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Roboter hat kleine Lose im Griff

Werkzeugmaschinen: Automatisierte Prozesse bieten auch Fertigern kleiner Serien viele Vorteile
Roboter hat kleine Lose im Griff

Sie arbeiten bei Bedarf rund um die Uhr, liefern gleichbleibend hohe Qualität und schaffen zusätzliche Kapazitäten, wenn das Fachpersonal fehlt. Und: Moderne Werkzeugmaschinen mit Automation beherrschen inzwischen auch die Kleinserie.

Die Automatisierung von Werkzeugmaschinen ist längst nicht mehr der Großserie vorbehalten. Moderne, flexible Systeme bieten auch in der Fertigung kleiner Lose viele Vorteile. Das zeigt das Beispiel Werkzeugbau Ruhla GmbH. Weil die fehlenden Fachkräfte am Arbeitsmarkt nicht zu finden waren, Geschäftsführer Marco Schülken aber trotzdem weniger Erodierkapazität zukaufen wollte, entschlossen sich die Seebacher vor sechs Jahren, in eine automatisierte Linie zu investieren. Zur Anlage gehören ein Fräszentrum, zwei Senkerodieranlagen, eine Messmaschine und Speicherplätze für Elektroden und Paletten. Die Fertigungszeit für Elektroden hat sich laut Schülken um mindesten 70 % verkürzt und die Erodierkapazität verdoppelt – bei gleichem Personalbedarf. Die Anlage läuft nun seit gut fünf Jahren störungsfrei.

Seit der Krise verzeichnet die Bielefelder Gildemeister AG im Automationsbereich ein deutlich stärkeres Wachstum als bei den Werkzeugmaschinen. Die Erfahrungen aus vielen Projekten belegten, dass durch automatisierte Prozesse Produktivitätssteigerungen von bis zu 25 % an der Tagesordnung seien, berichtet Uwe Kling, Geschäftsführer der Hüfinger DMG Automation GmbH (Halle 2, Stand A21). Außerdem eliminiere die Automation Fehler und Toleranzen, die – etwa beim manuellen Rüsten – menschlich bedingt sind. Das wiederum verbessert die Werkstückqualität. Eine entsprechende Auslastung vorausgesetzt, verspricht Kling eine schnelle Amortisierung der Investition: „Im Idealfall sind die Kosten in weniger als einem Jahr wieder eingespielt.“
Dominik Jauch bestätigt: „Wenn die Anlage halbwegs vernünftig ausgelegt ist, dann habe ich selten ein Projekt erlebt, das sich nach einem Jahr noch nicht amortisiert hatte.“ Für den Geschäftsführer der Spinner Automation GmbH in Markgröningen ist das leicht zu erklären: Der Teilewechsel sei zwei- bis dreimal schneller als beim manuellen Bestücken und vor allem arbeite eine automatisierte Maschine auch außerhalb der regulären Arbeitszeit. Bei Bedarf rund um die Uhr. „Will man mit einer manuellen Maschine eine vergleichbare Produktivität erreichen, braucht man Personal für eine zweite und dritte Schicht. Dann übersteigen aber allein die zusätzlichen Löhne schon die Kosten der Automatisierung.“
Als wichtigste Kriterien bei der Auslegung einer Automationslösung nennt Gerd Schorpp
  • die Stückzeit,
  • die Losgröße,
  • die Variantenvielfalt der Werkstücke,
  • den Umrüstaufwand,
  • die Prozesssicherheit und
  • den zur Verfügung stehenden Platz.
„Unsere Kunden wollen durchgängige Lösungen aus einer Hand“, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter der HLS Hermle Leibinger Systemtechnik GmbH und ergänzt: „Und das schließt oft die zugehörigen Prozesse mit ein.“ Als Tochter der Gosheimer Berthold Hermle AG (Halle 12, Stand C42) arbeiten die Tuttlinger Automatisierer eng mit den Frässpezialisten des Mutterhauses zusammen. „Dadurch können wir mit unseren Systemen gezielt auf das betreffende Maschinenmodell eingehen und eine hohe Prozesssicherheit gewährleisten“, sagt Schorpp.
HLS agiert als eigenständige Einheit, nutzt jedoch alle relevanten Ressourcen des Mutterhauses. Die Kunden erhalten dadurch funktionierende Komplettlösungen aus einer Hand, bei denen sämtliche mechanischen sowie steuerungs- und softwaretechnischen Schnittstellen intern abgeklärt sind. Für Schorpp steht fest, dass sich durch komplexere Aufgaben bei der Systemintegration die Anforderungsprofile stark verändert haben: „Je nach Struktur des Anwenders und dessen Fertigungsausrichtung, bieten wir dazu den passenden Automatisierungsgrad.“
Für die meist individuellen Projektlösungen greift HLS auf einen modularen Baukasten zurück, der standarisierte Komponenten wie Palettenwechsler und -speicher, Werkstückmagazine, Handlingsysteme sowie Roboteranlagen und Zusatzmagazine beinhaltet. Je nach Anforderungen sind dann lediglich noch Anpassungen vorzunehmen.
