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„Neue Technologien erfordern neue Denkweisen“

Mapal-Chef Dr. Kress und Entwicklungsleiter Dr. Sellmer über die generative Fertigung von Werkzeugen
„Neue Technologien erfordern neue Denkweisen“

„Neue Technologien erfordern neue Denkweisen“
Dr. Dieter Kress (links), Geschäftsführender Gesellschafter der Aalener Mapal Dr. Kress KG und Entwicklungsleiter Dr. Dirk Sellmer sagen: „Das Lasersintern gibt den Konstrukteuren der Werkzeuge eine fast unbegrenzte Gestaltungsfreiheit.“ Bilder: Autor
Mittels generativer Verfahren ganz oder teilweise gefertigte Werkzeuge können sowohl dem Hersteller als auch dem Nutzer erhebliche Optimierungspotenziale erschließen. Das sagen Mapal-Chef Dr. Dieter Kress und dessen Entwicklungsleiter Dr. Dirk Sellmer. §

Autor: Das Interview führte Haider Willrett

Herr Dr. Kress, seit wann arbeiten Sie an der generativen Fertigung von Werkzeugen?

Kress: Erste Versuche haben wir vor etwa zwei Jahren unternommen, in Zusammenarbeit mit der TU München. Vor einem Jahr haben wir eine eigene Lasersinter-Anlage angeschafft und begonnen, den Prozess und die Werkstoffe zu qualifizieren. Inzwischen haben wir sehr gute Erfahrungen mit Sonderwerkzeugen gesammelt, die seit einiger Zeit bei Kunden im Einsatz sind. Zur AMB bringen wir mit einer Hybridversion des Schneidplattenbohrers QTD unser erstes Serienwerkzeug auf den Markt.
Welche Möglichkeiten eröffnet diese Fertigungstechnologie?
Kress: Viele denken noch immer, das sei eine Spielerei. Ich sehe darin inzwischen den Durchbruch, um ganz neue Ideen umzusetzen. Unsere Konstrukteure müssen die bisherige Gedankenwelt überwinden und weiterdenken. Bionik ist in diesem Zusammenhang ein wichtiges Stichwort. Mit dem Lasersintern können wir Werkzeuge wachsen lassen wie natürliche Organismen.
Sellmer: Das kann ich nur bestätigen. Während die konventionellen Fertigungsverfahren die Geometrievielfalt einschränken, eröffnet das Lasersintern dem Konstrukteur neue Dimensionen. Insbesondere der konstruktive Leichtbau und die Möglichkeit beliebige Hohlräume zu gestalten, bieten ganz neue Ansätze in der Werkzeugauslegung. Das öffnet den Weg zu leichteren, aber ebenso steifen Werkzeugen. So können wir aber auch teure Rohstoffe einsparen oder die Kanäle für die innere Kühlmittelzufuhr optimieren. Das eröffnet enorme Potenziale, die wir heute noch nicht abschätzen können.
Sind die Eigenschaften der Werkstoffe mit denen konventioneller vergleichbar?
Sellmer: Eine unserer ersten Aufgaben war es, die derzeit zur Verfügung stehenden Werkstoffe für unsere Zwecke zu qualifizieren. Wir können heute sagen: Generativ erzeugte Materialien sind nahezu zu hundert Prozent dicht. Die Zugfestigkeit ist gleich, der E-Modul etwas kleiner. Dort, wo die Technologie passt, ermöglicht sie unterm Strich einen echten Mehrwert.
Wo liegen die Herausforderungen beim generativen Produzieren von Werkzeugen?
Kress: Die Konstrukteure müssen vor allem das Verfahren verstehen und die Möglichkeiten ergründen, die es bietet. Neue Technologien erfordern neue Denkweisen.
Sellmer: Der Schlüssel zum Erfolg ist ein materialeffizientes, an das Laserverfahren angepasstes Design der Werkzeuge. Fertigungsbedingte Restriktionen existieren kaum noch. Das Design beginnt am Plattensitz. Umso wichtiger ist ein tiefes Verständnis der eingeleiteten Kräfte, der auftretenden Spannungen und der Spanbildung. Der Werkzeugkonstrukteur benötigt viel mehr anwendungstechnisches Wissen.
Ist das generative Fertigen von Werkzeugen bereits wirtschaftlich?
