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Schweißende Roboter brauchen keine Vorrichtungen

Verbundprojekt ProAktiW: Forscher entwickeln wandlungsfähige Produktionen
Schweißende Roboter brauchen keine Vorrichtungen

Im Projekt ProAktiW arbeiten Forscher an wandlungsfähigen und gleichzeitig wettbewerbsfähigen Produktionssystemen. Paradebeispiel Schweißen: Führen Roboter den Brenner, werden Vorrichtungen überflüssig und alles geht schneller. Gerade kleinere Unternehmen profitieren davon.

In der metallverarbeitenden Industrie führt der Bau von Vorrichtungen zu einem erheblichen Kosten- und Zeitaufwand – unter anderem, um Schweißarbeiten zu verrichten. „Vorrichtungen sind bei uns ein entscheidender Kostenfaktor, jede Vorrichtung, die wir nicht für ein Produkt anfertigen müssen, ist bares Geld“, sagt Thomas Ihnen, Geschäftsführer der Stahl- und Metallbau Ihnen GmbH & Co. OHG in Aurich.

Diese Problemstellung ist ein Ausgangspunkt für die Initiierung des Forschungsprojekts ProAktiW („Produktionssysteme aktiv wandeln“). Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte und vom Projektträger Karlruhe (PTKA) betreute Forschungsprojekt hat das Ziel, Lösungsansätze für wandlungsfähige Produktionssysteme zu entwickeln. Im Fall von Schweißarbeiten ist der Verzicht auf Vorrichtungen ein wesentlicher Faktor, um wandlungsfähige Prozessketten und Produktionssysteme zu realisieren.
Ein Projektkonsortium unter der Leitung von Professor Achim Kampker vom Lehrstuhl für Produktionsmanagement am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen entwickelt dafür jetzt ein Konzept. Zu den Projektpartnern gehören drei Institute der RWTH, fünf Technologiepartner sowie zwei Anwender aus der Industrie. Um eine hohe Wandlungsfähigkeit zu erreichen, haben sie in Zusammenarbeit mit der Industrie verschiedene Schlüsselelemente identifiziert.
Das erste Schlüsselelement zur Anpassung des Wertschöpfungsprozesses ist die Identifikation des Wandlungsbedarfs und die Einleitung des Wandels. Dazu wird das sogenannte WPS-Cockpit entwickelt. Mit diesem System können Veränderungen der Wandlungsindikatoren (zum Beispiel der Kundennachfrage) beobachtet und der richtige Zeitpunkt bestimmt werden, um den Wandel einzuleiten.
Das zweite Schlüsselelement ist die Simulation, einerseits auf der Fabrikebene und andererseits auf der Prozessebene. Die Simulation ermittelt die wesentlichen Herausforderungen bei der Gestaltung des wandlungsfähigen Produktionssystems. Insofern ist sie ein bedeutendes Werkzeug. ProAktiW untersucht diese Herausforderungen speziell bei der Inbetriebnahme und Wandlung von Schweißzellen mit kooperierenden Robotern. Dazu wird das betrachtete Produktionssystem in einem virtuellen Modell aufgebaut und simuliert. Dies dient der Evaluierung und Absicherung von Wandlungsszenarien als auch deren Umsetzung.
Drittes Schlüsselelement sind die Mitarbeiter der Unternehmen. Mit der erhöhten Wandlungsfähigkeit des Produktionssystems verändert sich deren Anforderungsprofil. Beispielsweise müssen Mitarbeiter ein Verständnis für den Gesamtprozess entwickeln. Das WPS-Cockpit kann nur die Informationen liefern, die Entscheidung über die Initiierung des Wandels liegt bei den Mitarbeitern. Auch ihre Tätigkeiten in der Produktion verändern sich damit. Bei der Erarbeitung der Anforderungsprofile und der Wertschöpfungsprozesse werden daher explizit der demographische Wandel und die steigende Komplexität des Produktionssystems berücksichtigt.
