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Ultraviolett statt Infrarot

Lackiertechnik
Ultraviolett statt Infrarot

Ob Karosserien, Elektronikgehäuse oder andere beanspruchte Bauteile – sie alle benötigen eine Schutzlackierung. UV-Lackierungen haben sich hier als sehr probate Mittel erwiesen. Allerdings könnte deren Aushärten noch effizienter werden.

Barbara Stumpp
Fachjournalistin in Freiburg

Um die Lackschicht verschiedener Bauteile sicher handhabbar zu machen, muss sie trocknen beziehungsweise aushärten. UV-Lacke polymerisieren unter UV-Licht – und das im Sekunden- oder Minutentakt. Hartmut Jundt, Leiter funktionelle Beschichtungen bei Ritzi Lackiertechnik in Tuningen, weist noch auf einen weiteren Vorteil der schnell härtenden UV-Lacke hin: „Man hat eine bessere Kontrolle über den Prozess im Gegensatz zu Infrarot-Lacken, die etwa 30 Minuten im Ofen getrocknet werden müssen.“ Weiter besitzen UV-Lacke einen schönen Glanz; dazu sind sie sehr widerstandsfähig und kratzfest, was besonders die Autobesitzer freut. Aber nur lackieren und UV-Licht drauf richten und alle sind glücklich? So einfach geht das leider nicht.

Eine Anlage zum UV-Lackaushärten besteht im Wesentlichen aus einer oder mehreren UV-Lampen, Reflektoren, und elektronischer Steuer- und Regeltechnik. Dabei ist die LED-Technologie auf dem besten Weg, sich zu einer Alternative zur Quecksilberdampflampe zu entwickeln. LEDs brauchen deutlich weniger Energie und produzieren weniger Abwärme. Sie lassen sich in passenden Baueinheiten von mitunter 100 und mehr Elementen verschalten. Solche Module kann man auch zonenweise effizient ansteuern, was so eine Anlage relativ flexibel macht. „Allerdings sind die einzelnen LEDs noch etwas schwach“, kritisiert Jundt.

Doch funktioniert es nicht, einfach die Quecksilberdampflampe gegen LEDs auszutauschen. LED-Licht liegt meist im UV-A-Bereich und hat ein relativ enges Spektrum. Quecksilberdampflampen dagegen haben ein breites Spektrum im UV und können so zum Aushärten verschieden reaktiver UV-Lacke verwendet werden. Zukünftige LEDs brauchen deshalb einen anderen Spektralbereich für den industriellen Einsatz. Die Experten sind sich einig: Der Trend geht zu LED, aber da muss sich noch leistungsmäßig etwas bewegen und die Chemie der Lacke angepasst werden, denn die reagiert sehr wellenlängenspezifisch.

Probleme macht beim Aushärten die Oberflächengeometrie, die dafür sorgt, dass Bereiche im Schatten liegen. Für eine gleichmäßig ausgehärtete Oberfläche muss dazu das Bauteil oder die UV-Lampe bei einem Objekt oft mehrmals ausgerichtet werden. Das braucht Zeit beziehungsweise Anlagentechnik. Oliver Starzmann vom UV-Ausrüster IST Metz: „3D-Bauteile werden zum Beispiel auf einem Rundtischautomaten mit Spindel positioniert. Allerdings gibt es hier Grenzen was Komplexität und Größe der Bauteile angeht.“ In solchen Anordnungen lassen sich die Oberflächen von Bauteilen ähnlicher Geometrie aushärten und damit auch geringe Losgrößen wirtschaftlich behandeln. Allerdings gilt das nur bei ähnlichen Oberflächengeometrien.

Ein weiterer Bereich, in dem noch Spielraum für erhöhte Effizienz besteht, ist der Reflektor. „Wenn man eine Beleuchtung für die Lackaushärtung entwickelt, muss man zur Verifikation die Verteilung der Bestrahlungsstärke auf der Lackschicht berechnen. Diese sollte möglichst gleich groß sein, damit der Lack überall gleich schnell aushärtet. Für diese Rechnungen werden nicht-sequenzielle Raytracer eingesetzt“, berichtet Dr. Bernhard Michel, Geschäftsführer von Hembach Photonik. Dabei arbeiten die Entwickler aus Rednitzhembach mit 3D-Modellen. Wesentlich ist dabei die Lage der Lampenachse, die Geometrie der Reflektoren und deren Einfluss auf den Strahlengang. So lässt sich der Strahlengang an die jeweiligen Anforderungen anpassen.

