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Verbindungstechnik: Geklebt werden kann fast alles

Verbindungstechnik
Geklebt werden kann fast alles

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Um moderne Werkstoffkombinationen zu ermöglichen, entwickelt die Industrie immer weiter neue Klebstoffrezepturen, die auf spezielle Einsatzfälle zugeschnitten sind. Mit Erfolg: Das Kleben prägt das Fügen im 21. Jahrhundert, häufig ersetzt es das Schweißen.

Hertha-Margarethe Kerz
Freie Industriejournalistin in Hamburg

Die deutsche Klebstoffindustrie gilt international als Technologieführer. Geklebt werden kann fast alles, sowohl in der Industrie als auch im Privatbereich. Kein anderes Fügeverfahren ist aktuell so innovativ wie das Kleben. Erlaubt es doch die Umsetzung fortschrittlichster Designs.

In der Automobilindustrie ersetzt Kleben als Schlüsseltechnologie andere Fügetechniken, wobei ein durchschnittliches Auto heute rund 18 kg Klebstoff enthält. „Die Automobilindustrie ist neben der Unterhaltungselektronik die größte Sparte, die wir bedienen“, sagt Matthias Stollberg von Delo Industrieklebstoffe in Windach. Stollberg führt beispielhaft die Magnetklebstoffe für Elektromotoren an: „Typischerweise werden die Magnete von Elektromotoren mit Klebstoff befestigt, da diese Fügetechnik eine Reihe von Vorteilen besitzt“, erklärt Stollberg. „Klebstoff ist gut gegen dynamische Belastungen, sorgt für eine schnelle, einfache und dauerhafte Positionierung des Magneten und gleicht Fertigungstoleranzen aus.“ Früher waren diese Magnete aus Eisen, heute aus seltenen Erden wie beispielsweise Neodym. Diese Seltenerd-Magnete besitzen eine beschichtete Oberfläche und sind viel leistungsfähiger. „Aber man kann sie nicht schweißen“, nennt Stollberg einen der Nachteile, die zum Einsatz der Klebetechnologie geführt haben. Oft ist Kleben die einzig mögliche Technologie, um moderne Materialien und Materialkombinationen zu verbinden.

Kleben hat in der Automobilindustrie – und nicht nur bei E-Autos – eine ganze Reihe von Vorteilen. Es macht das Auto leichter und verteilt die Aufschlagsenergie bei einem Crash besser, weil der Druck durch die gleichmäßige Klebstoffverteilung flächig auf die Karosserie übertragen wird.

Auch der Maschinen- und Anlagenbau greift immer häufiger zum Kleben

Entgegen jeder anderen Fügemethode beschädigt Klebstoff die zu fügenden Teile nicht. Eine Struktur- und Materialschwächung oder gar eine Veränderung der spezifischen Werkstoffeigenschaften findet nicht statt. „Klebstoff vermeidet auch Reib- oder Kontaktkorrosion“, erweitert Stollberg die Vorteilsliste. „Seine dämpfende Wirkung reduziert Vibrationsgeräusche, sodass der Motor nicht so laut ist, und sorgt für Spannungsausgleich, wenn ein heißer Motor sich ausdehnt.“ Dafür wurden spezielle wärmehärtende Klebstoffe entwickelt.

Der Maschinen- und Anlagenbau, traditionell den konservativen Fügetechniken wie Nieten, Schweißen oder Schrauben verbunden, wendet sich zwischenzeitlich immer stärker dem Kleben zu. Bedenken hatte der Maschinenbau aufgrund der extremen Umwelteinflüsse, denen Anlagen und Komponenten standhalten müssen. „Ein Klebstoff kann das nicht“, war die einhellige Meinung. Doch die modernen Klebstoffe überzeugen selbst die eingefleischtesten Schweißer.

So beweisen sie regelmäßig ihre Zuverlässigkeit durch starken Halt, auch bei extremen Vibrationen, durch extrem schnelle Aushärtung, außergewöhnlich hohe Medien- und Temperaturbeständigkeit, durch hohe Schlagfestigkeit und ihr spannungsausgleichendes und spaltüberbrückendes Wesen. Dafür steht ein breites Spektrum von Klebstoffen aus zweikomponentigen Epoxidharzen bis hin zu Klebstoffen aus Polyurethan bereit.

Wenig bekannt: Flugzeuge sind bis zu 60 % geklebt

Auch in der Elektronik wird immer mehr geklebt, weil in allen Bereichen der Trend zur Miniaturisierung geht. Und wieder nutzen die Hersteller den Vorteil, dass Klebstoffe die unterschiedlichsten Werkstoffe verbinden – und das schnell, sicher, preiswert und dauerhaft auf kleinstem Raum. Auch hier dienen sie als Verguss-, Kleb- und Dichtmasse. Gerade in der Leiterplattenindustrie kommen fotoinitiierte Klebstoffe, also durch Licht aushärtende Klebstoffe, zum Einsatz. Sie sind einkomponentig, besitzen eine abgestufte Elastifizierung von extrem hart bis spannungsausgleichend, müssen lösemittelfrei sein und, je nach Anwendung, passende Aushärtzeiten besitzen.

„Bei Elektronikklebungen auf Leiterplatten sprechen wir von Klebstoffaufträgen im Picolitermaßstab“ (ein billionstel Liter, Anm. der Autorin), sagt Ansgar van Halteren, Geschäftsführer des Industrieverbands Klebstoffe IVK. „Das heißt, aus einem großen Tropfen Klebstoff machen Anwender 30 Millionen kleine Tropfen. Und das auf das Mikrometer genau.“ Das sei durch die Miniaturisierung ein bedeutender Beitrag zur Ressourcenschonung. „Werden solche Klebstoffe im Produktdesign von vornherein berücksichtigt, dann ist es auch möglich, die Elektronikgeräte gezielt wieder zu zerlegen, zu reparieren und dem Recycling zuzuführen.“

Klebstoffe sind somit die Eier legende Wollmilchsau der Fügetechnik, auch wenn es eine große Diversifikation gibt. So hat ein durchschnittliches Klebstoffunternehmen einen Standardfundus von 350 Komponenten, aus denen die unterschiedlichsten Klebstoffe entworfen werden. Dennoch sind Wissenschaftler ständig auf der Suche nach neuen Haft- und Klebeeigenschaften, in der Natur beispielsweise.

Im Bereich der Verbrauchsmaterialien sind Klebbindungen allgegenwärtig. Selbstklebebänder müssen in der Produktion, bei Verkehrsmitteln oder in der Verpackungsindustrie, aufgrund unterschiedlicher Einsätze verschiedene Eigenschaften aufweisen: Muss beispielsweise in der Industrie nur ein Teil einer Fläche beschichtet werden, ist eine Bedeckung der Restfläche sinnvoll. Dieses „Abkleben“, kennt jeder aus dem Türen- und Fensteranstrich bei normalem Raumklima. In der Industrie jedoch hat der Lackierer, Beschichter oder Lackier- oder Beschichtungsroboter es nicht mit einem ausgewogenen Raumklima zu tun. Vielmehr herrschen im Industriebereich oft Extreme bezüglich Licht, Staubbelastung oder Hitze. Dies muss das Klebeband ohne Murren und ohne abzufallen, aushalten können.

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