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Oberflächentechnik: Korrosionstests simulieren die Realität

Überprüfung von Bauteilbelastungen
Oberflächentechnik: Korrosionstests simulieren die Realität

Mit Korrosionstests lässt sich prüfen, wie lange ein Stahlwerkstoff oder -bauteil korrosiven Angriffen widersteht – wichtig für die dauerhafte Erhaltung von Funktionalität und Standzeit.

Mareike Meer
Lead Quality Testing, Dörken MKS-Systeme, Herdecke

Grundsätzlich gilt: Mit einem Korrosionstest lässt sich prüfen, wie lange ein Werkstoff oder ein Bauteil – unbeschichtet oder beschichtet – korrosiven Angriffen widersteht. Aufgrund der vielfältigen Beanspruchungen und Rahmenbedingungen ist die Konzeption und Durchführung einer solchen Prüfung jedoch meist aufwendig und zeitintensiv. Gerade bei Korrosionstests im Außenbereich werden erste Korrosionsschäden oft erst nach vielen Jahren sichtbar. Vor allem in der so genannten Freibewitterung sind die Bedingungen im Zeitverlauf höchst wechselhaft.

Um die unterschiedlichen Witterungsbedingungen dennoch realitätsgetreu simulieren zu können, werden bei im Außenbereich durchgeführten Prüfungen verschiedene Klimata unterschieden – vom trockenen Wüstenklima bis zum tropischen und/oder salzigen Klima am Meer. Das Problem: Auch mit dieser Vorgehensweise ist die Zeit für intensive Prüfungen und somit auch zur Erreichung belastbarer Qualitäts- oder Entwicklungsergebnisse in der Regel zu lang. Um die Praxistauglichkeit einer Beschichtung deutlich schneller und trotzdem so real wie möglich zu simulieren, werden daher spezielle Labortests durchgeführt. Dabei werden Werkstoffe oder Bauteile in Prüfkammern einer künstlich geschaffenen „korrosionsfördernden Atmosphäre“ ausgesetzt.

Salzsprühnebeltest dauert
zum Teil mehr als 1000 Stunden

Ein klassischer Korrosionstest unter konstanten Bedingungen ist die Salzsprühnebelprüfung – auch Konstantklimatest nach ISO 9227 NSS (Neutral Salt Spray) genannt. Werkstoffe und Beschichtungen werden dabei in einer Sprühkammer zum Teil mehr als 1000 Stunden lang bei 35 °C stetig mit einer 5 %igen Salzlösung besprüht. Als Salz wird Natriumchlorid (NaCl) verwendet, der pH-Wert beträgt 6,5 bis 7,2, die Luftfeuchte liegt bei fast 100 %. Darüber hinaus wird auch die Kondensatmenge nach definierten Kriterien aufgefangen. Aufgrund des einheitlichen Versuchsaufbaus und der festgelegten Rahmenbedingungen nach ISO 9227 liefert das Prüfverfahren in der Regel reproduzierbare beziehungsweise belastbare Ergebnisse zur Korrosionsbeständigkeit eines Bauteils. Zudem liegen zahlreiche Erfahrungswerte vor – zum Beispiel gilt die Faustregel, dass eine Besprühung über 720 Stunden einer Korrosionsbelastung (C5 gemäß DIN EN ISO 12944-6) von
7 bis 15 Jahren in der Freibewitterung entspricht.

Neben der NSS-Variante werden in der Praxis weitere Salzsprühnebelprüfungen eingesetzt. Bei der Essigsäure-Salzsprühnebelprüfung – kurz ASS (Acetic Acid Salt Spray) – wird der NaCl-Lösung Eisessig zugesetzt. Dadurch senkt sich der pH-Wert auf 3,1 bis 3,3 ab. Von der kupferbeschleunigten Essigsäure-Salzsprühnebelprüfung – kurz CASS (Copper Accelerated Salt spray Test) – wird der essigsauren NaCl-Lösung noch Kupferchlorid (CuCl2) zugesetzt. Mit diesen Prüfvarianten wird getestet, wie gut sowohl Aluminium-Oxidschichten als auch dekorative Überzüge aus Kupfer, Nickel und Chrom (Cu-Ni-Cr) oder aus Nickel und Chrom (Ni-Cr) schützen.