„Einen wichtigen Beitrag liefert auch die verbesserte Reaktivität der Lackchemie und die optimale Abstimmung von Emission und Absorbtion, also die Wahl der LEDs für eine optimale Absorption“, so Dieter Stirner, Entwickler bei Hönle, Gräfelfing. Er weist darauf hin, dass bei UV-Klarlacken mitunter beim Aushärten mittels LED eine Neigung zum Vergilben besteht. LED-Systeme bieten neben einem sparsamen Betrieb noch einen weiteren Vorteil: sie brauchen keine „Aufwärmzeit“. So lassen sie sich schnell und flexibel den jeweiligen Anforderungen gemäß an- und abschalten. Eine getriggerte Pausenschaltung zwischen einzelnen Produkten erlaubt weitere Energieeinsparungen.

Eine Lösung auf Basis von LEDs hat ein Konsortium in dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt „UV-Kugel-Puls-Anlage zur 3D- Lackhärtung“ erarbeitet. Neben dem Fraunhofer IPA und dem Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Uni Stuttgart gehörten dazu die Unternehmen Durst, Easytec, Opsytec Dr. Gröbel und Ritzi.

Um das Problem Verschatten zu lösen, haben sie das Pferd sozusagen vom Schwanz her aufgezäumt. In der Beleuchtungstechnik benutzt man die sogenannte Ulbrichtkugel – eine Hohlkugel – um die Lichtabstrahlung von LED-Arrangements auszumessen. Das Besondere der Ulbrichtkugel ist, dass man durch die vielfachen Reflexionen des Lichts an den Wänden im Inneren ein nahezu ideal diffuses Lichtfeld bekommt. Positioniert man das Werkstück in einer solchen Kugel, wird so seine Oberfläche überall gleichmäßig bestrahlt – unabhängig von der Geometrie des Bauteils.

Da eine Ulbrichtkugel aufwändig herzustellen ist, hat man deren Eigenschaften durch die kugelförmige Anordnung von 20 ebenen Dreiecken angenähert. Die Innenoberfläche besteht aus Teflon, das mehr als 80 % der Strahlung reflektiert, dazu schmutzabweisend und UV-beständig ist. Als UV-Lichtquellen dienen neuartige Hochleistungs-LED-Strahler. „Die UV-LED-Lampen haben besonders vorteilhafte Eigenschaften, um sie in die UV-Kugel zu integrieren. Die geringen mechanischen Baumaße, die hohe optische Leistungsdichte und schnelle Taktbarkeit machen sie zur idealen Strahlungsquelle für diese Anwendung“, bestätigt Alfred Feilen, Geschäftsführer von Easytec, Aachen. Auch ein neuer Lack wurde genutzt, der ideal zur Anlage passt. Aber auch herkömmliche Lacke lassen sich verwenden.

Der neue Prototyp bietet viel: „Gleich mehrere lackierte 3D-Bauteile wurden in der patentierten UV-Kugel positioniert, die Hochleistungs-UV-LEDs eingeschaltet und nach wenigen Sekunden war die Lackschicht bei allen perfekt gleichmäßig ausgehärtet. Und das sogar bei kompliziert geformten Bauteilen, bei Hinterschneidungen und Bohrungen“, freut sich Rainer Röck, der Erfinder und Patentinhaber. Für die Industrie wichtig ist, dass dabei weder die UV-Strahler noch die Bauteile bewegt oder verstellt werden müssen, egal wie komplex ihre Geometrie ist.

Kein Programmieraufwand für
Bauteile beliebiger Struktur

Ein weiterer Vorteil: Die neue Anlage benötigt wesentlich weniger Fläche als herkömmliche Anlagen, dazu ist sie skalierbar und gut in bestehende Anlagen zu integrieren. „Als Anwender freut es mich besonders, dass ohne Programmieraufwand Teile beliebiger Struktur sicher und schnell getrocknet werden und der Teilewechsel seinen Schrecken verliert“, sagt Ritzi-Experte Jundt. Ein weiteres Plus ist, dass auch Baueile in Losgröße 1 effizient zu trocknen sind.

Das Projekt steckt derzeit noch in den Kinderschuhen. Beim Zuführen der Teile ist noch Feinarbeit nötig und man hat bislang erst mit moderat großen Probekörpern gearbeitet. Die Grenzen des Verfahrens: Je größer die Kugel ist, desto mehr Energie wird benötigt.

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