Herr Eberhard, wie haben Sie Ihr aktuelles Drahtwälzlager-Portfolio ausgerichtet?
Wir bieten zahlreiche Auswahlreihen – von preiswerten Einstiegsprodukten bis zu High-End-Lagern mit Torque-Motoren. So ist für jede Anwendung etwas dabei. Schwerpunkte liegen sicherlich in den Bereichen Leichtbau, Miniaturisierung und Direktantrieb.
Wichtige Treiber sind die Luft- und Raumfahrt, die Medizintechnik sowie die Leiterplattenindustrie
Für welche Anwendungen sehen Sie besonderes Potenzial?
Besonderes Potenzial sehen wir unter anderem für Ultraleichtbaulager mit Gehäuseteilen aus 3D-Druck – beispielsweise für die Luft- und Raumfahrt, für Speziallager mit hoher Drehzahl und leisem Lauf für die Medizintechnik oder auch für Lager mit höchster Präzision, wie sie für die Bestückung von Leiterplatten eingesetzt werden.
Beim Drahtwälzlager dienen Laufringe aus Stahldraht in einer umschließenden Konstruktion als Laufbahn für Kugeln und Rollen. Welche bis heute gültige Erkenntnis steckt dahinter?
Die Idee unseres Firmengründers Erich Franke war es 1936, die Funktion der Lagerung so weit wie möglich zu isolieren, um den Freiheitsgrad bei der Gestaltung der Bauteile so groß wie möglich zu machen.
Größtmöglicher Freiheitsgrad bei der Bauteilgestaltung mit Drahtwälzlagern
Und welche Vorteile bietet dieses Prinzip Anwendern aktuell?
Es bietet eine freie Wahl der Geometrie und des Werkstoffes der umschließenden Konstruktion sowie den Vorteil eines minimalen Einbauraums. Nicht zuletzt ist es eine preisgünstige Lagerlösung.
Ein aktueller Schritt der Franke-Entwicklungen sind Leichtbaulager aus 3D-gedruckten Bauteilen. Wie wichtig ist 3D-Druck und welche Vorteile bringt er als Verfahren mit sich?
3D-Druck ist tatsächlich ein Game Changer. Es gibt derzeit keine andere Methode, die an den 3D-Druck in punkto Komplexität und Individualität der Bauteile sowie bezüglich der Schnelligkeit der Herstellung heranreicht. Noch haben viele Kunden nicht erkannt, was gerade durch die Kombination von 3D-Druckteilen in Verbindung mit Drahtwälzlagern technisch machbar ist.
Minimales Gewicht durch kundenindividuelle Leichtbaulager – 3D-Druck als „Game Changer“
Welche weiteren Ansätze verfolgen Sie, um Leichtbau voranzutreiben?
Beispielsweise maximales Zerspanen der Gehäuseteile, Testen alternativer Werkstoffe wie Carbon oder Kunststoff sowie zusammengefasste Bauteile zu Baugruppen, um die Teilevielfalt zu reduzieren.
Wie wichtig sind Ihren Kunden am Ende Nachhaltigkeitsaspekte?
Die Wichtigkeit hält sich noch in Grenzen. Aber sie wird wachsen. Niemand kann es sich heutzutage leisten, Nachhaltigkeit zu vernachlässigen. Wir begrüßen diese Entwicklung ausdrücklich.
95 Prozent kundenindividuelle Drahtwälzlager-Lösungen
95 Prozent Ihrer Produkte sind kundenindividuelle Lösungen. Ist dies eine Ihrer wichtigsten Abgrenzungen vom Markt?
Absolut. Wir verstehen uns als Entwicklungspartner unserer Kunden und überzeugen sie regelmäßig vom hohen Nutzen exakt angepasster Lösungen.
Ein Schwerpunkt Ihrer Konstruktionsaufgaben ist demnach die Prototypenentwicklung. Wie läuft die Prototypenentwicklung in Ihrem Haus ab?
