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„Plasmatechnik amortisiert sich oft schon in einem Jahr“

Oberflächentechnik: Plasmatreat-Chef Christian Buske zu den Möglichkeiten der Plasmabehandlung
„Plasmatechnik amortisiert sich oft schon in einem Jahr“

„Plasmatechnik amortisiert sich oft schon in einem Jahr“
„Composites erhalten durch Plasma-Aktivierung völlig neue Strukturzusammensetzungen.“
Die Oberflächenbehandlung mit Plasma kann weit mehr als die Standzeiten von Werkzeugen erhöhen. Christian Buske, Geschäftsführer der Plasmatreat GmbH, Steinhagen, erklärt, wie damit Aluminium gegen Korrosion geschützt wird.

Oberflächenbehandlung mit Plasma galt lange Zeit als relativ teuer. Hat sich dies in der Zwischenzeit geändert?

Dies hängt immer davon ab, welche Technik die Plasmatechnik letztlich ablöst. Doch ich schätze, dass sich die atmosphärische Plasmatechnik in einem Drittel der Anwendungsfälle in weniger als einem Jahr amortisiert – nicht zuletzt, weil die Produktionsabläufe weniger umfangreich sind. Man muss sich den gesamten Prozess anschauen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Beim Zwei-Komponenten-Spritzgießen etwa können Sie durch Plasma kostengünstigere Rohmaterialien einsetzen, weil dies die Oberfläche verändert oder behandelt.
Metallbearbeiter kennen die Oberflächenbehandlung mit Plasma vor allem von der Beschichtung von Werkzeugen, um deren Standzeiten zu erhöhen. Auch für Reinigungsprozesse kommt sie zum Einsatz. Sie haben nun auch für die Behandlung von Aluminium Verfahren entwickelt, mit denen sich der Korrosionsschutz realisieren lässt. Wie funktioniert das?
Die Energie eines Plasmastrahls ist generell hoch genug, um die Bindungsenergien der Moleküle zu brechen, so dass sie neue Verbindungen mit den Gasen in der Umgebung eingehen können. Für den Aluminium-Korrosionsschutz setzen wir dem Plasmastrahl ein Silizium-organisches Precursor-Material zu, das durch die Plasmaenergie umgewandelt wird und dann für eine glasartige Beschichtung von 20 bis 500 nm – je nach Anwendung – der Oberfläche sorgt. Sie stellt eine Barriere gegen Feuchtigkeit, Sauerstoff und Korrosion auf der Metalloberfläche dar. Diese Schichten können als Finish dienen, lassen sich aber auch mit PU- oder Silikon-Klebstoffen verkleben. Die Schicht sorgt dafür, dass die Verklebung in der Klebfuge nicht so schnell korrosiv unterwandert wird.
Für welche Anwendungen bietet sich Ihr Verfahren an?
Dadurch, dass das Verfahren bei unserer Technik unter Atmosphäre abläuft, man also keine Vakuumkammer benötigt, bietet es sich für automatisierte Inline-Prozesse an. Die Düse des Plasmastrahls wird am Bauteil vorbeigeführt, um den Korrosionsschutz zu erhalten. Insofern eignet es sich für den selektiven Korrosionsschutz an Bauteilen.
Für welche Anwendungen bietet sich dies an?
Unser Kunde TRW behandelt auf diese Weise Aluminiumdruckgussgehäuse, in denen Elektronik wasserdicht untergebracht ist. Konkret geht es darum, eine Kappe auf das Gehäuse aufzubringen, in der die Elektronik bereits eingebaut ist. Dazu wird zunächst mit Plasma mikrofein vorgereinigt, dann mit Hilfe der Plasmapolymerisation beschichtet, dann der Klebstoff aufgetragen und anschließend die Kappe aufgepresst. Die Unterwanderung der Dichtung wird hier mit unserem partiellen Korrosionsschutz vermieden. Gerade im Auto gibt es eine Vielzahl von dezentral untergebrachten elektronischen Bauteilen, die gegen Feuchtigkeit geschützt werden müssen.
Welchen Korrosionsschutz lösen Sie ab?
Das hat man bisher vor allem durch Chromatieren und Beizen gelöst, doch diese zusätzlichen Arbeitsschritte kosten bei einem Gehäusebauteil leicht einige Euro. Die Plasmapolymerisation verursacht nur ein Zehntel dieser Kosten.
Wie groß dürfen die Bauteile sein?
Die Größe spielt keine Rolle, da sich das Werkzeug sogar manuell bedienen lässt.
Gibt es andere Einschränkungen?
Das Bauteil sollte auf alle Fälle sauber und fettfrei sein. Dies kann durch einen vorgelagerten Plasmaprozess erledigt werden. In dem Fall lassen sich die gleichen Werkzeuge nutzen, es wird einfach vom Reinigungs- auf den Oberflächenbeschichtungsmodus umgeschaltet.
