie und den Halbleiterbereich. „Unsere typischen Losgrößen liegen zwischen einem und fünf Teilen“, sagt der Unternehmer und ergänzt: „Inzwischen fertigen wir aber auch Kleinserien mit bis zu 500, in Ausnahmefällen auch mal 1000 Teilen.“

Uetz bearbeitet Aluminium, Stahl, Edelstahl und verschiedene Kunststoffe. Viele der von ihm gefertigten Teile gehen an Kunden, die Maschinen für die Pharmaindustrie herstellen. Als zentrale Anforderungen an diese Werkstücke nennt der Lohnfertiger eine hohe Präzision sowie perfekte Optik. Neben der Qualität haben aber auch Liefertermintreue und in zunehmendem Maß kurze Reaktions- und Lieferzeiten einen hohen Stellenwert.

Dieser Trend führte dazu, dass Uetz vor rund drei Jahren in seine erste Roboterzelle investierte. „Ich hatte damals eine lukrative Anfrage, mehrere Serien mit 100 bis 250 Teilen zu fertigen“, erzählt er. Dieser Auftrag sei die Chance gewesen, sein Angebotsspektrum in Richtung Serienfertigung zu erweitern. „Dass wir dafür aber unsere Prozesse automatisieren müssen, war schnell klar. Also habe ich mich darüber informiert, welche Möglichkeiten der Markt bietet.“ Die Herausforderung dabei: Das vorhandene Hermle-C250-Bearbeitungszentrum hatte keine Automatisierungsschnittstelle.

Kein Schutzzaun erforderlich

Zunächst hatte Uetz mehrere Anbieter im Blick. Recht schnell kristallisierte sich jedoch die Garant-Roboterzelle Basic Plus der Münchener Hoffmann Group als Favorit heraus. Der maßgebliche Grund dafür: Sie kommt ohne Schutzzaun aus. „Ich wollte nicht, dass mein Mitarbeiter, der Maschine tagsüber bedient, wie ein Affe im Käfig arbeiten muss“, begründet der Chef.

Das Sicherheitssystem der Garant-Roboterzelle basiert auf einem Flächenscanner, der die Umgebung in zwei Bereiche einteilt. Geht beispielsweise ein Mitarbeiter zu nah am Roboter vorbei und durchschreitet damit Sicherheitszone 1, dann stoppt der stählerne Kollege kurz, arbeitet dann aber weiter, sobald der Scanner keine Gefahr mehr erkennt. Betritt der Bediener jedoch Zone 2, etwa um die Maschine manuell zu bedienen, dann stoppt der Roboter komplett und muss am Bedienpult wieder gestartet werden.

Die kurze Lieferzeit war ein weiteres entscheidendes Argument, das Alexander Uetz überzeugte. Denn: „Als der Auftrag im Haus war, brauchten wir die Automation sehr schnell.“ Er habe sich die Zelle montags in der Göppinger Niederlassung von Hoffmann angeschaut, freitags den Auftrag erteilt und sechs Wochen später sei sie bereits installiert worden. Laut Dieter Bleiber, dem für Uetz CNC-Technik zuständigen Gebietsverkaufsleiter der Hoffmann Group, dauert eine solche Installation rund 2,5 Tage. Und Alexander Uetz ergänzt: „Inklusive einer zweistündigen Schulung, nach der wir bereits mit dem System arbeiten konnten.“

Roboter schafft Freiräume fürs Stammpersonal

Für Uetz war die Garant-Zelle der Einstieg in die Robotertechnik. Er beschäftigt in der Fertigung ausschließlich Fachkräfte, die selbstständig ihre CAM-Programme erstellen. Auch sie reagierten positiv auf die Investition. „Für Nebentätigkeiten beschäftigten wir früher Schüler und Studenten als Aushilfen. Leider haben die wiederholt kurzfristig abgesagt, so dass diese Arbeit oft am Stammpersonal hängen blieb. Das passiert jetzt nicht mehr.“ Insofern entlaste die Roboterzelle seine Fachkräfte, die jetzt genügend Freiraum für die wichtigen Tätigkeiten haben.

