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Zeitgewinne durch Videoanalyse

Arburg-Produktionsplaner Torsten Schmid: „Zehn Prozent Zeitersparnis sind immer drin“
Zeitgewinne durch Videoanalyse

Spritzgießmaschinenhersteller Arburg nutzt die Videoanalyse in der Produktion mit großem Erfolg. Sie hilft, Rüstarbeiten zu verkürzen und zu erleichtern. Wichtig ist dabei, die Mitarbeiter voll einzubeziehen und nicht zu kritisieren – so sind die Erfahrungen von Arburg.

Arburg hat die Videoanalyse als eines der ersten Unternehmen in das Produktionsumfeld integriert, um Effizienzgewinne zu erzielen. Die Workshops begannen 2010, zuvor wurden die dafür ausgewählten Gruppen grundlegend geschult. An einem ausgewählten Tag wurden dann – zunächst mit externer Unterstützung – die Videofilme gedreht und systematisch ausgewertet. Den Anfang machten Workshops zur Rüstzeitoptimierung in der Produktion, nachfolgend werden sie nun auf verschiedene Bereiche in der Montage ausgedehnt.

„Klar, am Anfang war ich schon nervös, als ich von Kollegen gefilmt wurde und mir Meister und Schichtleiter bei jedem Handgriff über die Schulter schauten“, erinnert sich Mike Dieroff, Werker und Gruppensprecher im Bereich Rotationsfertigung. „Nach ein paar Minuten denkt man aber nicht mehr daran.“ An manchen Tagen rüstet er eine Maschine mehrmals um. „Mit der Zeit sieht man gar nicht mehr, wo etwas besser werden kann. Deswegen habe ich bei der Videoanalyse gerne mitgemacht.“
Zu den Workshops werden bei Arburg immer zwischen fünf und sechs Mitarbeiter eingeladen: mindestens zwei Werker, außerdem Führungskräfte und Produktionsplaner. Das eigentliche Analyse-Video erstellen dann die beiden Werker zusammen: Einer der beiden nimmt auf, was der andere gerade tut. Dieses Material bildet die Grundlage für die Auswertung und die darauf aufbauende Entwicklung der resultierenden Maßnahmen: Beim Anschauen der Filme fallen viele Dinge auf, die sonst kaum Beachtung finden.
„Meiner Meinung nach sind immer wenigstens zehn Prozent Zeitersparnis drin“, sagt Torsten Schmid, Produktionsplaner bei Arburg. „Wichtig ist, dass nach dem Filmen alle Arbeitsabläufe gemeinsam detailliert analysiert und besprochen werden. Die Gruppe sammelt noch am gleichen Tag alle Ideen und Verbesserungsvorschläge.“ Und Mike Dieroff hat in der Produktion erfahren: „Viele Arbeitsschritte sind nicht nur schneller, sondern auch viel bequemer geworden.“
Gerade für die Einführung von SMED ist eine Videoaufzeichnung aller Abläufe sinnvoll. „Single Minute Exchange of Die“ (SMED) meint einen Werkzeug- oder Produktionswechsel im einstelligen Minutenbereich. Die Methode zielt darauf ab, die Stillstandszeiten aufgrund von Umrüstungen nachhaltig zu minimieren. Dazu gehören etwa auch die Zeiten, in denen Produktionsmaschinen oder Fertigungslinien mit Material versorgt oder parametrisiert werden. Lassen sich die Anlagen auf eine neue Fertigungsaufgabe umstellen, ohne den laufenden Herstellungsprozess zu stören, so wirkt sich dies auch auf die vorzuhaltenden Bestände aus. Perfekt ist SMED dann umgesetzt, wenn ein One-Piece-Flow realisiert werden kann, ohne in die laufende Produktion eingreifen zu müssen.
