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Werkzeugbau: Neue Fräser verbessern Prozesse bei Werkzeugbauer

Werkzeugbau
Neue Fräslösungen verbessern Prozesse bei Werkzeugbauer deutlich

Für einen störungsfreien 24/7-Betrieb hat Werkzeugbauer Gebhardt gemeinsam mit MMC Hitachi seine Fräsprozesse optimiert. Das Ergebnis: höhere Prozesssicherheit, längere Standzeiten, schnellere Bearbeitung, reduzierte Fertigungskosten.

Theo Drechsel
Fachautor in Unterschleißheim

„Wir verstehen uns als Fullserviceanbieter von komplexen Teilen und Komponenten für den Automotivbereich“, sagt Firmenchef Markus Gebhardt. Da der Werkzeugbauer in Baienfurt weniger Mitarbeiter als Maschinen hat, müssen die Anlagen auch in Nachtschichten zuverlässig laufen, ohne dass jemand danebensteht. „Wir setzen deshalb konsequent auf Automatisierung, und zwar so, dass wir trotzdem flexibel bleiben.“ So arbeitet beispielsweise im Fräsbereich ein 5-achsiges Bearbeitungszentrum Hermle C42 U. Ein Knickarmroboter versorgt die Maschine rund um die Uhr mit Werkstückpaletten und räumt die fertig bearbeiteten Teile in den vorgesehenen Palettenlagerplatz. Wichtig ist Gebhardt dabei unter anderem eine absolut konstante Bearbeitungsqualität der 24/7-Fertigung. Angesichts der hohen Anforderungen an die Prozesssicherheit, wird aus Sicht der Schwaben die Rolle der Fräswerkzeuge und der Bearbeitungsstrategien oft unterschätzt.

Um die Prozesssicherheit beim Schruppen zu verbessern sowie die Bearbeitungszeiten – bei konstanten Standzeiten – zu verkürzen, suchte Gebhardt nach neuen Werkzeuglösungen. Weil eigene Versuche nicht besonders erfolgreich waren, nahmen die Verantwortlichen Kontakt mit MMC Hitachi Tool auf. Mit den Produkten des japanischen Herstellers hatte man bereits seit Jahren gute Erfahrungen gesammelt.

Mit Fräsversuchen zur idealen Lösung

Florian Huber – er optimiert als erfahrener Anwendungstechniker bei MMC Hitachi Tool zusammen mit den Kunden Prozesse und erarbeitet fortschrittliche Lösungen – besuchte Gebhardt und nahm sich der Problemstellung an. Zum Testen sollte die Geometrie eines etwa 1500 mm langen, 400 mm breiten und 250 mm hohen Stempels zum Ziehen von Aluminium aus dem Vollen geschruppt werden. Er bestand aus dem unvergüteten, gut zerspanbaren Gesenkstahl 1.2738. Dieses relativ große Teil wählten die Schwaben, weil es eine typische Bearbeitungssituation repräsentiert und 1.2738 zu ihren Standardwerkstoffen zählt. „Ich ging nach dem ganzheitlichen Optimierungskonzept ‚Production 50‘ vor, das von MMC Hitachi speziell für spanabhebende Prozessketten im Werkzeug- und Formenbau entwickelt wurde“, blickt Huber zurück.

Nach eingehender Analyse der CAM-Strategie sowie des Maschinen- und Werkzeugeinsatzes erfolgten weiterführende Tests. Die Versuchsreihen führten schnell zum Ziel: Als Referenz wurde ein 6-schneidiger Torus-Wendeplattenfräser zum Einschrauben mit 40 mm Durchmesser ausgewählt. Der Gedanke war: Falls das Konzept mit dem größten bei Gebhardt fürs Schruppen eingesetzten Durchmesser funktioniert, kann das Ganze auf kleinere Tools herunter skaliert werden. Die Schnittdaten wurden auf die Prozessumgebung ausgelegt und zielgerichtet angepasst. Um absolute Prozesssicherheit zu erhalten, sind die Experten bewusst nicht an die Leistungsgrenze des Fräsers gegangen.