Im Rahmen von ProAktiW soll das wandlungsfähige System am Beispiel einer Schweißzelle gestaltet und in einer realen Produktion validiert werden. Ziel ist es, die Effizienz und Wirtschaftlichkeit automatisierter Schweißzellen mit der hohen Flexibilität und Wandlungsfähigkeit manueller, vorrichtungsloser Schweißprozesse zu verbinden: Die in ProAktiW anvisierte Lösung kopiert den Ansatz „Schweißer und Helfer“ und setzt ihn mit kooperierenden Robotern um.
Dabei wird ein Roboter als „Schweißer“ eingesetzt, dem ein oder mehrere Roboter als „Helfer“ zuarbeiten. Die assistierenden Roboter, die mit entsprechender Greiftechnik ausgerüstet sind, richten Einzelteile zueinander aus und halten sie, bis sie geheftet sind. Werkzeugwechsler ermöglichen es den assistierenden Robotern, in der Ausschweißphase zusätzliche Schweißaufgaben auszuführen.
Zur Realisierung dieses Lösungskonzeptes sind unter anderem Aufgaben zur Positionsbestimmung der einzelnen Roboter zueinander und zum Werkstück zu lösen. Die Online-Korrektur der Roboterpositionen und die Kalibrierung der Roboter in ihrer Fertigungsumgebung sollen dabei auf der Basis eines Indoor-GPS-Systems erfolgen.
Auch wenn kooperierende Roboter in einem wandlungsfähigen Produktionssystem eingesetzt werden, lässt sich bei Schweißprozessen auf hochqualifizierte Mitarbeiter nicht verzichten. Das Aufgabenspektrum der Mitarbeiter wird sich jedoch ändern. Beispielsweise werden Tätigkeiten wie das Programmieren der Roboter oder das Beheben von Störungen zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Das Projekt ProAktiW startete am 1. Oktober 2010 und ist auf drei Jahre ausgelegt. Im Fokus stehen besonders Unternehmen, die Produkte in kleinen bis mittleren Stückzahlen herstellen. Bei ihnen lassen sich positive wirtschaftliche Effekte durch Erhöhen der Wandlungsfähigkeit schnell realisieren. So sind neben der oben genannten Stahl- und Metallbaufirma Ihnen in Aurich weitere Mittelständler aus dem Maschinen- und Anlagenbau im Konsortium vertreten, beispielsweise der Werkzeugmaschinenhersteller MAG IAS.
Speziell der Ansatz wandlungsfähiger Schweißprozesse mit kooperierenden Robotern ist für die beteiligten Unternehmen sehr interessant. Er bietet die Chance, bisher manuelle Schweißprozesse aus Niedriglohnländern rückzuverlagern und effizient in Marktnähe durchzuführen.
Im letzten Teil des Projektes sollen die entwickelten Lösungen in einem dafür errichteten Demonstrator auf dem neuen Campus der RWTH Aachen aufgebaut und erprobt werden.
Die dort in Zusammenarbeit mit einem deutschen, mittelständischen Kaminofen-Hersteller geplante Kleinserienproduktion soll zeigen, dass sich mit gesteigerter Wandlungsfähigkeit auch einfache Produkte am Standort Deutschland wirtschaftlich fertigen lassen. Darüber hinaus gehört es zum Programm, Industrievertreter in der Thematik zu schulen und ihnen wandlungsfähige Prozessketten zu zeigen und zu erläutern.
Neben dem Projekt wird ein industrieller Arbeitskreis zur Thematik aufgebaut, um weiteres Wissen aus der Wirtschaft zu nutzen und die Forschungsergebnisse von ProAktiW an die Industrie weiter zu geben. Die Teilnahme am Arbeitskreis ist für alle interessierten Unternehmen offen. Weitere Informationen unter der Kontaktadresse*.
Durch die praktische Validierung und Integration dieses Arbeitskreises bleibt das WZL der RWTH Aachen seiner seit 1906 bestehenden Philosophie treu, zukunftsweisende Forschung gemäß den Anforderungen der Industrie durchzuführen und darüber hinaus praxisgerechte Lösungen zur Rationalisierung der Produktion zu erarbeiten.
  • Prof. Achim Kampker Lehrstuhl für Produktionsmanagement am WZL, RWTH Aachen
  • Prof. Uwe Reisgen Leiter des Institut für Schweiß- und Fügetechnik (ISF), RWTH Aachen
  • Dipl.-Wirt.-Ing. Andreas Maue WZL, RWTH Aachen
Kontakt: Andreas Maue, Tel. (0241) 80-28215, a.maue@wzl.rwth-aachen.de
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