Welche Fortschritte gibt es bei der Reinigung von Aluminium?
Wir können seit kurzem 300 mm breite Bahnen mit unserer Technik im Durchlauf reinigen, die später im Coil-Coating-Verfahren beschichtet werden. Dafür kamen bislang Phosphorsäure und andere nasschemische Verfahren zum Zug. Wir haben etwa bei Griesser, einem Schweizer Hersteller von Aluminium-Außenjalousien, für die Reinigung 48 Plasmadüsen in Reihe geschaltet. Dadurch spart der Kunde im Monat rund 800 t an Abwasser sowie enorme Mengen an Chemikalien und vervierfacht die Geschwindigkeit des Produktionsprozesses.
Für welche weiteren Anwendungen bietet sich das Verfahren an?
Mit Plasma kann man Nuten sehr gut ölfrei bekommen oder auch Lammellenstrukturen reinigen. Zudem lässt sich Aluminium durch eine Plasmabehandlung für das Schweißen vorbereiten, die Schweißnaht wird ruhiger.
Auch für Kunststoffverarbeiter ist die Plasmaoberflächentechnik interessant. Welche Trends beobachten Sie hier?
Hier zeichnet sich die Entwicklung ab, die Schichtstrukturen von Composites, wie sie etwa im Fahrzeug-, Windkraft- und Flugzeugbau verwendet werden, nicht mehr mechanisch reinigen zu müssen, um sie anschließend sicher verkleben oder lackieren zu können. Durch das einfache Abstrahlen der Oberfläche mit Plasma hält die Lackierung. Das gilt für die Flat-Lamination, also die Laminierung von Sandwiches. Hier entstehen durch die Plasma-Aktivierung der inneren Sandwich-Kerne häufig neue Strukturzusammensetzungen. So lassen sich auch Recyclingmaterialien wie Polypropylen (PP) und PP-Gemische für diese inneren Kerne einsetzen. Doch auch 3D-Geometrien sind denkbar.
Und wie sieht es beim Spritzgießen aus?
Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Kunststofftechnik der Uni Erlangen-Nürnberg, Neue Materialien Fürth und Krauss-Maffei arbeiten wir seit einigen Jahren daran, die Kompatibilität verschiedener Hart-Weich-Materialien im Spritzgussprozess zu erhöhen. Die Ergebnisse: Kostengünstiges PP und thermoplastische Polyurethan-Elastomere (TPU) zum Beispiel fallen beim Spritzen nicht mehr auseinander, wenn man die PP-Oberfläche mit Plasma behandelt. Bei vielen Anwendungen kann man so auf ABS-PC verzichten und spart etwa ein Drittel der Materialkosten. Außerdem werden so mehrere Fertigungsschritte in einer Spritzgussmaschine abgewickelt. Die Plasmatechnik ist inline in die Krauss-Maffei-Maschinen integriert. Doch wir sind auch offen für andere Kooperationen.
Lässt sich mit diesem Verfahren nicht auch gleichzeitig die Haptik von Oberflächen verbessern?
Ja, im Interieur von Fahrzeugen können damit etwa problematische Softtouch-Lackierungen ersetzt werden. Die dünne TPU-Schicht auf PP sorgt etwa bei Instrumententafeln für eine angenehmen Haptik.
Heißt das nicht, dass die Designer und Konstrukteure die Technologie bereits in ihre Ideen und Arbeiten integrieren müssen?
In der Automobilindustrie oder in der Kunststofftechnik muss es über diese beiden Gruppen laufen, da sie die Materialien auswählen. Sie müssen die Möglichkeiten der Technologie kennen und um ihre Einsparpotenziale wissen. Dass wir zusammen mit einem Maschinen- und einem Rohstoffhersteller den Kunden ein ganzes System anbieten können, erleichtert die Sache. Doch in bestimmten Branchen ist es schwierig, den Designern die Technik nahe zu bringen.
Wo können sich diese Spezialisten über die Technik informieren?
Neben dem persönlichen Gespräch mit unseren Experten vor allem auf Konferenzen – etwa zur Kunststofftechnik im Automobilbau. Darüber hinaus kooperieren wir mit dem Fraunhofer IFAM in Bremen.
Sabine Koll Journalistin in Böblingen

Marktchancen
Die Industrielle Plasma-Oberflächentechnik ist Schlüsseltechnologie für verbesserten Verschleiß- und Korrosionsschutz oder Reibminderung an hochbelasteten Maschinenkomponenten. In der Komponentenindustrie werden diese Möglichkeiten für leistungsfähigere Produkte erfolgreich genutzt. Es gibt allerdings noch immer Bereiche, in denen die Potenziale der Technik zur Produktinnovation noch bei weitem nicht ausgeschöpft sind.
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