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VDW-Chef Dr. Schäfer über die Lage in der Werkzeugmaschinen-Branche

Werkzeugmaschinen
VDW-Chef Dr. Wilfried Schäfer über die aktuelle Situation in der Werkzeugmaschinen-Branche

VDW-Chef Dr. Wilfried Schäfer über die aktuelle Situation in der Werkzeugmaschinen-Branche
„Die Innovationen stecken oft im Detail“, sagt Dr. Wilfried Schäfer. „Gerade mit Blick auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollten sich die Besucher die Zeit nehmen, sich die Vorteile der jeweiligen Lösung genau erklären zu lassen“, rät VDW-Chef den Gästen der Messe AMB. Bild: VDW
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Welche Herausforderungen die Werkzeugmaschinen-Hersteller aktuell beschäftigen, was die Besucher der Messe AMB von den Mitgliedern des Branchenverbands VDW (Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken) erwarten dürfen und welche Rolle Nachhaltigkeit sowohl für die Anbieter als auch für die Anwender von Werkzeugmaschinen spielt, das sagt VDW-Geschäftsführer Dr. Wilfried Schäfer.

» Mona Willrett, Redakteurin Industrieanzeiger

Herr Dr. Schäfer, welche Herausforderungen beschäftigen die Werkzeugmaschinen-Hersteller derzeit?

Das Thema Lieferkette ist ungebrochen ein Problem. Trotz guter Auftragslage ist es für die Firmen oft schwierig, ihre Maschinen an Kunden auszuliefern, weil einzelne Teile fehlen. Die Verfügbarkeit und die hohen Preise für Energie sind sowohl für unsere Mitglieder als auch für deren Kunden ein Problem. Eine weitere Herausforderung ist das Geschäft mit China – weniger hinsichtlich gestörter Lieferketten als vielmehr aufgrund der Quarantänepolitik, die es fast unmöglich macht, den Kunden dort einen guten Service zu bieten. Dazu braucht man eigene Mitarbeiter im Land. Schwierig ist auch das Rekrutieren von Nachwuchs.

Sehen Sie die steigenden Energiepreise und die unsichere Verfügbarkeit nur als Risiko oder auch als Chance?

Im Augenblick steht das Risiko im Vordergrund. Bei der Heizenergie trifft das sowohl die Hersteller als auch deren Abnehmer. Hinzu kommt, dass energieintensive Fertigungsprozesse, beispielsweise in der Herstellung von Vormaterialien wie Metallen oder Kunststoffen, zu höheren Kosten führen, die wir nur eingeschränkt weitergeben können. Natürlich haben unsere Mitglieder das Potenzial, energieeffiziente, gut optimierte Produktionsanlagen zu liefern, aber das ist eher eine mittelfristige Perspektive auf dem Weg Richtung Klimaneutralität.

Welche Chancen bietet das Thema Nachhaltigkeit den Anbietern und den Anwendern von Werkzeugmaschinen?

Auf der Herstellerseite beschäftigen sich die Unternehmen intensiv damit, energieeffiziente Produkte und Lösungen anzubieten, die auch entsprechend dem Stand der Technik verfügbar sind. Wichtig wäre allerdings, dass die Kunden dieses Angebot auch annehmen. Da die Anforderungen, den CO2-Footprint zu optimieren, stetig steigen, müssen die Anwender das künftig bei Neu- oder Ersatzinvestitionen auf alle Fälle berücksichtigen und sich auf solche Lösungen fokussieren. Deshalb sehe ich für die europäischen und insbesondere für die deutschen Hersteller mittelfristig gute Chancen.

Welche Rolle wird das Thema Nachhaltigkeit auf der AMB spielen?

Es wird keinen expliziten Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“ geben. Den sehe ich übrigens auf der Anbieterseite auch nicht. Es ist vielmehr so, dass die europäischen Hersteller schon ein hohes Niveau bei der Energie- und Ressourceneffizienz erreicht haben. Über das Thema werden sich die Besucher folglich an allen Ständen informieren können. Ich gehe davon aus, dass das Thema eher am Rande mitdiskutiert wird. Einen größeren Fokus seitens der Kunden sehe ich hier im Moment noch nicht.

Mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die AMB?

Wir haben bei der Grinding Hub und auch bei der Metav gesehen, dass die Besucher mit konkreten Anliegen kommen und Lösungen dafür suchen. Insofern erwarten wir auch für die AMB gute und konstruktive Gespräche mit einem Publikum, das einen akuten Bedarf und Investitionsinteresse hat. Wir rechnen mit einer guten und erfolgreichen Messe.

Viele Aussteller haben eine hohe Zahl an Innovationen angekündigt. Worauf sollten die Besucher besonders achten?

Ich erwarte eher evolutionäre Entwicklungen. Wo die einzelnen Anbieter ihre Schwerpunkte legen, ist schwer vorhersehbar. Meine Empfehlung an die Besucher: Die Innovation liegt oft im Detail, ist also nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Deshalb sollten sich Interessenten Zeit nehmen, die angebotenen Lösungen genau anzuschauen und sich erklären lassen, welcher Nutzen dahintersteckt. Das zeigt auch die Bedeutung von Messe. Die Diskussion über technische Details und deren Benefit ist digital nicht so einfach zu führen wie im persönlichen Gespräch.

Werden in Stuttgart weitere Neuheiten rund um den Schnittstellenstandard Umati zu sehen sein?

