Der Trend zur Automatisierung ist bei den Rohrbearbeitern ungebrochen und hat auch die Hersteller kleiner und mittlerer Serien erfasst. Diese Fertiger benötigen allerdings flexible und vor allem einfach zu programmierende Systeme. Verfügbare lineare Handlingsysteme bieten zwar erste und schnelle Ansätze sind aber für vielfältigere Aufgaben zu wenig anpassungsfähig. Roboter erweisen sich hier oft als die bessere und zukunftstaugliche Lösung.
In der einfachsten Version entnimmt in einer roboterautomatisierten Anlage ein einfacher Handlingroboter die Rohre aus dem Rohrlager, legt sie in eine konventionelle Biegemaschine ein und bringt die gebogenen Rohre zur Ablage. Eine solche Anordnung lässt sich durch weitere Arbeitsstationen, beispielsweise zum Ablängen oder zur Rohrendenbearbeitung zur Bearbeitungszelle ausbauen. Darin befördern ein oder mehrere Roboter die Teile von Arbeitsstation zu Arbeitsstation und erlauben so eine automatisierte Komplettbearbeitung bis zum einbaufertigen Bauteil. Bisher kamen solche Systeme vor allem für die Fertigung größere Serien respektive bei häufig wiederkehrenden Produkten zum Einsatz. Grund: Der hohe Programmieraufwand.
Derartige Systeme nutzen die Möglichkeiten eines Roboters nicht aus, vielfach sind Funktionen im System redundant am Roboter und an der Biegemaschine vorhanden. Wichtiger noch ist der Aspekt, dass vorbearbeitete Rohre wie vormontierte Rohr-Schlauch-Kombinationen oder an beiden Enden bearbeitete Rohre in einer konventionellen Biegemaschine nicht ohne Probleme zu bearbeiten sind. Tatsächlich lässt sich aber sowohl die Rohrendenbearbeitung als auch die Montage von Rohr-Schlauch-Kombinationen am geraden Rohr unkomplizierter und damit wirtschaftlicher ausführen.
Roboter führt Biegekopf entlang des Rohrs
Bei diesen Anwendungen punkten Roboterautomatisierung, bei denen der Roboter direkt Funktionen der Biegemaschine übernimmt und diese dafür abgespeckt wird. Zwei prinzipielle Bauarten sind im Markt: Einmal wird direkt an der Roboterhand ein Biegekopf montiert, der sich entlang des in einem Halter ruhenden Rohres von Biegestelle zu Biegestelle vorarbeitet. Der zweite Ansatz kehrt dieses Prinzip um, indem der Roboter das Rohr im gesamten Prozess handhabt und auch die Führung, den Vorschub und die Drehung des Rohres beim Biegen übernimmt. Beide Lösungen sind seit mehr als 10 Jahren im Markt und haben sich in Großserienfertigungen beispielsweise für Brems- und Kraftstoffleitungen im Automobilbau bewährt. Einem breiten Einsatz der flexiblen Systeme stand auch hier eine aufwändige Programmierung im Weg.
Der Roboter mit Biegekopf ist ursprünglich eine Entwicklung der japanischen Miic/Opton und wird heute auch von Transfluid in Schmallenberg für Rohrbearbeitungslösungen eingesetzt. Der Roboterbiegekopf übernimmt in diesen Systemen sowohl das Handling von der Übernahme des Rohrs am Lager bis zum Ablegen als auch den eigentlichen Biegeprozess. Bedingt durch die Anordnung an der drehbaren Roboterhand kann der Biegekopf per se Rechts-Links-Biegungen ausführen.
Das Prinzip eignet sich besonders für das Biegen langer und dünner Rohre. Eingebaute Schlauchstücke können problemlos übersprungen werden, und es lassen sich auch Rohre reststückfrei biegen, deren beide Enden bereits umgeformt respektive vormontiert sind.
Mit dem Einsatz von zwei Roboterbiegeköpfen können mittig gehaltene lange Rohre gleichzeitig von beiden Seiten bearbeitet werden. Varianten der Bauart sehen zudem anstelle eines starren Halters einen Halter vor, der das definierte Drehen des Rohrs übernimmt. Andere Ausführungen arbeiten mit mehreren Haltearmen, die wechselnd zum Einsatz kommen.
Transfluid berichtet über verschiedene realisierte Anlagen dieser Bauart. Eine davon arbeitet mit zwei Roboterbiegern, bei der über verschiedene Rohrförderer sowohl 0,5 m als 6 m lange Rohre zugeführt werden. Die langen Rohre bearbeiten beide Roboterbieger von beiden Rohrenden her gemeinsam, für die kurzen Rohre werden die Bieger unabhängig voneinander eingesetzt. Die Biegeköpfe sind mit mehreren Ebenen für unterschiedliche Durchmesser ausgestattet, so dass Stahlrohre in mehreren Durchmesserbereichen bis 22 mm dornlos gebogen werden. Ein Verfahren zum Biegen mit Innendorn per Roboter stehe ebenfalls zur Verfügung, heißt es.
„Und weil die Programmierung von Robotern für viele Unternehmen eine Hürde darstellt, verzichtet man bei Transfluid darauf“, sagt Stefanie Flaeper, Geschäftsführerin bei Transfluid. Bei den Anlagen aus Schmallenberg werden die Koordinaten aus dem CAD geladen und die Steuerung ermittelt automatisch das Biegeprogramm für den Roboter. Bedient wird dieser über eine normale Biegemaschinensteuerung. Anbindungen an Messsysteme sind dabei ebenso möglich wie manuelle Korrekturen.