Kapazitäten für zusätzliche Aufträge

Den Hauptnutzen der Automation sieht Uetz darin, dass er jetzt Aufträge annehmen kann, für die früher die personellen Kapazitäten fehlten. Natürlich müsse man dazu seine Prozesse sicher im Griff haben und entsprechend weiter vorausplanen. Während ein erfahrener Bediener an der Maschine beispielsweise hört, dass ein Fräser sein Standzeitende erreicht und ihn rechtzeitig ersetzen kann, muss im Vorfeld einer mannlosen Schicht abgesichert sein, dass dass die Prozesssicherheit gewährleistet ist und die Standzeit der Werkzeuge reicht. Aber das sei ein Lernprozess, der bereits nach kurzer Zeit keine Rolle mehr spiele.

Die Roboterzelle steht links neben der Arbeitsraumtür des Bearbeitungszentrums und gewährt dem Werker weiterhin den freien Zugang. Das ist gerade auch in Remshalden wichtig, weil die Maschine tagsüber in der Regel manuell bedient wird. Erst ab 17:00 Uhr startet der Roboter in seine mannlose Nachtschicht. „Wir nutzen diese Automation, wenn wir Teile in Serie fertigen, deren Gesamtlaufzeit über zwei Stunden liegt“, berichtet Uetz.

Nach wenigen Minuten bestückt

Die einfache Handhabung und der geringe Programmieraufwand hat den Schwaben von Anfang an begeistert. Die Automation lässt sich sehr schnell be- und entladen. „60 fertige Teile runterzunehmen und neue Rohteile einzulegen dauert keine zehn Minuten“, sagt Uetz. „Die Anlage läuft dann prozesssicher durch, und am nächsten Morgen sind die Teile fertig.“

Mit drei Rasterplatten für unterschiedlich große Bauteile deckt der CNC-Fertiger das gesamte Teilespektrum ab, das an dieser Maschine bearbeitet wird. Alle Rasterplatten haben den gleichen Referenzpunkt. Der Mitarbeiter legt die Rohteile einfach immer in die gleiche Ecke der Ausschnitte. Nachdem das CAM-Programm übertragen ist, muss der Bediener lediglich – abhängig von Höhe, Breite und Tiefe des Werkstücks – drei Offset-Werte in der Steuerung des Roboters eingeben.

Überschaubare Kosten

Neben der einfachen Bedienung und der Möglichkeit, den Roboter auch an einer nicht für automatisierte Prozesse vorbereiteten Maschine einzusetzen, sprechen laut Uetz auch die vergleichsweise geringen Investitionskosten für diese Lösung. Zwar hätte er an seiner Hermle C250 eine Automatisierungsschnittstelle nachrüsten können, „aber alleine das hätte einen niedrigen fünfstelligen Euro-Betrag gekostet“. Und im Vergleich zur HS-Flex-Automation an seiner zwei Jahre später installierten Hermle C400, habe er für die Garant-Zelle weniger als die Hälfte bezahlt. Der CNC-Fertiger betont, letztere deshalb als Einsteiger-Lösung zu betrachten und eine Automation wie HS-Flex eher als für routinierte Nutzer geeignet, sei jedoch falsch. Beide Systeme hätten ihre spezifischen Vorteile und Grenzen.

„Wir nutzen unser HS-Flex für komplexe Einzelteile und Kleinstserien, bei denen jedes Teil eine Laufzeit von mindestens einer viertel Stunde hat.“ Die Hermle-Automation in Remshalden fasst 36 Paletten und kann bis zu 250 kg handhaben. Allerdings sind hier Palette und Spannmittel inkludiert. Der Nachi-Roboter der Garant-Basic-Zelle schafft zwar nur 10 kg, in diesem Fall geht´s aber in der Regel ums reine Rohteilgewicht.

Jede Lösung hat ihre Stärken

Zu den Vorteilen einer integrierten Lösung wie dem HS-Flex gehört, dass Automation und Maschine direkt miteinander kommunizieren können. Die Anlage weiß also beispielsweise, ob ein Teil oder eine Palette richtig gespannt ist. Im Fall der Fälle kann sie viele Probleme selbstständig beheben. Wenn beispielsweise ein Werkzeug bricht, holt sie entweder ein Schwesterwerkzeug aus dem Magazin, oder sie wechselt automatisch das Programm und bearbeitet ein anderes Bauteil. An dieser Stelle würde eine Maschine mit der Garant-Zelle einfach stoppen.

