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Vom Blechverarbeiter zum Großteile-Lieferanten

KWM Weisshaar produziert komplette Seitenwandmodule für Straßenbahnen
Vom Blechverarbeiter zum Großteile-Lieferanten

KWM Weisshaar hat einen weiten Weg zurückgelegt. Durch die Kompetenz im Laserschweißen entwickelte sich der Blechverarbeiter zum Zulieferer für komplexe Baugruppen. Jüngster Auftrag: 4 m lange Seitenwandmodule von Straßenbahnen.

„Wer kein eigenes Produkt am Markt vertreibt wie wir, muss technologisch immer vorne mit dabei sein“, erklärt Jörg Weisshaar, Geschäftsführer der KWM Karl Weisshaar Ing. GmbH in Mosbach. Und nach dieser Maxime agieren er und sein Vater Karl auch: Mit dem Laserschweißen begann KWM Weisshaar (KWM) bereits 1994. Für einen Blechverarbeiter ist dies außergewöhnlich. Denn das Fügen mit dem Laser ermöglicht zwar Leichtbauweisen, minimierten Verzug, minimierte Nacharbeit und die Chance, leicht zu automatisieren. Doch umsonst sind diese Vorzüge nicht zu haben. Mit einem Strahldurchmesser von 0,1 bis 0,2 mm fokussiert der Laser einen sehr dünnen Punkt auf dem Blech. Das will erst einmal beherrscht sein. Know-how ist nötig. Das Unternehmen muss investieren in die Qualifizierung der Mitarbeiter, in Zertifizierungen und Anlagentechnik. Und bei so manchem Kunden Überzeugungsarbeit leisten. „Bei Espressomaschinen sind die Dampfbehälter fast durchweg lasergeschweißt“, wirbt Weisshaar schon fast reflexartig für die Fügemethode.