In enger Abstimmung mit unseren Kunden prüfen wir die Anforderungen und erarbeiten eine technische Lösung. Wir haben mit der Hochschule Aalen oder anderen Instituten ein großes Kompetenznetzwerk, das wir bei Bedarf zu Rate ziehen. Dazu ist Franke sehr gut ausgestattet, was Testequipment und Laboreinrichtungen angeht.
Welche Rolle spielen Softwarelösungen und digitale Angebote zu Ihrem Portfolio? Und welche Perspektive sehen Sie in dieser Hinsicht?
Der Einsatz unserer Produkte erfordert ein gewisses Maß an technischem Knowhow. Es bietet sich daher an, die Kunden mit intelligenter Software bei der Produktauswahl zu unterstützen. Wir tun dies bereits mit unseren Online-Tools zur Berechnung und zum Produktvergleich auf unserer Website. Künftig möchten wir diesen Service ausbauen, und planen beispielsweise einen Produktkonfigurator, ein Kundenportal für das Order-Tracking sowie einen Online-Shop.
Wie digitalisieren Sie Prozesse und Produktionsabläufe?
Wir arbeiten mit einem Methoden-Werkzeugkasten, den wir unter dem Schlagwort „Lean Management“ zusammengefasst haben. Dort finden sich Verfahren wie KVP, SMED, 5S, ReKo oder Wertstromdesign, die alle darauf abzielen, schneller, schlanker und digitaler unterwegs zu sein.
Welche Nachfrage-Erwartungen und wirtschaftlichen Ziele haben Sie für das Geschäftsjahr 2021?
Wir erwarten eine Steigerung der Nachfrage und rechnen mit einem um 15 % höheren Auftragseingang als 2020.
Wie werden Sie Ihre Ziele strategisch verfolgen?
Unser Zielesystem ist seit Jahren im Unternehmen etabliert. Aus den Unternehmenszielen leiten sich die Ziele der Fachbereiche ab. Diese werden bis hin zu den Mitarbeitenden heruntergebrochen. Messbare Maßnahmen zur Zielerreichung werden definiert und ihre Realisierung monatlich protokolliert. Ein Bonus-System schafft zusätzliche Anreize, auch wirklich an den Zielen zu arbeiten.
Welche Branchen und Märkte haben sich aus Ihrer Sicht besonders gut entwickelt, welche sind eher rückläufig?
Das Jahr 2020 war sicher nicht repräsentativ für die Entwicklung einzelner Branchen. Dennoch werden Tendenzen spürbar. Der klassische Maschinenbau ist rückläufig, bedingt sicher durch eine Phase der Umstrukturierung, die beispielsweise durch den Wandel in der Automobilindustrie ausgelöst wurde. Die Medizintechnik ist nach wie vor eine stark wachsende Branche für unsere Produkte, mit Schwerpunkt im Exportgeschäft.
Markt: Maschinenbau rückläufig, Medizintechnik stark
Welche besonderen Erfahrungen nehmen Sie bisher aus der Corona-Pandemie mit – gerade in Bezug auf digitale Strukturen und Prozesse?
Ohne Digitalisierung hätten wir in der Krise keine Chance gehabt und wir sind froh, rechtzeitig diesen Weg gegangen zu sein. So war es auch relativ einfach, unseren Mitarbeitenden Corona-Maßnahmen wie Home Office oder getrennte Schichten schmackhaft zu machen. Wir haben viel darüber gelernt, wie effiziente Kommunikation auch ohne körperliche Präsenz funktionieren kann. Dasselbe gilt für unsere Produktionsprozesse. Kernprozesse und Anweisungen sind klar beschrieben und in unserem firmeneigenen Wiki für jeden Mitarbeitenden zugänglich hinterlegt. Schon allein aus Gründen der DIN-ISO-Zertifizierung sind derartige Strukturen erforderlich.
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