Den Trend zur verstärkten Automation von Standardmaschinen hat die Spinner Werkzeugmaschinen GmbH (Halle 27, Stand A54) in Sauerlach bereits vor gut zehn Jahren erkannt. Gemeinsam mit Jauchs Vater Manfred, der ein Konstruktionsbüro führte, haben die Bayern Spinner Automation gegründet. Die Idee dabei: Anders als der reine Zukauf von Komponenten bietet eine feste Partnerschaft die Chance, die Automatisierung an die Werkzeugmaschine anzupassen und zu standardisieren. Bei Neukonstruktionen sehen die Maschinenentwickler heute bereits die nötigen Schnittstellen vor, so dass die Markgröninger ihre Systeme anschließend schnell und elegant adaptieren können. Dominik Jauch bestätigt: „Durch die enge Zusammenarbeit mit den Ingenieuren in Sauerlach kommen wir zu ganz anderen Lösungen, als ein Anbieter von Standard-Roboterzellen.“ In vielen Fällen integrieren die Schwaben den Roboter direkt in die Maschine. Der Arbeitsraum bleibt so frei zugänglich. „Das gibt dem Nutzer beispielsweise die Möglichkeit, tagsüber Einzelteile und Sonderaufträge manuell abzuarbeiten und die Anlage nachts in einer mannlosen Schicht Serienteile produzieren zu lassen“, beschreibt Jauch und ergänzt: „Eine Standardautomation einfach vor die Maschine zu stellen, ist nicht mehr zeitgemäß.“
Zu den weiteren Vorteilen einer engen Zusammenarbeit zwischen Maschinenbauer und Automatisierer gehört unter anderem ein durchgängiges Sicherheitskonzept der Gesamtanlage. Auch hinsichtlich Installation und Service wird der Kunde aus einer verantwortlichen Hand bedient, und im Fall der Fälle hat er einen Ansprechpartner, der das Gesamtsystem kennt und im Blick hat.
Dass aber auch die Zusammenarbeit mit einem externen Partner durchaus erfolgreich sein kann, zeigt das Beispiel John Deere. In der Zahnradfertigung des Mannheimer Traktorenwerks sorgen zwölf vollautomatisierte Einzelanlagen für höchste Produktivität und Qualität. Pro Jahr werden rund 300 000 Zahnräder und 47 000 Wellen hergestellt. Dabei gibt es derzeit 40 verschiedene Werkstücktypen. Weil die Teile nach Bedarf in kleinen Losen gefertigt werden, setzt John Deere in diesem Bereich auf hochflexible Werkzeugmaschinen, die verschiedene Bearbeitungen in einer Aufspannung kombinieren. Jede Maschine ist mit einer eigenen Roboterzelle der Bartsch GmbH aus Tettnang ausgestattet. Laservermessung und Chiperkennung von Bauteilträgern gewährleisten zuverlässige Abläufe. Durch die Automation konnte die erforderliche Maschinenzahl halbiert werden – bei den beschränkten Platzverhältnissen im Traditionswerk ein echter Mehrwert.
Das Zusammenfassen verschiedener Fertigungstechnologien in einem Prozess liegt im Trend. „Wir erleben eine immer stärkere Integration von zerspanenden Verfahren, Automation, Messtechnik und Peripherieprozessen – etwa dem Reinigen, Beschriften oder Fügen“, sagt Axel Spinner. Der Verkaufsleiter und Juniorchef des Sauerlacher Werkzeugmaschinenbauers ist überzeugt: „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, und jene Hersteller, die flexible, standardisierte Lösungen zu akzeptablen Kosten bieten können, werden die Nase vorne haben.“
Die Flexibilität der Systeme ist aber nicht nur gefordert, wenn es darum geht, möglichst viele Arbeitsgänge zu integrieren. Auch beim Wechsel von einem Werkstück auf ein anderes müssen die Anlagen mit möglichst kurzen Umrüstzeiten glänzen. Diese Forderung der Kunden hat sich laut HLS-Chef Schorpp seit der Krise 2008/09 noch verstärkt. Als Beispiel nennt er den Medizintechnik- und Implantathersteller Stryker Osteosynthesis in Selzach. Die Schweizer fertigen pro Jahr rund 3,5 Mio. Teile. Dabei geht es nicht um große Serien sondern um Lose zwischen 10 und 500 Stück. Mehrere tausend Varianten zwingen jedoch nicht nur zu hoher Produktivität, sondern auch zu großer Flexibilität. Um das zu erreichen, setzt Stryker unter Anderem zwei 5-achsige Bearbeitungszentren des Typs C 30 U von Hermle ein, die jeweils mit einer RS05-Roboterzelle automatisiert sind. Als kompakte Einheit benötigt sie lediglich eine Stellfläche von 2 m2. Die Zelle ist direkt an das jeweilige Bearbeitungszentrum angedockt und in die Maschinenverkleidung integriert. Der Roboter ist für Traglasten bis 5 kg zugelassen und übernimmt das komplette Werkstückhandling. Wurde früher für jeden Prozess eine eigene Maschine eingesetzt – bei manchen Teilen waren bis zu fünf Maschinen, mehrere Bediener und der entsprechende Raum nötig –, erledigen heute die automatisierten Zentren alles in einem Durchlauf.
