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„Aufwand überschaubar halten“

Heiko Wrobel, Fraunhofer ATL, über die Herausforderungen in der Kontraktlogistik
„Aufwand überschaubar halten“

Die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Technologien der Logistikdienstleistungswirtschaft (ATL), Nürnberg, hat jetzt eine Studie zur Kontraktlogistik veröffentlicht. Der Autor Heiko Wrobel sagt, wo der Schuh drückt.

Herr Wrobel, in Ihrer Studie befassen Sie sich mit der Projektanbahnung in der Kontraktlogistik. Welche wesentlichen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?

Der Markt für Kontraktlogistik-Dienstleistungen in Deutschland umfasst mehr als 80 Milliarden Euro – und birgt nach wie vor enorme Potenziale für Verlader und Dienstleister. In den vergangenen Jahren hat sicherlich eine deutliche Professionalisierung der Outsourcing-Prozesse stattgefunden, die dazu beiträgt, diese Potenziale weiter auszuschöpfen. Die Studie offenbart allerdings auch einige Schwachstellen bei der Anbahnung von Kontaktlogistik-Partnerschaften, die noch erhebliche Verbesserungsreserven beinhalten.
Mit welchen Problemen haben die Dienstleister vor allem zu kämpfen?
Die Potenziale, die mit der Konzentration auf Kernkompetenzen und damit verbunden mit dem Outsourcing auf Seiten der Industrie und des Handels wahrgenommen werden, haben zu einer Flut von Ausschreibungen im Markt geführt. Diese werden von den Logistikdienstleistern mit hohem Aufwand bearbeitet. Dabei kritisieren die Dienstleister vor allem die immer noch mangelnde Qualität vieler Ausschreibungsunterlagen, die die Entwicklung erfolgreicher Logistikkonzepte sowie eine saubere Kalkulation erschweren.
Was fällt sonst noch auf?
Die Bieterlisten der Verlader sind zum Teil zu umfangreich. Wenn bis zu 20 Dienstleister in den letzten Runden einer komplexen Ausschreibung gegen einander antreten, um ausgefeilte Fachkonzepte zu entwickeln, solide Kalkulationen zu erstellen und harte Verhandlungsrunden zu führen, dann führt der Auswahlprozess schnell zu volkswirtschaftlicher Verschwendung.
Welche Rolle spielen Scheinausschreibungen?
Scheinausschreibungen spielen für beide Seiten des Verhandlungstisches eine wichtige Rolle und stellen zunehmend ein Problem dar. Je nach Branche schätzen wir den Anteil der Scheinausschreibungen auf 20 bis 50 Prozent. Für die Dienstleister wird es vor dem Hintergrund des enormen Aufwands für die Bearbeitung eines Tenders zunehmend erfolgskritisch, diese nicht ergebnisoffenen Ausschreibungen systematisch herauszufiltern.
Mit welchen Folgen?
Nun, es kann dann schon mal passieren, dass eine gut gemeinte Ausschreibung eines Verladers nicht ernsthaft bearbeitet wird, wenn die Dienstleister ihre Kriterien für Scheinausschreibungen erfüllt sehen. Zu diesen Kriterien zählen unter anderem sehr kurze Ausschreibungszeiten, eine mangelhafte Qualität der Ausschreibungsunterlagen und fehlende Möglichkeiten für Rückfragen oder Vor-Ort-Besichtigungen. Aber auch die anonyme Durchführung von Ausschreibungen über Berater wird von einigen Dienstleistern bereits als Indikator für Scheinausschreibungen angesehen.
In welchen Bereichen sollten die Einkaufsabteilungen den Hebel ansetzen?
Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Partnersuche ist zunächst einmal ein gutes Verständnis der eigenen Prozesse. Dabei sind nicht nur die Standardprozesse, sondern auch die kostenintensiven Sonderprozesse zu berücksichtigen. Die Prozessbeschreibungen bilden zusammen mit einem detaillierten Datenmaterial die Grundlage einer guten Ausschreibung. Um die Aufwendungen für beide Seiten überschaubar zu halten, sollte zudem bereits im Vorhinein ein intensives Screening der potenziellen Anbieter erfolgen, um nur diejenigen Dienstleister mit einer Ausschreibung zu beschäftigen, von denen auch tatsächlich ein passendes Angebot zu erwarten ist.
Wie müsste die Projektanbahnung gestaltet sein, um möglichst erfolgreich und effizient abzulaufen?
Das lässt sich natürlich nur schwer in zwei Sätzen zusammenfassen. Neben betriebswirtschaftlichen Maßstäben, die zweifellos im Mittelpunkt einer Vergabe-Entscheidung stehen, spielen auch vermeintlich weiche Faktoren wie Partnerschaftlichkeit und Offenheit im Umgang miteinander eine sehr wichtige Rolle. Die Relevanz des Faktors Vertrauen kann für eine erfolgreiche Anbahnung von Kooperationen in der Kontraktlogistik vielleicht gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn für beide Seiten steht viel auf dem Spiel.
Jens-Peter Knauer Journalist in Waldenbuch

Projektanbahnung in der Kontraktlogistik
Jedes Jahr laufen über 1000 Kontrakte aus, die eine Flut von Ausschreibungen auslösen. Diese Flut verursacht bei Kontraktlogistikern eine Menge Probleme. Eines davon ist: 25 bis 50 Prozent aller umlaufenden Ausschreibungen sind nicht ergebnisoffen, werden nur zum Schein ausgeschrieben. Eine neue Studie der Fraunhofer ATL, die in Zusammenarbeit mit der Salt Solutions GmbH erstellt wurde, gibt nicht nur handfeste Tipps, wie Kontraktlogistiker mit diesen und anderen Herausforderungen umgehen können. Sie zeigt Verladern auch, wie sie Ausschreibungen so am Markt platzieren, dass Dienstleister diese überhaupt bearbeiten können. Denn Probleme gibt es in diesem Bereich genug.
„Projektanbahnung in der Kontraktlogistik“, ISBN 978-3-8396-0022-1,
Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart,
August 2009, Gebundene Ausgabe, 103 Seiten, zahlreiche Abbildungen und Tabellen, 79 Euro
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