Klimawechseltests sind meist näher an der Realität

Als realitätsnäher erweisen sich oftmals Korrosionstests, bei denen Bauteile mehreren Klimata ausgesetzt sind – sogenannte Klimawechseltests. Das Deutsche Institut für Bautechnik bewertet zum Beispiel die Korrosionsbeständigkeit von Oberflächen teils mit mehreren Versuchen. Dabei werden Prüfungen im Labor verbunden mit einer Freibewitterung im Stadtklima Berlin sowie auf der Insel Sylt. Häufig wird auch die oben beschriebene Salzsprühnebelprüfung – zum Teil mit anderen Salzkonzentrationen als in der ISO 9227 festgelegt – kombiniert mit definierten Trockenphasen und mit einer Belastungsphase durch reinen Wassernebel. Dabei werden die zu prüfenden Bauteile teils extremen Temperaturen von -40 bis +80 °C ausgesetzt.

Zudem haben sich verschiedene branchenspezifische Klimawechseltests etabliert – insbesondere in der Automobilbranche. Die dort durchgeführten Prüfungen zeichnen sich dadurch aus, dass sich Salznebelsprühphasen mit Phasen hoher oder niedriger Temperatur, hoher und niedriger Luftfeuchte als auch mit Ruhephasen abwechseln.

Die Variation der Salzkonzentration, Luftfeuchte und Temperatur bewirkt eine ständige Veränderung der Korrosionsumgebung am Bauteil – dies bildet die realen Umweltbedingungen bestmöglich ab. Beim Klimawechseltest VDA 233-102 des Verbands der Automobilindustrie (VDA) wird zum Beispiel auch Frost berücksichtigt. Dabei werden Bauteile mehrere Stunden mit einer 1%igen NaCl-Lösung besprüht und müssen in anderen Testphasen Temperaturen von -15 bis 50 °C und einer Luftfeuchte von 50 bis 95 % aushalten. Die Dauer des Testzyklus beträgt eine Woche.

Volvo besprüht nicht, sondern beregnet

Bei zwei Klimawechseltests des schwedischen Fahrzeugherstellers Volvo werden Bauteile nicht besprüht, sondern phasenweise von oben beregnet. Diese Tests werden kurz ACT (Accelerated Corrosion Test) genannt. Im Rahmen des einwöchigen Testzyklus werden beim Test ACT I Bauteile mehrere Stunden mit einer 1 %igen NaCl-Lösung mit einem pH-Wert von 4,2 beregnet und müssen zudem Temperaturen von 35 bis 50 °C sowie Luftfeuchten von 40 bis 95 % aushalten. Beim Test ACT II werden Bauteile mehrere Stunden mit einer 0,5 %igen NaCl-Lösung beregnet und müssen in anderen Testphasen Temperaturen von 25 bis 50 °C und Luftfeuchte von 70 bis 95 % aushalten. Auch hier dauert ein Testzyklus eine Woche.

Neben den im Labor durchgeführten Tests werden in verschiedenen Branchen darüber hinaus auch speziell auf die unterschiedlichen Anforderungen konzipierte Spezialtests zur Prüfung der Korrosionsbeständigkeit von Bauteiloberflächen durchgeführt. Der Autohersteller Audi zum Beispiel führt mit dem Ingolstädter Korrosions- und Alterungstest (INKA) einem der härtesten Prüfungen durch, bei der in fünf Phasen innerhalb von 19 Wochen zwölf Autojahre unter extremen Bedingungen simuliert werden. Bei Mercedes gibt es mit dem so genannten Meko-Test eine ähnlich harte Belastungsprüfung und auch bei BMW müssen Fahrzeuge ihre Korrosionsbeständigkeit in einem umfangreichen Dynamic Corrosionstest (Dyco) nachweisen.

Im Ergebnis bedeutet das, dass Korrosionstests zahlreiche Erkenntnisse zur Bewertung und Optimierung der Korrosionsbeständigkeit von Stahlbauteilen erlauben und so eine wichtige Basis für die dauerhafte Erhaltung der Funktionalität und der Standzeiten bieten. Wichtig ist dabei jedoch immer die Wahl eines genau auf die jeweiligen Praxisanforderungen des jeweiligen Bauteils abgestimmter Test. Festzuhalten bleibt aber auch: Korrosionstests können die unterschiedlichen alltäglichen Belastungen der Bauteile nur simulieren und niemals in ihrer ganzen Komplexität abbilden.

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