Dazu kann es zum Beispiel notwendig sein, nacheinander ausgeführte Abläufe gleichzeitig abzuarbeiten. Die Videoaufzeichnung und -auswertung kann hier wertvolle Hilfestellung liefern. Torsten Schmid hebt vor allem die Spontaneität des Austauschs hervor: „Viele Ideen entstehen direkt aus der Diskussion heraus. Die meisten davon stammen von den Werkern selbst. Argumente wie ‚das haben wir schon immer so gemacht‘ lassen sich so wirksam entkräften.“
Als ein gutes Beispiel nennt Schmid die Beobachtung von Dreh- und Fräsbearbeitungen von Kolbenstangen und Führungszylindern, die für Arburg-Spritzgießmaschinen bestimmt sind. „Für das Umrüsten der Dreh-Fräsmaschine M 70 brauchen wir jetzt nur noch 30 statt vorher 60 Minuten. Durch ein paar wenige und überhaupt nicht kostspielige Maßnahmen konnten wir die Rüstzeiten also halbieren“, sagt Schmid.
An diesem Projekt hat auch Mike Dieroff teilgenommen. „Erst im Video sieht man, was unpraktisch ist“, zieht er als Resümee. „In diesem Fall musste ich mich viel zu viel drehen: Der Werkzeugwagen stand einen Meter hinter mir, rechts ein kleingedrucktes Programmblatt mit der Werkzeugplatzbelegung und vor mir das Bearbeitungszentrum mit 36 Magazinplätzen. Für jedes Werkzeug musste ich mich einmal um die eigene Achse drehen.“ Die Abhilfe wurde auch hier gemeinschaftlich erarbeitet. In Gruppenarbeit sammelten die Beteiligten alle Verbesserungsvorschläge. Die Lösung war schließlich einfach, erklärt Dieroff: „Jedes Werkzeug erhält im Vorfeld eine Magnet-Nummer, an der ich erkenne, welcher Platz damit zu bestücken ist. Mein Aktionsradius ist deutlich kleiner geworden: Der Wagen steht direkt neben mir und ein Programmblatt brauche ich nicht mehr.“
Im letzten Jahr sind 14 Workshops gelaufen, zwölf weitere sind 2012 dazugekommen. Die Abteilungen Rotationsfertigung, spanlose Fertigung (Beschichtung und Blechbau) sowie Schleifen und Sondermaschinen haben bereits mit der Videoanalyse gearbeitet. Jetzt sind die Themen Montage und Elektrofertigung dran. Die anfängliche Skepsis, als die ersten Workshops begannen, wich bei den Werkern einer überwiegend positiven Beurteilung der Ergebnisse.
„Wir haben von Anfang an den Betriebsrat einbezogen und filmen selbstverständlich nur auf freiwilliger Basis“, erklärt dazu Torsten Schmid, der das Videoanalyse-Projekt auch initiierte. „Für die Mitarbeiter ist es wichtig zu wissen, dass es nicht darum geht, Fehler anzukreiden, sondern darum, Prozesse zu optimieren und neu zu gestalten. Die ersten beiden Workshops haben wir darum auch unter Beteiligung je eines Betriebsratsmitglieds durchgeführt.“
Arburg nutzt die Videoanalyse, um Arbeitsplätze ergonomischer zu gestalten und wenn immer der Eindruck entsteht, Abläufe könnten schneller oder günstiger realisiert werden. Und noch einen weiteren Grund gibt es für den Einsatz des Analyse-Instruments: Arburg entscheidet kontinuierlich, ob Aufträge intern oder extern vergeben werden. Die Teams in der Produktion messen sich also immer auch mit Dienstleistern – und nutzen die Methode, um sich selbst zu hinterfragen und die Arbeit zu optimieren. „Uns geht es darum, das umfangreiche Wissen der Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit zu nutzen und genau dort anzusetzen“, sagt Torsten Schmid. In der Videoanalyse sieht er für die gesamte Industrie ein riesiges Potenzial, das man ausschöpfen sollte. „Das geht aber nur, wenn – wie bei uns – alle Seiten mitmachen.“
Dr. Bettina Keck Arburg GmbH + Co. KG, Loßburg
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