Das Resultat hat die Erwartungen deutlich übertroffen. Die ermittelten Werte gelten bei Gebhardt heute als Referenz. Die Standzeit hat sich bei Bauteilen dieser Art zwischen 30 und 40 % erhöht. Plattenbrüche kamen nicht mehr vor. „Wir setzen die Platte heute durchgängig zum Schruppen auf allen Maschinen ein – wobei das Materialspektrum von Baustahl bis hin zu hochlegierten Stählen reicht“, berichtet Rainer Brandt, Leiter CNC-Fräsen bei Gebhardt. „Zudem konnten wir deutlich an Geschwindigkeit zulegen. Beim Versuch konnten wir die Bearbeitungszeit um rund 30 Prozent auf 240 Minuten senken.“

Motiviert von diesen Verbesserungen beim Schruppen sollte ein weiteres Projekt bestätigen, dass sich mit Hilfe von MMC Hitachi auch die Hartbearbeitung weiter optimieren lässt. Dazu wurden zwei zweischneidige, unterschiedlich beschichtete Kugelfräser (EPBTS-TH, HGOB-PN) mit 10 mm Durchmesser einem Vergleichstest mit insgesamt sieben Kugelfräsern ähnlichen Typs anderer Hersteller unterzogen. Bei diesen Tests standen Prozesssicherheit, Oberfläche und Standzeit im Mittelpunkt. Als Versuchsobjekt diente ein leicht zu messender, 100 mm hoher Block mit einer Länge und Breite von 80 mm aus verschleißfestem und auf 60 HRC vorgehärtetem chromlegierten Kaltarbeitsstahl 1.2379, der bei Gebhardt als Standardwerkstoff bei der Hartbearbeitung eingesetzt wird. Der Versuchsaufbau bestand zudem aus einem eingeschwenkten Kugelfräser, mit dem in einem Winkel von 30° fünf Stunden auf einem Punkt durchgefräst wurde. Wenn der Kugelfräser nach dieser Zeit keinen Verschleiß aufweist, so der Rückschluss, kann man in der Praxis mit zehn Stunden Standzeit rechnen – wegen den wechselnden Bedingungen an der Kugelflanke.

Teureres Tool war am Ende billiger

Bei den Tests blieben alle Bearbeitungsparameter gleich. Gemessen wurden die Oberfläche, die Abweichung zum Nullmaß, also zum programmierten Maß – sowie die Konizität, also der Abbau des Fräswerkzeugs im Prozess. Das Ziel war ein Eins-zu-eins-Vergleich zwischen einem teureren und einem billigeren Werkzeug. Bei dem EPBTS lagen Verschleiß und Abweichung vom Nullmaß jeweils bei 0,02 mm. Bei den Konkurrenzwerkzeugen betrugen Verschleiß und Maßabweichung bis zu 0,07 mm, bei einem Mittenrauwert Ra von teilweise bis zu 0,7 μm. Der EPBTS lieferte hinsichtlich Standzeit und Oberflächenqualität insgesamt das beste Ergebnis, mit einem Ra-Wert von bis zu 0,21 μm. „Mich überraschte, wie stark sich das Bearbeitungsergebnis bei den Werkzeugen der verschiedenen Hersteller unterschieden hat“, resümiert Brandt. „Wir hatten unter denselben Bedingungen teilweise vierfach schlechtere Oberflächen.“

In Baienfurt kommen heute im Stahlbereich fast ausschließlich Tools von MMC Hitachi zum Einsatz. So fräsen die Spezialisten von Gebhardt schneller, profitieren von höheren Standzeiten und fertigen mit weniger Kosten. Auch in Sachen Maßhaltigkeit und Oberflächenqualität haben sie nachgelegt. Denn je besser die gefräste Oberfläche ist, desto weniger manuelle Nacharbeit ist erforderlich. Im Idealfall entfällt sie sogar ganz. Das ist für den Werkzeugbauer ein wichtiges Argument, weil die Geometrie so unbeeinflusst bleibt. Das Ergebnis ist eine höhere Genauigkeit am fertigen Werkzeug. Mit am wichtigsten ist jedoch, dass man beim Thema Prozesssicherheit einen entscheidenden Schritt vorangekommen ist.

Ein weiterer großer Fortschritt wurde bei den Fertigungskosten erzielt. Anwendungstechniker Florian Huber führte eine prozessorientierte Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Schruppbearbeitung des Biegestempels durch und dokumentierte die Fertigungskosten auf Basis der bisherigen und der neuen Kennwerte. „Bei unserem Testwerkstück kosten die Platten, die zum Schruppen des Biegestempels benötigt wurden, zusammen rund 73 Euro. Das sind etwa 50 Euro mehr als beim Wettbewerb“, sagt Markus Gebhardt. „Den Mehrpreis sparen wir aber durch die höhere Standzeit und über die ein Drittel schnellere Bearbeitung mehr als ein. Unter Einbeziehung der Maschinenkosten sind die Fertigungskosten hier um gut 24 Prozent gesunken.“

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