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Prozesswärme aus Wasserstoff in Lackiererei

Effizienzsteigerung durch bivalente Brenner
Prozesswärme aus Wasserstoff trocknet Fahrzeuglack

Im BMW-Werk Leipzig wird bisher Erdgas genutzt, um Prozesswärme für die Lacktrocknung zu erzeugen. Inzwischen ist hier eine Trocknungslinie mit bivalenten Brennern ausgerüstet worden, die auch Wasserstoff als Brennstoff nutzen können.

» Stefan Schroeter, Energiejournalist

Der Brennstoffwechsel von Erdgas auf Wasserstoff würde nur wenige Minuten dauern. An einer Trocknungslinie der Lackiererei im BMW-Werk Leipzig steht Jens Götze vor einem Bildschirm. Hier könnte er dazu einige Schaltflächen drücken. Dann würde der Erdgasstrom in die Brennkammern gestoppt, erklärt der Nachhaltigkeits-Referent für die Lackierereien des Autoherstellers.

Nach einem Reinigungs- und Sicherheitsprozess würde Wasserstoff in die Brennkammern strömen und gezündet werden. Dann könnte die 150 °C heiße Luft für die Trocknungslinie mit dem alternativen Brennstoff erzeugt werden. Durch diese tunnelartige Anlage werden frisch lackierte Fahrzeug-Karossen 20 min lang hindurchgeführt und dabei mit der heißen Luft allmählich erwärmt und getrocknet.

Den Brennstoffwechsel möglich machen fünf bivalente Brenner in der Trocknungslinie, die wahlweise Erdgas, Wasserstoff oder ein Gemisch aus beiden verbrennen können. Das Brennersystem dafür hat BMW gemeinsam mit der Bremer Firma Saacke entwickelt. Das Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg unterstützte den Autohersteller bei der Integration des Sicherheitskonzeptes. Es ist die erste Trocknungslinie in der Lackiererei, die auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Damit hat das Werk hier die erste Voraussetzung dafür geschaffen, sogenannten grünen Wasserstoff einzusetzen.

Grüner Wasserstoff wird überwiegend durch Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt und gilt deshalb als klimafreundlicher Energieträger. Er kann vor allem fossiles Erdgas ersetzen, bei dessen Verbrennung das Treibhausgas Kohlendioxid freigesetzt wird. Grüner Wasserstoff ist allerdings noch knapp und teuer. Im Unterschied dazu wird grauer Wasserstoff in der Industrie durch die Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt. Das ist mit einem größeren Kohlendioxid-Ausstoß verbunden.

Deshalb gilt grauer Wasserstoff als nicht klimafreundlich. Dennoch wird er oft als Übergangslösung eingesetzt, um Wasserstoff-Anwendungen zu erproben, bis grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen und zu vertretbaren Preisen verfügbar ist. In der Lackiererei des BMW-Werks Leipzig gibt es insgesamt zehn Trocknungslinien, die unterschiedliche Aufgaben im Produktionsprozess erfüllen. Sie nutzen zur Heißluft-Erzeugung bisher standardmäßig Erdgas. Das berichtet Stefan Fenchel, Leiter des Projekts „Grünes Werk“.

Herausforderungen für grünen Wasserstoff

Der Jahresverbrauch für die Erdgas-Brenner liegt bei 60 GWh. Das entspricht einem Drittel der Erdgasmenge, die das Werk insgesamt verbraucht. Wenn das Erdgas schrittweise durch grünen Wasserstoff ersetzt werden könnte, wäre das ein entsprechend großer Beitrag dafür, die Nachhaltigkeit der Produktion zu verbessern.

Bis die erste Trocknungslinie tatsächlich dauerhaft mit grünem Wasserstoff betrieben werden kann, sind allerdings noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Die erste liegt zunächst darin, ausreichend große Mengen Wasserstoff in die Lackiererei zu transportieren. Die zweite ist, über diese Leitung dann auch Wasserstoff mit der grünen Eigenschaft zu beziehen.

Bisher wird der Wasserstoff für die Lackiererei noch als grauer Wasserstoff in Druckflaschen-Bündeln angeliefert. Damit ist es möglich, die erste Trocknungslinie mehrere Stunden oder auch einmal einen Tag lang zu betreiben. Das reicht aus, um die Funktionen der Brenner und der gesamten Trocknungslinie zu testen und für einen Dauerbetrieb vorzubereiten. Diese Tests sind erfolgreich verlaufen, berichtet Fenchel.

Projekt für eine Wasserstoffleitung

Damit ist das BMW-Werk nun eigentlich bereit dafür, mit seiner ersten Trocknungslinie in einen Dauerbetrieb mit Wasserstoff überzugehen. Dafür ist allerdings erst noch ein nächster Schritt notwendig: Das Werk müsste Wasserstoff in großen Mengen aus einer Leitung beziehen können. An einem solchen Leitungsprojekt arbeitet BMW derzeit mit Partnern aus der Energiewirtschaft. Dabei könnte eine schon bestehende Erdgasleitung auf Wasserstoff umgestellt werden. Sie verläuft durch Sachsen-Anhalt und Sachsen und soll hier künftig die Produzenten von grünem Wasserstoff mit seinen Verbrauchern verbinden. Dann wäre es auch möglich, von dieser umgestellten Leitung eine Stichleitung ins Autowerk zu verlegen.

Mit diesem Projekt bewerben sich BMW und seine Partner derzeit um öffentliche Fördermittel. Wenn es mit dem Zuschlag klappen sollte, könnte das Leitungsprojekt bald umgesetzt werden. „Wir glauben daran, dass wir bis 2025 an eine Wasserstoffleitung angeschlossen werden können“, sagt Fenchel. Bis dahin wird im Werk schon eine zweite Trocknungslinie für den Wechselbetrieb mit Erdgas und Wasserstoff vorbereitet. Wie Referent Götze berichtet, waren hier die bisher eingesetzten Brenner in die Jahre gekommen und mussten deshalb ohnehin gewechselt werden. Nun werden sie durch bivalente Brenner ersetzt.

Auf die grüne Eigenschaft kommt es an

Wenn einmal die Wasserstoffleitung im Werk anliegt und den Dauerbetrieb der ersten beiden Trocknungslinien mit dem Alternativ-Brennstoff ermöglicht, rückt der nächste Schritt in den Vordergrund: der Bezug von grünem Wasserstoff. Wie Fenchel berichtet, ist er heute schon im Gespräch mit zehn verschiedenen Firmen, die in der Leipziger Region grünen Wasserstoff produzieren wollen. Einige würden ihre Projekte bereits umsetzen, andere seien noch in der Planung.

„Wir werden künftig Wasserstoffmengen ausschreiben und Angebote einholen“, kündigt er an. Später rechnet er damit, dass sich ein Börsen-Handelsplatz für grünen Wasserstoff etablieren wird. Auch beim Bezug von grünem Wasserstoff ist eine Übergangslösung auf einem zweigeteilten Weg denkbar: Zum einen kauft das BMW-Werk grauen Wasserstoff bei regionalen Lieferanten ein. Zum anderen erwirbt es Zertifikate von weiter entfernten Herstellern, die schon grünen Wasserstoff produzieren.

Auf diesem Zertifikate-Weg geht die grüne Eigenschaft auf den regional beschafften Wasserstoff über. Das ist eine Lösung, die das BMW-Werk Leipzig bei einem anderen Projekt schon praktiziert: bei einer Flotte von Flurförderzeugen, die einen Brennstoffzellen-Antrieb haben und mit zertifiziertem grünen Wasserstoff betankt werden.

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