Auch eine chaotische Fertigung verschiedener Teile bleibt der integrierten Automationslösung vorbehalten. „Weil dort aber der Programmier- und der Rüstaufwand deutlich größer sind, ist es für uns richtig, mit beiden Systemen zu arbeiten – abhängig von der Aufgabe.“

Roboterzelle kommuniziert indirekt mit der Maschine

Die Roboterzelle der Hoffmann Group kommuniziert indirekt mit der Werkzeugmaschine. Das Garant-System greift magnetische Signale an der Arbeitsraumtür ab und erkennt dadurch, wenn diese entriegelt ist. Es gibt dann dem Roboter das Signal, mit der Arbeit zu beginnen. Sobald letzterer das nächste Rohteil im Schraubstock platziert hat und sich wieder in seiner Ausgangsposition befindet, gibt ein Aktuator auf dem Bedienpult der Maschine – er ersetzt den Finger des Bedieners – den Befehl die Arbeitsraumtür zu schließen und zu verriegeln. Dann startet ein zweiter Aktuator die Bearbeitung.

Ohne direkte Kommunikation zwischen Maschine und Automation muss der Nutzer allerdings bei der Arbeitsvorbereitung möglichen Störungen vorausschauend vorbeugen. Im Fall eines Problems stoppt die Maschine, und weil sich die Arbeitsraumtür nicht öffnet, arbeitet auch der Roboter nicht weiter. Das verhindert zwar größere Folgeschäden, kostet aber auch Produktionszeit. Anfangs sicherte Uetz solche Situationen mithilfe einer einfachen Kamera ab, deren Bild er zuhause über sein Handy abrufen konnte. Bei Bedarf ging er schnell in den Betrieb und behob die Störung. „Inzwischen laufen die Prozesse aber so stabil, dass das nicht mehr nötig ist.“

Wahl der Automatisierung hängt vom Anwender und dessen Einsatzfeld ab

Gebietsverkaufsleiter Dieter Bleiber betont: „Die Auswahl der passenden Automation hängt maßgeblich vom jeweiligen Betrieb, dessen Kundenkreis und den zu bearbeitenden Teilen ab.“ Er empfiehlt die Garant-Zelle vor allem jenen Betrieben, deren Hauptarbeitsfeld in der Einzelteil- und Kleinstserienfertigung liegt, die aber ihr Angebotsspektrum in Richtung mittlerer Serien erweitern wollen. Alexander Uetz ergänzt: „Auch wir sind nach wie vor überwiegend Einzelteilfertiger. Aber wir haben in letzter Zeit mehrere lukrative Aufträge bekommen, bei denen wir sehr schnell reagieren mussten. Und das wäre ohne Automation nicht möglich gewesen.“ Je nach Auslastung generiert der Job Shopper dank der Garant-Zelle heute pro Monat zwischen 200 und 300 zusätzliche Stunden Spindellaufzeit. Dadurch habe sich die Roboterzelle bereits nach knapp einem Jahr amortisiert.

Grundsätzlich kann die Zelle bei Bedarf auch von der einen Maschine an eine andere umgestellt werden. „Sie heute hier und morgen dort einzusetzen, macht aber wenig Sinn“, gibt Bleiber zu bedenken. Denn: Sobald sie umgestellt wird, muss die Roboterzelle neu installiert und geteacht werden. Dieser Aufwand lohne sich in der Regel nur, wenn eine Maschine ersetzt wird. „Dann ist es aber problemlos möglich, unseren Roboter an der neuen Maschine weiter zu betreiben.“

Portfolio wird ausgebaut

Im Bereich der Automationslösungen will die Hoffmann Group ihr Angebot kontinuierlich ausbauen. Die Roboterzelle Basic können Interessenten seit 2020 offiziell ordern. Inzwischen sind 160 Zellen im Feld. Als Optionen bieten die Münchener unter anderem eine Wendestation oder das Absortieren der Teile in Kisten an. Im April 2024 kommt eine weitere Automatisierungsvariante fürs Schraubstockhandling an Fräsmaschinen auf den Markt. Diese Lösung bietet mehr Freiheiten hinsichtlich der Bauteilabmessungen, und das Handlingsgewicht liegt bei 25 kg.

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