Kress: Das lässt sich nicht grundsätzlich beantworten. Generell gilt, dass sich die Vorteile des Lasersinterns bei Sonderwerkzeugen leichter nutzen lassen. Ein einfaches Standardwerkzeug, das sich konventionell fertigen lässt, wird man kaum generativ herstellen. Sobald man einen Extranutzen erzielen kann, lohnt es sich. Ein Beispiel: Bei unserem neuen Schneidplattenbohrer QTD ermöglichte uns dieses Fertigungsverfahren kleinere Werkzeugdurchmesser und bei einer höheren Kernfestigkeit des Schafts deutlich größere Kühlkanäle und damit eine viel effizientere Kühlung. Die Wirtschaftlichkeit hängt also immer von der Anwendung ab.
Sellmer: Man darf nicht vergessen, dass auch ein generativ gefertigtes Werkzeug an vielen entscheidenden Stellen konventionell gefinisht werden muss. Dabei entsteht über die Hälfte der Fertigungskosten.
Nutzen Sie Standardanlagen oder haben sie die Technik weiterentwickelt?
Sellmer: Wir nutzen Standardanlagen, sehen aber Raum für deutliche Verbesserungen.
Wo besteht noch Entwicklungspotenzial?
Sellmer: Die Basistechnologie existiert. Das größte Potenzial liegt in höheren Bauraten. Das ließe sich mit relativ geringem Aufwand anlagentechnisch durch den Einsatz mehrerer Laserquellen realisieren. Neben optimierten Fertigungssystemen, einer höheren Verfahrenseffizienz und der Kreativität der Konstrukteure, stehen vor allem die Werkstoffe im Fokus der Entwickler. Reale Bauteile werden heute aus Kunststoff, Aluminium, Titan oder Stahl hergestellt. Ebenso denkbar sind Materialien mit hoher Steifigkeit, gezielten Dämpfungseigenschaften oder hybride Strukturen.
Wofür setzen Sie das Verfahren derzeit ein?
Sellmer: Unser erstes Ziel war die Fertigung von Prototypen, die sich so sehr schnell herstellen lassen. Auch im Bereich Sonderwerkzeuge haben wir alle Möglichkeiten, weil es nur um kleine Stückzahlen geht. Vorteile in der Anwendung ergeben sich unter anderem durch beliebig gestaltbare Kühlmittelkanäle, einen inneren Wuchtausgleich oder Leichtbaukonstruktionen. Angewendet haben wir das bislang zum Beispiel bei Außenreibahlen, Kurzklemmhaltern für ISO-Schneiden oder Komponenten für unsere Einstellgeräte. Der Vorteil liegt unter anderem darin, dass kaum Rüstkosten entstehen und eine ‚chaotische‘ Fertigung möglich ist.
Wie ist das Verschleißverhalten generativ aufgebauter Werkzeuge?
Sellmer: Wir stehen zwar noch am Anfang der Entwicklung mit dieser Technologie, aber wir haben bereits festgestellt, dass die Materialeigenschaften genauso sind wie bei konventionellen Werkzeugen. Durch die optimierte Kühlmittelführung konnten wir das Risiko von Späneklemmern deutlich reduzieren, was sich positiv auf die Lebensdauer der Werkzeuge auswirkt. Außerdem konnten wir dort Rundungen einarbeiten, wo konventionelle Werkzeuge durch Kerbspannungen geschwächt werden.
Wie siehts mit der Recyclingfähigkeit aus?
Kress: Die ist wie bei den konventionell gefertigten Werkzeugen auch. Aber ein weiterer Vorteil ist, dass das Pulver, das nicht verbaut wird, zu 95 Prozent wieder in den Sinterkreislauf zurückgeführt werden kann.
Ab wann sind die Hybrid-QTD-Bohrer für Kunden verfügbar?
Kress: Bei einigen Testkunden sind die Werkzeuge bereits im Einsatz. Ab Lager sind sie Anfang 2015 verfügbar. Dann in 50 verschiedenen Varianten mit Durchmessern von 8,5 bis 13 Millimeter und in Längen von 1,5-, 3-, 5-, 8- und 12-mal D.
Sind diese Werkzeuge teurer?
Kress: Der Preis wird etwas höher liegen, aber in einer vergleichbaren Region. •
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