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„Potenziale des Servo-Direkt-Antriebs sind noch lange nicht ausgeschöpft.“

Schuler-Chef Stefan Klebert über Trends in der Umformtechnik
„Potenziale des Servo-Direkt-Antriebs sind noch lange nicht ausgeschöpft.“

Technologie und Innovation sollen künftig bei der Schuler AG eine noch größere Rolle spielen. Was das heißt und wie die Göppinger die Krise gemeistert haben, sagt Stefan Klebert. Der Diplomingenieur ist Vorsitzender des Vorstands beim Umformspezialisten.

Herr Klebert, die Messe Blechexpo steht vor der Tür. Was zeigt Schuler?

Unter dem Motto ‚Potenziale erkennen. Chancen nutzen‘ präsentieren wir Systemlösungen, die für unsere Kunden die Produktivität steigern und Marktchancen eröffnen. Technologisch prägen die Themen Energie- und Kosteneffizienz, Leichtbau, Verfahrensintegration und Prozessoptimierung unseren Auftritt.
Gibt es technologische Premieren?
Im Zentrum steht die Weiterentwicklung unserer Servo-Direkt-Technologie. Sie bietet neue Möglichkeiten hinsichtlich Energieeffizienz und Prozessoptimierung. Welche Potenziale damit insbesondere in der Automobil- und Zulieferindustrie, im Motoren- und Generatorenbau sowie in der allgemeinen Blechfertigung noch zu heben sind, das wollen wir mit den Standbesuchern diskutieren.
Servo-Direkt-Antriebe sind nicht neu. Wie unterscheiden Sie sich vom Wettbewerb?
Wir setzen spezielle Torque-Motoren ein, die wir gemeinsam mit dem Hersteller entwickelt haben und die exklusiv uns zur Verfügung stehen. Sie gehören zu den leistungsstärksten Antrieben, die derzeit verfügbar sind. Wir bieten diese Technologie in der ganzen Breite unserer Stanz- und Umformmaschinen an, und unsere Erfahrung zeigt, dass die Potenziale in der Praxis noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Wie groß sind die Potenziale noch?
Das hängt vom einzelnen Anwender ab. Am größten sind sie, wo vergleichsweise alte Anlagen arbeiten. Aber auch viele Betriebe, die die Technologie bereits nutzen, können noch mehr herausholen. Dabei helfen wir ganz individuell. Grundsätzlich ermöglicht die freie Programmierbarkeit des Servo-Antriebs, Prozesse entlang des Optimums zu führen. Sind beispielsweise nur kurze Hübe erforderlich, reichen kleine Pendelbewegungen. Das spart Zeit und Energie. Bei Bedarf können wir den Stempel anhalten und Folgeoperationen – etwa mittels Laserschneiden, Schweißen oder mechanischem Fügen – direkt in den Prozess integrieren. Dadurch entfallen ganze Arbeitsschritte, die entsprechende Logistik und das Zwischenlagern der Teile.
Auf welche technischen Trends müssen sich Umformtechniker einstellen?
Neben der klassischen Entwicklung, hin zu einer höheren Produktivität, werden uns in absehbarer Zeit vor allem drei weitere Themen beschäftigen. Das ist zum einen die Energie- und Ressourceneffizienz, also die Frage, wie wir optimale Prozessleistungen erzielen und dabei die Umwelt möglichst wenig belasten. Das ist auch ein immer wichtiger werdender Kostenfaktor. Zum anderen müssen wir uns weiter mit der Prozessintegration und dem Bearbeiten von Leichtbauwerkstoffen beschäftigen.
Was bietet Schuler diesbezüglich?
In Sachen Produktivität sind unsere Servo-Direkt-Technologie und unsere Automationslösungen wichtige Bausteine unseres Portfolios. Ein weiterer Aspekt ist allerdings die Prozessoptimierung. Wir analysieren die Abläufe beim Kunden und machen Vorschläge, wie sich die Effizienz verbessern lässt. Um beispielsweise das Umrüsten zu optimieren, haben wir eine Simulations-Software entwickelt, die viel schneller zum ersten Gutteil verhilft. Der Produktionsausfall verkürzt sich dadurch erheblich. Und das ermöglicht zusätzliche Wertschöpfung, die durchaus im sechsstelligen Euro-Bereich liegen kann.
Inwieweit ist Energieeffizienz ein Thema?
Wo das Sinn macht, verwenden wir energiesparende Systeme und Komponenten. Und grundsätzlich gilt: Produktivere Prozesse sind – bezogen auf das gefertigte Teil – in der Regel auch energieeffizienter als konventionelle. Dennoch muss man sagen, dass Wunsch und Praxis noch auseinanderdriften. Interessanterweise sind es oft besonders die kleineren, inhabergeführten Unternehmen, bei denen der Chef eher an die Lebenszykluskosten und damit auch an den Energieverbrauch denkt.
Welchen Beitrag können Maschinenhersteller zur Ressourceneffizienz liefern?