Doch für das rund 32 Jahre alte Unternehmen hat sich der Einstieg in das Laserschweißen gelohnt. Seither ist die Mitarbeiterzahl weiter stetig von 190 im Jahr 1994 auf heute 550 gestiegen. Vor allem der Anteil des Umsatzes im Schienenfahrbau hat zugenommen. Für Bombardier Transportation produziert KWM derzeit 96 Seitenwandmodule, die 4 m lang und 2,20 m hoch sind, fast ausschließlich lasergeschweißt – ein Novum. Neben der Außenhaut enthalten die Module rund 50 Komponenten wie Versteifungen, Fensterholme, Kabelkanäle oder Anschlussstücke, die zu schweißen sind. Bombardier ordert die Module für die 16 neuen Straßenbahnzüge „Flexity 2“, die das britische Blackpool bestellt hat. „Für uns ein Sprung in die Großteilefertigung – ein Quantensprung“, sagt Alfred Zuckrigl, Projektleiter bei KWM. Dank des Laserschweißens benötigen die Mosbacher pro Seitenwandmodul nur einen Durchlauf von ein bis zwei Tagen im Gegensatz zu einer Woche mit dem Handschweißen.
Noch vor fünf Jahren hätte KWM den Auftrag nicht annehmen können. Trotz Kompetenz im Laserschweißen und trotz der Bereitschaft, Schienenfahrzeugherstellern aktiv entgegenzukommen, die sich verlässliche Zulieferer aufbauen wollen. Bei KWM fehlte schlicht der Platz für das Handhaben der Großkomponenten. Dies änderte sich 2006, als ein benachbarter Handwerksbetrieb sein Gelände zum Verkauf anbot. Weisshaar griff zu. Vater und Sohn erweiterten die Fläche um 23 000 m² und die KWM-Mannschaft krempelte den Materialfluss und die Produktion um. In der neuen, mit 6-t-Kranen ausgestatteten Halle brachten sie Wareneingang, Blechlager sowie die Einzelteilfertigung unter, die auf die großen Platinen aus dem Hochregal zugreift. Im 2007 neu eröffneten „Stanz-/Laser-Auftragszentrum“ standen nun insgesamt zehn Laser-, Stanz- und Kombimaschinen zur Verfügung, von denen fünf vollautomatisiert an das Lager angeschlossen sind. Und es blieb Platz für künftige Großteilefertigungen.
Halle 1 nennen die Blechverarbeiter aus dem Odenwald seither ihr „Schmuckstück“. Seit 2009 fertigen sie dort den DT5-Triebkopf der Hamburger Hochbahn für Alstom als Auftraggeber. Von den Abmessungen her reicht der Zugkopf nicht an die Seitenwände heran, doch die Komplexität der rund 400 Einzelteile stellt höchste Anforderungen. Die Schweißfachleute ziehen dafür alle Register. So dringt der Laser von oben in Deckbleche ein, die er an ihrer Unterseite mit der Außenhaut verschweißt. Seine Leistung ist dabei so einzustellen, dass das Edelstahl-Design der Außenhaut als Sichtfläche nicht beeinträchtigt wird. Noch ein Highlight: Durch Laserschweißen fertigt KWM auch Tailored Blanks mit variablen Dicken wie im Automobilbau, zum Beispiel an den Fensterholmen.
  • 2010 fragte dann Bombardier die Fertigung der großen Seitenwandmodule an. Bedingung: Laserschweißen. Von dieser Fügetechnik versprach sich der Schienenfahrzeugbauer nicht nur eine Gewichtsreduzierung und einen kürzeren Fertigungsdurchlaufzeit. Er zielte auch auf qualitative Vorteile durch höhere Wiederholgenauigkeit und geringeren Verzug und somit auf weniger Aufwand beim Spachteln der Seitenwände. KWM-Projektleiter Zuckrigl: „Für den Schritt in die Großteilefertigung hat uns bisher nur ein Auftrag gefehlt – da war er.“ Dass KWM dafür in eine neue Laserschneid- und -schweißanlage investieren müsste, war klar. Nur die Zeit drängte. Jörg Weisshaar vereinbarte mit Bombardier, dass die ersten lasergeschweißten Module aus je drei Segmenten hergestellt werden durften, bis die neue Anlage in Betrieb ist.
  • 1,5 Mio. Euro investierte Weisshaar in die Optimo 2545 von der Prima Industrie S.p.A. mit einem 4,5 x 2,5 m² großen Arbeitsbereich. Das erste darauf gefertigte Seitenwandmodul lieferte KWM im Juli 2011 aus. Der Vergleich mit der 3-Segment-Version ist verblüffend: Die Fertigungsdauer verkürzte sich von einer Woche auf zwei Tage. Wo rührt dieser Unterschied her? „Von der Größe und der neuen Technik“, schmunzelt Projektleiter Alfred Zuckrigl. Als wichtigstes Feature nennt er das Nahtverfolgungssystem. „Es erkennt den Fügespalt und sucht sich die Naht selbst.“ Die KWM-Techniker müssen den Schweißverlauf nicht mehr durch aufwendiges Teachen mit Positionspunkten und Gegenchecks vorgeben. Der Laser findet den Weg alleine. Zu einem großen Teil übernimmt die Anlage auch das aufwändige Heften. Vor allem aber springt der Laser automatisch von einer Naht zur anderen. Die Nähte müssen nicht mehr separat von Hand angefahren werden. „Sobald wir die Teile positioniert haben, fährt das Shuttle zum Referenzpunkt und das Lasern beginnt.“
Zeit spart auch das Positionieren und Fixieren durch das integrierte Magnetspannsystem. Weiter senkt die einteilige Aufspannung des 4 m langen Moduls die Zahl der Fügeteile, vieles vereinfacht sich. „Wir erhielten von Bombardier die Zeichnungen und haben die Konstruktion dann gemeinsam für den Laser optimiert“, erklärt Zuckrigl. Einige Komponenten wurden verschoben, andere besser zugänglich gemacht. Und nicht zuletzt entfällt das diffizile Verschweißen der drei Segmente am Ende des Prozesses.
Wer den Prozess live erleben will, muss sich nur am „Bahnhof“ der beiden Shuttles der Optimo 2545 postieren. Sie fahren permanent rein und raus. Gefügt wird in sechs Baustufen, von denen die erste die aufwändigste ist. In ihr wird die Außenhaut mit elf Komponenten verbunden. Ist das eine Shuttle gerade beim Schweißen, bereiten die KWM-Techniker das andere für die nächste Baustufe vor. „Am Anfang waren wir mit dem Heften schneller als der Laser mit dem Schweißen“, sagt Michael Steiner, zuständiger Meister für die Großteilefertigung. „Aber inzwischen hat sich das gedreht. Jetzt ist der Laser schneller.“ Und noch immer, drei Monate nach Inbetriebnahme der Anlage, findet er Möglichkeiten zum Optimieren.
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