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Präzisionswerkzeuge: Fachverbandsvorsitzender Lothar Horn im Interview

AMB 2018: Präzisionswerkzeuge
Lothar Horn, Vorsitzender des VDMA-Präzisionswerkzeuge, über aktuelle Entwicklungen

Lothar Horn, Vorsitzender des VDMA-Präzisionswerkzeuge, über aktuelle Entwicklungen
„Wenn das Prinzip des freien Handels und der offenen Grenzen gekippt wird, dann hat das gravierendere Folgen als die Krise vor zehn Jahren“, sagt Lothar Horn. Er ist Vorsitzender des VDMA-Fachverbands Präzisionswerkzeuge und Geschäftsführer der Paul Horn GmbH in Tübingen. Bild: Horn
Klassische Zerspanungstechnik bietet laut Lothar Horn noch große Potenziale. Zudem helfe die digitale Vernetzung, die Prozesse weiter auszureizen, sagt der Vorsitzenden des VDMA-Präzisionswerkzeuge. Zur Stuttgarter Messe AMB erwartet Horn viele spannende Entwicklungen. ❧

Mona Willrett

Herr Horn, welche Erwartungen verbindet die Werkzeugbranche mit der AMB 2018?

Die AMB ist die wichtigste Messe für die Metallbearbeitung, die wir in Deutschland haben – entsprechend viele Neuheiten werden wir in den Bereichen Werkzeug- und Spanntechnik oder bei den Prozesstechnologien sehen. Die AMB ist der Schauplatz für unsere Branche im süddeutschen Raum und der DACH-Region. Die Ausstellungsfläche wurde um rund 20 Prozent erweitert. Das lässt darauf hoffen, dass auch die Besucherzahl zunimmt, weil durch das größere Angebot die Attraktivität der Messe weiter steigt.

Welche Themen werden die AMB im Bereich Präzisionswerkzeuge prägen?

Die digitale Vernetzung wird – neben den klassischen Themen Geometrie, Substrat, Beschichtung oder Prozesstechnik – auch im Werkzeugbereich immer intensiver diskutiert. Das geht bis hin zur Idee, die Schneide als Datenträger zu nutzen. Welche Bedeutung die Digitalisierung in der Fertigungstechnik mittlerweile hat, zeigen ja auch die Sonderschau Digital Way oder verschiedene Aktivitäten der Verbände VDMA-Präzisionswerkzeuge und VDW.

Was wird künftig die Entwicklung in der Werkzeugtechnik treiben – digitale Vernetzung oder klassische Zerspanungstechnik?

Beides wird der Fall sein. Für uns steht natürlich die Weiterentwicklung der traditionellen Werkzeugtechnologien an erster Stelle. Hinzu kommt die Vernetzung von Zerspanwerkzeugen, Spanntechnik und Maschinen, um mit Hilfe der gesammelten Daten den Gesamtprozess zu optimieren. Das Zusammenspiel zwischen Fertigungstechnik und weiterführenden Daten- und Informationssystemen ist allerdings relativ komplex.

Ist der Austausch von Daten zwischen Systemen in der Praxis bereits üblich?

Zum Teil ja. Um den Datenaustausch weiter auszubauen, müssen aber nicht nur die Systeme offener werden, sondern auch die Menschen. Erst wenn alle an der Prozesskette Beteiligten – vom Werkzeughersteller über den Nutzer bis zum Nachschärfbetrieb – einen digitalen Zugang zueinander haben und auch bereit sind, Daten auszutauschen, lassen sich die Potenziale voll ausschöpfen.

Wo sehen Sie noch die größten Entwicklungspotenziale in der Werkzeugtechnik?

Das Zusammenspiel zwischen Geometrie, Substrat und Beschichtung ist bei Weitem noch nicht ausgereizt. Zu den spannenden Fragen gehört auch, wie und womit sich seltene oder teure Bestandteile substituieren lassen. Durch Optimierungen in diesen Bereichen erwarte ich noch deutlich leistungsfähigere Zerspanprozesse. Die digitale Vernetzung wird uns helfen, die Prozess- und Nutzungsdaten so auszuwerten, dass sich die Standzeiten und Leistungspotenziale der Werkzeuge ausschöpfen lassen – ohne Gefahr zu laufen, den Bogen zu überspannen.

2017 war für die Werkzeugbranche sehr erfolgreich. Wie läuft 2018 bislang?