Die Programmierung des Roboters hat auch Wafios in Reutlingen als wesentlichen Engpass beim Roboterbiegesystem Twister erkannt. Twister wurde seinerzeit von der heute im Wafios-Konzern aufgegangenen Rosenberger AG als Alternative zum Roboterarm mit Biegekopf entwickelt. Das zu biegende Rohr wird dabei von einer Greiferzange an der Roboterhand gehalten und so vom Roboter durch den Biegeprozess an einem ruhenden und fest montierten Biegekopf geführt. Das komplette Handling sowie die Funktionen des Vorschubs und der Drehachse liegen damit beim Roboter.
Roboter über Biegemaschine programmiert
Eineinhalb Jahre hat Wafios daran gearbeitet, die Roboterprogrammierung über die Steuerung der Biegemaschine zu erledigen. Herausgekommen ist eine Lösung, bei der das Biegeteil in der Steuerung der Biegemaschine programmiert wird und in der Software hinterlegten Algorithmen automatisch die Bewegungen des Roboters errechnen. Damit wird auch erreicht, dass sich Roboter- und Biegeachsen synchronisiert bewegen.
„Wir fahren die Achsen des Roboters und des Biegekopfes jetzt interpolierend“, sagt Uwe-Peter Weigmann, Vorstand bei Wafios. Das ist im Biegebetrieb daran zu erkennen, dass der Greifer das Rohr während des Biegens nicht loslässt und der Roboterarm der Biegeachse folgt. Der Vorteil darin liegt vor allem in einer besseren Führung des Rohrs. Zudem bleibt die Position des Greifers am Rohr erhalten, was für mehr Genauigkeit sorgt.
Mit der neuen Steuerung erreicht Wafios auf dem Twister2 (sprich: Twister square) die Biegequalität einer konventionellen Biegemaschine. „Wir bilden hier mit dem Roboter die Achsen nach, die auch eine Biegemaschine hat und haben außerdem noch die Freiheitsgrade für das Handling vor und nach der Biegeoperation“, sagt Uwe-Peter Weigmann. Das gehe sogar soweit, dass der Roboter sogar „boosten“ kann, also das Rohr während des Biegens in axialer Richtung nachschiebt, sofern der Roboter die dazu nötige Kraft aufbringt. „Man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe und das bei einem Invest, der geringer ist, als eine konventionelle Biegemaschine mit einem einfachen Handlingroboter.“
In der Demonstrationsanlage, die Wafios auch auf der Tube 2018 gezeigt hat, ist die Maschine mit einem Drehgreifer ausgestattet, der das Rohr ohne Roboterbewegung dreht. Zudem wird ein neuer Biegekopf eingesetzt, der ursprünglich für die konventionelle Biegemaschine BMZ 12 entwickelt wurde. „Das hat den Vorteil“, sagt Uwe-Peter Weigmann, „dass mit dem Biegekopf auch alle intelligenten Funktionen einer Biegemaschine genutzt werden können, die bei Wafios entwickelt wurden.“ Dazu gehört beispielsweise die Funktion iQ-smartbend. Dahinter verbirgt sich eine Funktion, die Schwingungen des Rohres durch impulsartige Gegenbewegungen am Biegekopf weitgehend kompensiert.
Die Twister der ersten Generation sind wegen ihrer Programmierung und ihrer mechanischen Ausführung eher eine Lösung für Großserien und dünne Leitungen. Mit der neuen Steuerungen und den synchronisierten Bewegungen aller Biege- und Roboterachsen ergeben sich für Uwe-Peter Weigmann allerdings ganz neue Möglichkeiten für den Roboterbieger: „Das ist der Anfang einer neuen Baureihe.“ Zu dem jetzt eingesetzten Drehgreifer und dem Biegekopf werden weitere Greifer, Biegeköpfe und Magazine kommen, die das System modular ergänzen. Die Anordnung bietet viel Platz sowohl zum Biegen als auch für weitere Arbeitsstationen und damit für den Ausbau zur Biegezelle, in der dann auch mehrere Roboter arbeiten könnten, betont Weigmann. Und er kann sich gut vorstellen, dass dem Roboter im Biegeprozess durchaus noch weitere Funktionen übertragen werden. Wafios arbeite bereits an einigen Ideen.
Roboter sind im Kommen
Roboterautomatisierungen sind beim Rohrbiegen die heute flexibelsten verfügbaren Lösungen, wenngleich sie nicht immer die schnellsten und effizientesten sein müssen. Kaum ein Hersteller von Rohrbiegeanlagen hat keine Komponenten zur Roboterautomatisierung im Programm. Die neuen Robotergenerationen werden diese Entwicklungen noch beschleunigen. Was Wafios angeht, ist Uwe-Peter Weigmann sicher, dass die Roboterbieger eine gute Zukunft haben werden: „Auf der Tube in zwei Jahren erwarte ich, dass hier am Wafios-Stand drei Anlagen dieser Bauart stehen, in verschiedenen Größen und Applikationen. Dann wird der Roboter komplett Einzug gehalten haben.“