Einen großen! Nur ein Beispiel: Für die Verpackungsindustrie haben wir gerade eine neue Maschine für die Aerosoldosen-Produktion vorgestellt, die Icon V-Drive. Mit ihr lassen sich bis zu 50 Prozent des Materialverbrauchs einsparen. Bei rund 13 Milliarden Dosen jährlich kommt da einiges zusammen. Außerdem erlaubt die Maschine, zu 100 Prozent recycelbare Aluminium-Legierungen einzusetzen. Auch das spart Rohstoffe. Und dass in der Anlage die Napfherstellung und das Umformen des Dosenkörpers integriert sind, spart dem Anwender das getrennte Stanzen und Napfpressen sowie die entsprechenden Anlagen. Die V-Drive ist deswegen gerade auf der Metpack ausgezeichnet worden.
Technologie und Innovation sollen bei Schuler künftig eine noch größere Rolle spielen. Was heißt das?
Wir sind Technologie-Weltmarktführer. Diese Stellung soll uns niemand streitig machen. Damit das so bleibt, werden wir den Technologiebereich kontinuierlich ausbauen. Das zeigt sich unter anderem im neuen Vorstandsressort, das von Joachim Beyer geleitet wird. Das zeigt sich aber auch darin, dass wir großen Wert auf Aus- und Weiterbildung legen.
Wird sich Schuler noch stärker vom Anlagen- zum Technologieanbieter wandeln?
Wir verstehen uns als kompetenten Problemlöser in der Umformtechnik. Wir arbeiten zwar daran, Abläufe und Komponenten zu standardisieren und zu modularisieren, aber unsere Kunden erwarten individuelle Lösungen, und die werden sie weiterhin bekommen. Dazu können wir unter anderem auf einen eignen Werkzeugbau und einen eigenen Automationsbereich zurückgreifen. Das ermöglicht es uns auch, ganz neue Verfahren zu entwickeln.
Wie das Fertigen von Zahnrädern mittels Umformen, das Ihre Werkzeugbau-Sparte Cartec auf der Euroblech vorgestellt hat?
Genau. Wir sind also durchaus in der Lage, komplette Fertigungsketten inklusive neuer, innovativer Teilprozesse schlüsselfertig zu liefern, wenn das der Kunde wünscht. Wir helfen aber auch dabei, bestehende Prozesse zu optimieren.
Welchen Einfluss hat der Trend zur Elektromobilität auf Ihr Portfolio?
Wir haben die Elektromobilität als eines unserer strategischen Marktsegmente definiert und sehen hier einen wichtigen Wachstumsmarkt. Wir können nicht beeinflussen, wie schnell sich dieser Wandel vollzieht. Hier sind andere gefragt, die Politik, die Autohersteller, die Energieversorger… Dass Veränderungen schnell eintreten können, haben die letzten Jahre gezeigt. Und dafür sind wir gerüstet, etwa mit unserem Sortiment an Schnellläuferpressen für die Elektroblech-Herstellung für E-Motoren. Auch für den Leichtbau, das Umformen hochfester Bleche oder die Fertigung von CFK-Teilen haben wir Lösungen.
Kann Carbon im Karosseriebau metallische Strukturen zunehmend ablösen?
Das ist derzeit noch zu weit gegriffen. Nicht nur, weil das Material sehr teuer ist. Auch die Zykluszeiten sind durch die nötige Aushärtezeit erheblich länger als beim Umformen von Metallen. Dazu kommt, dass auch im Bereich hochfester Stahlbleche die Entwicklung weiter geht – sowohl hinsichtlich der Werkstoffe als auch der Werkzeug- und Anlagentechnik.
Anderes Thema: Wie hat Schuler die Krise überstanden?
Keine Frage, sie hat auch uns hart getroffen. Der Auftragseingang brach im vergangenen Geschäftsjahr um über 40 Prozent ein. Aber inzwischen läuft das Geschäft wieder gut. Lag der Auftragseingang im Gesamtjahr 2009/10 – unser Geschäftsjahr läuft von Oktober bis September – bei rund 818 Millionen Euro, so brachte uns allein das erste Halbjahr 2010/11 Aufträge in gleicher Höhe. Wenn alles normal läuft, rechnen wir in diesem Jahr mit einem Umsatz zwischen 870 und 920 Millionen. Im Vorjahr lag er bei 650 Millionen. In unserem bisher besten Jahr, 2007/08 – geprägt durch die Fusion mit Müller Weingarten –, setzten wir 966 Millionen Euro um.
Ihre weiteren Ziele?
2013/14 wollen wir rund 1,2 Milliarden Euro umsetzen – und zwar auf Basis eines vor allem organischen Wachstums – und zugleich unsere operativen Ergebnisse deutlich steigern.
Welches sind Ihre wichtigsten Märkte?
Die Nachfrage zieht in fast allen Märkten spürbar bis deutlich an. Derzeit läuft das Geschäft in Asien und dort speziell in China besonders gut. In den traditionellen Regionen ist Deutschland am stärksten.
Und aus Branchensicht?
Nach wie vor haben wir einen Schwerpunkt in der Automobilbranche und bei deren Zulieferern. Von dort kommen rund 60 Prozent unseres Umsatzes. Im Zuge unserer Neustrukturierung haben wir acht weitere strategische Marktsegmente definiert, die wir ausbauen wollen.
Welche Marktsegmente sind das?
Das sind die Segmente Bahn, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Großrohre, Motoren- und Generatorenbau, Verpackungstechnik, Münzen und Medaillen sowie Weiße Ware.
Schuler auf der Blechexpo Halle 9, Stand 9205
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