Im letzten Jahr hatten wir ein starkes Umsatzwachstum von sieben Prozent, mit den Haupttreibern USA und China. Im laufenden Jahr wird die Gesamtbranche um rund fünf Prozent wachsen, wobei die Teilbranchen unterschiedliche Beiträge leisten. Bei den Zerspanwerkzeugen rechnen wir mit einem Plus von sieben, bei der Spanntechnik von acht und im Werkzeugbau von drei Prozent. Wie unsere Mitglieder, arbeiten auch viele unserer Kunden an ihren Kapazitätsgrenzen. Wenn wir ihnen Lösungen bieten, mit denen sich die Ausbringung ohne große Investitionen schnell erhöhen lässt, dann werden wir weiterhin gute Geschäfte machen.

Wirken sich die politischen Restriktionen bereits auf Ihre Branche aus?

Derzeit noch nicht. Weil aber die weitere Entwicklung kaum seriös einzuschätzen ist, steigen die Unsicherheiten. Wir beobachten die Aktivitäten in den USA oder China mit Sorge. Den freien Handel und offene Grenzen in Frage zu stellen, birgt für uns alle große Gefahren. Übrigens auch für die Auslöser selbst. Beispielsweise exportieren BMW oder Daimler mehr Autos aus den USA als sie importieren. Es wäre also durchaus denkbar, dass die Zölle durch Gegenreaktionen anderer Länder in den USA mehr Arbeitsplätze kosten, als sie schaffen. Am Ende schadet diese Entwicklung uns allen.

Sehr gute Geschäfte bei wachsenden Unsicherheiten – sehen Sie die Gefahr einer Überhitzung und eines Absturzes wie 2008?

Wir blicken auf fast zehn Jahre kontinuierlichen Wachstums zurück. Wir befinden uns auf Rekordniveau was das Produktionsvolumen und die Mitarbeiterzahl angeht. Obwohl es noch andere Unsicherheitsfaktoren gibt – etwa den Brexit oder die weitere Aufarbeitung der Diesel-Problematik –, rechne ich 2019 nicht mit großen Auswirkungen. Die Konjunktur ist stabil. Viele Unternehmen haben Entwicklungen betrieben, mit denen sie ihre Marktführerschaft behaupten oder ausbauen können. Gerade der Mittelstand erweist sich immer wieder als Innovationstreiber. Unsere Wirtschaft hat eine gesunde Struktur und wir haben nach wie vor das beste Ausbildungssystem. Insofern ist mir nicht bange. Sollte allerdings das Prinzip des freien Handels und der offenen Grenzen gekippt werden, hätte das schlimmere Folgen, als die Finanzkrise vor zehn Jahren. Als Staat sollten wir alles tun, um unsere Wettbewerbsfähigkeit weiter zu stärken.

Wie haben sich die Märkte entwickelt?

Wir erleben eine deutlich positive Entwicklung in der EU und die USA weiter als Treiber. Auch das Wachstum in China ist mit fünf Prozent solide, wenn auch nicht mehr so groß wie noch vor einigen Jahren. Auch aus Branchensicht erleben wir keine großen Verschiebungen.

Welche Auswirkungen hat die Elektromobilität für die Zerspanwerkzeug-Branche?

Der Hype um die Elektromobilität flacht ab. Durch neue Entwicklungen nimmt der Schadstoffausstoß von Verbrennungsantrieben deutlich ab. Das führt dazu, dass ein E-Fahrzeug in der Gesamtökobilanz erst nach einer Fahrleistung von 300.000 Kilometern oder mehr besser ist. Bis mindestens 2025 gehen wir davon aus, dass das weltweite Zerspanungsvolumen zunimmt. Die steigende Nachfrage nach Fahrzeugen wird den wachsenden Anteil der E-Mobilität – die ja auch Hybridmodelle umfasst – überkompensieren. Längerfristige Entwicklungen sind noch nicht abzuschätzen.

Als eine Wachstumsbremse wird der Fachkräftemangel genannt. Wie ist der Stand?

Der Fachkräfte- und Nachwuchsmangel ist in vielen Unternehmen nach wie vor akut. Die richtigen Mitarbeiter zu finden, erfordert von den Betrieben viel Engagement. Auch die Initiativen der Verbände haben ihren Teil dazu beigetragen, dass die Mitarbeiterzahlen sowohl im Maschinenbau als auch bei uns in der Präzisionswerkzeug-Branche deutlich gesteigert werden konnte.

Was können Betriebe tun, um Nachwuchs für sich zu begeistern und Fachkräfte zu gewinnen?

Auch hier leben die Unternehmen im Wettbewerb. Eine gute Unternehmenskultur, interessante Arbeitsplätze und die Perspektive sich beruflich weiterentwickeln zu können sorgen dafür, dass sich Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren. Wichtig ist zudem, dass wir Jugendliche wieder mehr für Technik begeistern und ihnen zeigen: Wir bieten Berufe mit Zukunft.

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