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Ritterschlag für die Hybridschmiede

Leiber Group liefert Aluminium-Grauguss-Bremstöpfe für BMW-Serien
Ritterschlag für die Hybridschmiede

Hybridschmieden | Vom Leichtbaugedanken „der richtige Werkstoff am richtigen Platz“ ließ sich Aluminiumspezialist Leiber leiten beim Entwickeln der neuartigen Umformtechnologie. Heute spart ein hybridgeschmiedeter Bremstopf 4 kg Gewicht in BMW-Serienfahrzeugen ein.

Andreas Kroner Leiter Entwicklung bei der Leiber Group, Emmingen

Rund vier Jahre ist es her, seit die Leiber Group GmbH & Co. KG erstmals über das neue Hybridschmiedeverfahren berichtete – nachzulesen im Fachartikel-Archiv des Industrieanzeigers. Der damals in Emmingen auf der Hegaualb entwickelte Hybridbremstopf aus Aluminium und Grauguss kam einer Revolution im Leichtbau gleich. Seit der Demonstrator 2011 auf der Hannover Messe zu sehen war, wurde er nicht nur weiterentwickelt. Er wird sogar serienmäßig verbaut. Von BMW: ein Ritterschlag für die neue Technologie der Leiber Group .
Mit der Grundidee für das Hybridschmieden folgte Leiber dem einfachen wie innovativen Prinzip „der richtige Werkstoff am richtigen Platz“: Stahl verfügt über spezifische Eigenschaften, die für viele Bereiche unverzichtbar sind. Steifigkeit zum Beispiel. Aber Stahl hat sein Gewicht. Beim Hybridschmieden wird der Werkstoff in Bereichen, in denen diese Eigenschaften nicht gefordert sind, durch das erheblich leichtere Aluminium substituiert.
Die besten Eigenschaften der beiden Metalle gehen also eine unschlagbare Verbindung ein, bei der je nach Bauteilart und Größe das Gewicht um 30 bis 70 % reduziert werden kann. So wiegt der Bremstopf der Leiber Group in der Hybridvariante aus Aluminium und Grauguss rund 50 % weniger als herkömmliche Varianten. Im Automobilbau sind dies beachtliche Werte. Denn 100 kg weniger Gewicht verringern den Kraftstoffverbrauch um bis zu 0,3 Liter je 100 km.
„Neben dem Umweltaspekt kommt noch ein weiterer Faktor hinzu“, betont Dr. Rolf Leiber, geschäftsführender Gesellschafter der Leiber Group, „nämlich ein erheblicher Zugewinn an Fahrdynamik.“ Getrieben von der Gewissheit, ein Produkt mit einem bislang unerreicht hohen Kundennutzen anbieten zu können, überzeugte Leiber den BMW-Systemlieferanten von den Vorzügen der neuen Hybridschmiedetechnologie. „Ein Vorteil war sicher, dass wir uns bereits seit einigen Jahren als Lieferant des Systemanbieters etabliert hatten“, so Rolf Leiber. Der Weg war also durch die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit geebnet.
Auch BMW ließ sich von der Technologie überzeugen. Kein Wunder, überwiegen doch die positiven Effekte der Bremstöpfe von der Hegaualb: Das hybridgeschmiedte Bauteil reduziert das Gewicht der rotierenden, ungefederten Masse an der Hinterachse um 4 kg. Mehr Fahrdynamik für Sportfahrzeuge und gleichzeitig deutlich mehr Fahrspaß. BMW verbaut den hybriden Bremsscheibentopf bei den Sportfahrzeugen M3 und M4 in Verbindung mit der Keramikbremsanlage – bisher wurden damit rund 2500 Fahrzeuge ausgeliefert. Und die Leiber Group integrierte die Serienfertigung des Hybridbauteils als Standardprozess in ihr Portfolio.
Für die Serienproduktion entwickelte Leiber die ursprünglichen Demonstratorbauteile erheblich weiter. So wurde zum Beispiel der Anteil des Graugusswerkstoffes auf ein Minimum reduziert. Die größten Änderungen ergaben sich jedoch in der Abstimmung vom Roh- zum Fertigteil und im Prozessablauf. Dieser musste gegenüber Parameterschwankungen möglichst robust gestaltet werden.