Ja. Es wird einen großen Umati-Stand geben. Ich kann noch nicht sagen, wie viele Maschinen angebunden sein werden, aber die Besucher werden sicher eine breitere Aufstellung erleben. Neben Werkzeugmaschinen und Software können wir inzwischen auch andere Technologien anbinden, etwa Messmaschinen oder Automatisierungslösungen. Es wird Live-Demonstrationen von Firmen geben. Außerdem haben wir einen vergleichbaren Stand auf der parallel stattfindenden IMTS in Chicago. Die Stände werden gekoppelt sein, so dass an beiden Standorten sichtbar wird, was gerade auf dem anderen Stand passiert. Expertengespräche stehen via Stream zur Verfügung. Die Aktivitäten werden ziemlich umfangreich sein.

Gibt´s Neuheiten, was die Community oder die Weiterentwicklung des Standards angeht?

Umati baut auf die OPC UA-Companion-Specifications in verschiedenen Produktbereichen auf. Immer wenn neue Companion Specifications verfügbar sind, werden wir diese einbinden, so dass das Umati-Dashboard sie verarbeiten kann. Ein Beispiel dafür ist die Messtechnik, ein anderes sind holzbearbeitende Maschinen. Die Community wächst kontinuierlich. Wir haben jetzt mehr als 270 Partner. In diesem Jahr haben sich bislang gut 30 weitere Firmen angeschlossen. Das ist eine sehr positive Entwicklung, die sicher zusätzlichen Schub erhält, wenn wir jetzt wieder in den direkten Dialog mit Interessenten gehen können – etwa auf Messen.

Inwieweit ist Umati bereits im Markt angekommen?

Diese OPC UA-Standards sind in die Maschinen integriert. Die Firmen, die sich in der Community engagieren, bieten entsprechende Lösungen an. Das wird auch auf den Messen sichtbar. Die digitale Vernetzung kann nur in die Breite gehen, wenn offene, standardisierte Kommunikationsprotokolle zur Verfügung stehen. Genau dafür steht Umati. Die Kunden können sicher sein: Wenn sie in diese Richtung gehen, haben sie eine zukunftssichere Lösung, in die sich künftig hinzukommende Module mit überschaubarem Aufwand integrieren lassen. Aus unserer Sicht geht´s jetzt darum, diesen offenen Kommunikationsstandard im Sinne einer durchgängigen Interoperabilität in den Markt zu bringen. Das ist bei Neuinvestitionen noch relativ einfach, aber es gibt ja auch einen Bestand, den es zu berücksichtigen gilt.

Planen Sie auf der AMB auch wieder Aktionen der Nachwuchsstiftung?

Wir werden im Foyer wieder einen großen Auftritt der Nachwuchsstiftung gestalten, der Schülern und Lehrern die Inhalte unserer Ausbildungsberufe näherbringt. Wir wollen zeigen, dass es sich hier um attraktive, spannende und zukunftsträchtige Berufsfelder handelt, die auch in zehn Jahren noch gute Perspektiven für die persönliche und berufliche Weiterentwicklung bieten. Die Bildungsabteilung des VDMA und die Nachwuchsstiftung des VDW sind mittlerweile kooperative Aktivitäten beider Verbände. Mit der Digitalmesse Tech Talents für den Techniknachwuchs bietet der VDMA den Unternehmen eine Plattform, auf der sie das ganze Jahr über den Nachwuchs ansprechen und für sich begeistern können. Das ist für digital aktive junge Menschen sicher ein einfacher Zugang zum Thema.

In der VDW-Reihe „Let´s talk Science“ wurde kürzlich über Gaia X und digitale Geschäftsmodelle gesprochen. Was ist hier der Hintergrund?

In dieser Reihe werden Forschungsprojekte vorgestellt und ihre Auswirkungen auf die Industrie diskutiert. Gaia X ist ein Ansatz, eine sichere Umgebung zu schaffen, in der Funktionen und Daten abgebildet werden können. Aber unabhängig von Gaia X, gilt es in der Vorbereitung digitaler Geschäftsmodelle einige Fragen zu klären. Dazu gehört, wer auf welche Daten zugreifen darf oder wie der Nutzwert – sowohl für das eigene Unternehmen als auch für den Kunden – aussieht. Es muss klar sein, ob ich nur eigene Daten nutzen oder in Abstimmung mit dem Kunden auch dessen Informationen verarbeiten will, ob ich vielleicht eine Funktion auf Daten anwenden will, die an einem anderen Ort liegen und die ich gar nicht kenne, oder ob ich Daten aus verschiedenen Quellen zusammenführen will. Da sind unterschiedlichste Spielarten denkbar.

Wie laufen die Geschäfte aktuell?

Wir haben unsere Prognose vom Jahresbeginn im Mai von 14 auf acht Prozent Wachstum gesenkt. Aktuell gibt es keine neue Einschätzung. Trotz eines noch positiven Auftragseingangs lässt es sich kaum abschätzen, wie sich das Jahr – insbesondere vor dem Hintergrund der gestörten Lieferketten – weiter entwickeln wird.

Wie haben sich die wichtigsten Absatzmärkte entwickelt?

Der Auftragseingang läuft im In- und Ausland parallel, immer noch mit zweistelligem Zuwachs. Dabei entwickelt sich der Nicht-Euro-Raum stärker als der Euro-Raum. Zuwachs sehen wir vor allem in Nordamerika und in Asien.

Wie unterscheidet sich die Entwicklung bei den spanenden, den umformenden und den generativen Maschinen?

Im Moment laufen beide Bereiche noch gut, ebenfalls mit jeweils zweistelligen Zuwächsen. Die spanenden Maschinen sind derzeit etwas stärker als die umformenden. Zu den generativen Anlagen können wir im Moment nichts sagen, weil es aktuell noch keine gesonderte Abbildung in den Statistiken gibt.

Kontakt:
VDW Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V.
Lyoner Str. 14
60528 Frankfurt am Main
Tel.: +49 69 756081–0
vdw@vdw.de
www.vdw.de

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