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In der leistungsorientierten Fertigung kommen beim Stanzen, Feinschneiden und Umformen verschiedenste Werkstoffe und Werkzeuge samt Beschichtungen zum Einsatz. Oft aber nur ein Schmierstoff für alle Operationen. Das hat bekannte Gründe, etwa Vorgaben von OEM-Herstellern oder das Management von nur einem Ölkreislauf mit relativ moderatem Aufwand für den Umwelt- und Arbeitsschutz. Viele Unternehmen wissen auch, dass sie durch diesen Kompromiss wohl nicht das Maximum an Leistung herausholen.
Was sie nicht wissen: Schmierstoffe haben einen größeren Einfluss auf Prozesse und Performance-Resultate, als ihnen bewusst ist. Das besagen Erkenntnisse sowie Ergebnisse aus Langzeitstudien von Fachmann Prof. Dr. Joachim Schulz von ML Lubrication, der 33 Jahre Erfahrung aus der Schmierstoff-Branche mitbringt und vor allem ein Ziel verfolgt: herauszufinden, wie ein Schmierstoff aussehen muss, um im Zusammenspiel mit Werkstück, Werkzeug und Beschichtung eine optimale Bedeckung und Wirkung zu erreichen.
Oft unter dem Radar: Verschleißfaktor Schmierstoff
Seine erste Botschaft: „Der Schmierstoff muss an beiden Oberflächen, von Werkstück und Werkzeug, andocken können. Gelingt es an einer nicht, entsteht dort ein tribologisches Problem, das sich auf den Gegenkörper überträgt.“ Ein Beispiel: Haftet der Schmierstoff gut auf der Werkzeugbeschichtung, nicht aber auf dem Werkstück, so raut er dieses auf. Dadurch nehmen letztlich auch die Schicht und das gefertigte Produkt Schaden.
So entsteht allein durch den Wechsel des Schmierstoffs im ansonsten unveränderten Tribo-Kollektiv sehr unterschiedlicher Verschleiß. Dies ermittelte Prof. Schulz in vielzähligen Brugger-Tests, einem Standardverfahren, das Schmierstoffe auf deren Belastbarkeit im Mischreibungsfeld gemäß DIN 51347 prüft. In der Praxis aber spielt der Schmierstoff als mögliche Verschleißursache meist keine Rolle. Im Visier stehen bevorzugt prominentere Faktoren wie etwa Beschichtungen, hinter deren Beschädigung sich aber ein unpassender Schmierstoff verstecken könnte. „Der Schmierstoff bewegt sich oft unter dem Radar, wird nicht betrachtet oder in Tests und Umform-Simulationen fälschlich nur in Form eines festen Reibwerts einbezogen“, so Schmierstoff-Fachmann Prof. Schulz.
Seine nächste Botschaft lautet deshalb: Verschleiß, Reibwert und Performance sind immer das Ergebnis aller beteiligten tribologischen Partner: Werkstück, Werkzeug, Beschichtung – und Schmierstoff. Insofern sind bei der Ursachenforschung für plötzlichen Mehrverschleiß oder bei der Frage nach Leistungssteigerung stets alle diese Faktoren zu betrachten und aufeinander abzustimmen. Wer einen Faktor ausklammert, macht die Fertigungseffizienz zu einer Lotterie, bei der er zwangsläufig auch Nieten ziehen wird.
Zusammenspiel von Schicht und Schmierstoff nun messbar
Nötig ist das nicht, denn die gute Nachricht ist: Durch seine Studien und Tests hat Prof. Schulz neue Erkenntnisse darüber gewonnen, was bei den meisten Umformprozessen zwischen Werkstück und beschichtetem Werkzeug samt Schmierstoff geschieht, welche Wechselwirkungen mit Additiven auf einerseits rostfreiem Stahl oder andererseits Kohlenstoffstahl auftreten, welche Rolle Viskositäten spielen und einiges mehr. Diese wissenschaftliche Basis erlaubt es, Vorhersagen für das Praxisverhalten von Additiven beziehungsweise deren Mischungen zu treffen.
Dabei beteiligt sich Oerlikon Balzers seit gut fünf Jahren an der Antwort auf die Frage, wie sich Beschichtungen und Schmierstoffe für optimale Ergebnisse in Einklang bringen lassen. Dazu wurden im Customer Solution Center (CSC) des Beschichtungsspezialisten in Bingen Prüfkörper für tribologische Untersuchungen bei Prof. Schulz beschichtet. Auch findet regelmäßig ein Austausch statt. „Wir können jetzt das Zusammenspiel von Schmierstoff und Schicht jeweils messtechnisch bewerten und quantifizierbar machen“, sagt CSC-Leiter Dr. Sven Twardy.
Seit rund zwei Jahren kooperieren die Partner auf Wunsch auch bei Kundenprojekten. Denn als Leiter Umformung beim Schmierstoffanbieter ML Lubrication in Schweinfurt hat Prof. Schulz erste leistungsfähige Schmierstoffe entwickelt, die zugeschnitten sind auf PVD (Physical Vapor Deposition)-Beschichtungen für Stanzen, Feinschneiden und Umformen wie etwa Balinit Alcrona Pro, Baliq Alcronos und Balinit Formera von Oerlikon Balzers.
Ein erstes Ergebnis dieser Zusammenarbeit liefert das Kundenprojekt mit einem Werkzeug- und Maschinenhersteller aus der Schweiz. Dieser erreichte mit Einsatz von ML Lubrication-Schmierstoffen und Balzers-Beschichtungen eine deutliche Standzeitsteigerung von 20 bis 30 %. „Solche Resultate überzeugen hoffentlich von den Potenzialen und Einsparungen, die sich durch die Anpassung von Schmierstoffen auf Beschichtungen erschließen lassen. Durch unsere Erfahrung bestimmen wir die passende Beschichtung für jedes tribologische System, binden auf Wunsch Schmiermittelspezialisten ein und bieten so eine Allround-Lösung an“, betont Georg Kassek, Leiter Sales Forming Tools von Oerlikon Balzers Coating Germany.
Auf der AMB
Über aktuelle und zukünftige Trends in der Oberflächentechnologie informiert Oerlikon Balzers auf der AMB in Halle 1, Stand C62.