In der Kleinserien- und Einzelteilfertigung sind laut HLS-Chef Schorpp erst vereinzelt automatisierte Anlagen installiert, „aber der Trend geht in die richtige Richtung und steigt langsam aber stetig“. Bei Spinner liegt der Anteil automatisierter Maschinen laut Dominik Jauch zwischen 5 und 10 %. Dass er in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen ist, zeigt die von fünf auf 50 gewachsene Mitarbeiterzahl der Markgröninger. Ein Automatisierungsanteil von rund 20 % sei ein Ziel, das im Standardmaschinenbereich öfter genannt werde, meint Jauch.
„Nach meinem Empfinden sind die deutschen Zerspaner auf einem guten Weg, was die Automatisierung ihrer Prozesse angeht“, sagt der Schwabe. Gerade Betriebe, die in der Kleinserienfertigung bereits automatisiert hätten, seien dem Wettbewerb vielfach ein Stück voraus. Zwar werde auch in Billiglohnländern zunehmend automatisiert, aber fast ausschließlich in der Großserienproduktion. „Und dort geht es weniger um Rationalisierungseffekte als um die Sicherung der hohen Qualitätsstandards.“ Neben der Großserie sei die Fertigung clever getakteter Teilefamilien, bei denen sich die Prozesse gut durchorganisieren lassen, für die Automation prädestiniert. Schwierig hingegen und meist nicht lohnend sind solche Konzepte für Betriebe, die ständig kurzfristig auf nicht planbare Aufträge reagieren müssen.
Für die Zurückhaltung mancher Betriebe beim Einführen automatisierter Prozesse sieht Jauch mehrere Gründe. „An den Kosten scheitern die Projekte selten, aber gerade kleine Betriebe sind oft so im Tagesgeschäft gefangen, dass wenig Zeit bleibt, an die Zukunft zu denken. Und manche haben offensichtlich auch etwas Angst vor den komplexen Bewegungsabläufen 6-achsiger Roboter.“ Deshalb versuchen die Anbieter von Automationslösungen das Bedienen der Systeme so einfach wie möglich zu gestalten. „Wir gehen an die Roboterintegration mit der Sichtweise eines CNC-Programmierers heran“, erläutert Jauch. „Legt beispielsweise der Roboter ein Teil nicht sauber ins Spannmittel ein, so kann der Bediener grafisch unterstützt Positionskorrekturen vornehmen, analog zur Offsetwerteingabe.“ Am Spannmittel oder an der Palette entfällt das Teachen von Positionen komplett. Genauso wie beim Umrüsten innerhalb einer Teilefamilie. Auch dort müssen nur wenige Parameter eingegeben werden, und der Roboter arbeitet wieder zuverlässig.
Geht es darum, mehrere Maschinen mit einem Roboter zu bedienen, bieten sich Lösungen an, bei denen die Handlingseinheit auf Schienen verfährt. Mit dem Robot Dynamic 500 Linear hat die Erowa AG (Halle 6, Stand E29) aus Büron in der Schweiz ein solches System im Portfolio. Die Transfereinheit verfährt auf einer bis zu 20 m langen Schiene. Das System kann mit mehreren Magazinen ergänzt werden und bis zu acht Maschinen bedienen. Wichtig für die automatische Fertigung von Einzelteilen und Kleinserien ist, dass das Beladegerät selbstständig zwischen verschiedenen Paletten- und Systemgrößen wechselt. Der Robot Dynamic besitzt dafür ein Wechselgreifer-System, mit dem nahezu alle Paletten-Typen von Erowa und Werkstückgewichte bis 500 kg gehandelt werden können. Mit dem Prozessleitsystem stehen dem Maschinenbediener alle relevanten Informationen und diverse Planungshilfen jederzeit aktuell zur Verfügung.
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