Aber nicht nur der Fahrspaß gewinnt. Auch die Optik des Fahrzeugs: Die mattschwarz anodisierten Oberflächen erzeugen ein dauerhaft hochwertiges Erscheinungsbild. Bei der enormen Felgengröße dieser Fahrzeugklassen ist dies ein nicht zu vernachlässigendes Designelement.
Bei aller Liebe zu Design und Fahrdynamik: Die Funktionssicherheit steht klar an erster Stelle. In zahlreichen Tests wurden die mechanischen Eigenschaften der Einzelkomponenten geprüft. Ebenso ganze Bauteile, meist im Rahmen von statischen und dynamischen Prüfstandversuchen, wie auch in zahlreichen Gesamtfahrzeugversuchen mit Überlasttests. Immerhin gilt es, die Komponenten einer Radbremse gegen vielfältigste Umwelteinflüsse und Betriebslasten abzusichern.
Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang die Korrosionsbeständigkeit. Durch den direkten Kontakt der Aluminium-Knetlegierung mit dem Eisengusswerkstoff entsteht im Verbindungsbereich der beiden Stoffe eine vermeintliche Schwachstelle. Es musste also nachgewiesen werden, dass die Verbindung auch bei einem Angriff von korrosiven Medien zuverlässig stabil und sicher bleibt: bei hohen Temperaturbelastungen, bei Reibung, Verschleiß, Feuchtigkeit, Nässe sowie beim Einsatz von Streusalz und Reinigungsmitteln und schließlich bei höchsten mechanischen Beanspruchungen. Die Tests überzeugten.
Eine kleine Sensation – zumindest für Fachleute, die beim Thema Kontaktkorrosion gerne aufhorchen. Nicht so sehr für die Entwickler der Hybridschmiedetechnologie. Denn das Verfahren ist so ausgelegt, dass korrosive Medien kaum eindringen können. Durch den Prozess entsteht ein sehr präziser Spalt, eine kraft- und formschlüssige Verbindung. Und noch weitere, auch werkstoffkundliche Umstände ließen das gute Ergebnis erwarten.
Ob man bei so viel, im wahrsten Sinne des Wortes „ausgezeichneter“ Leichtigkeit nicht selbst abhebt? Rolf Leiber, der im vergangenen Herbst den European Aluminium Award für seinen neuen Leichtbau-Luftbalgträger entgegen nehmen durfte, ist dafür viel zu stabil verwurzelt. Sein Pioniergeist treibt ihn und sein Entwicklungsteam weiter vorwärts: die nächste Innovation zeichnet sich seiner Einschätzung nach bereits ab.
Theoretisch sieht Leiber den Weg zum Stoffschluss vorbereitet: also zu nicht lösbaren Verbindungen, die durch atomare oder molekulare Kräfte zusammengehalten werden. Aktuell werden bereits praktische Versuche durchgeführt, die im Rahmen von Vorentwicklungsprojekten die These vom Stoffschluss stützen. „Es konnte bereits Stoffschluss zwischen Stahl und Aluminium durch das Hybridschmieden hergestellt werden. Nun muss das Ganze noch prozesssicher abgebildet und nachgewiesen werden. Und das dauert“, so der Chef der Leiber Group.
Wenn es so weit ist, werden zahlreiche Bauteile erheblich davon profitieren: Zum Beispiel jene, bei denen Flüssigkeiten geführt werden, oder bei denen eine elektrische oder thermische Leitfähigkeit entscheidend sind. Für Rolf Leiber gilt der Stoffschluss als Königsklasse der Verbindungstechnologien: „Die Diskussion um die kapillare Wirkung der Fügestelle und die damit verbundene Langzeitwirkung wäre ganz und gar vom Tisch.“
In diesem Bereich wird derzeit noch grundlagenorientiert und forschungsnah gearbeitet, erste Vorentwicklungen stehen. Bis zur Serienreife wird aber sicher noch einige Zeit ins Land ziehen. Wie die Leiber Group als Pionier der Technologie die anstehenden Entwicklungen für sich nutzen wird, darauf darf die Branche gespannt sein. •

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