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Der Mensch ist am flexibelsten

Kommissionieren: Dreh- und Angelpunkt der Intralogistik
Der Mensch ist am flexibelsten

Die Produktion ist entsprechend optimiert, aber in der Logistik – speziell beim Kommissionieren – liegt noch einiges brach. Dabei schließen sich Automation und Flexibilität nicht aus. Die Kunst liegt im Kombinieren der Möglichkeiten bis hin zum sprachgesteuerten Kommissionieren.

„Es lohnt sich, wenn sich mittelständische Fertigungsbetriebe mittels wirtschaftlicher Methoden mit dem Thema Intralogistik beschäftigen“, meint Volker Welsch, Vertriebsleiter und Prokurist der Pirmasenser Psb Intralogistics GmbH. „Immer noch erleben wir, dass die Fertigung selbst bestens ausgerüstet und organisiert ist, die Intralogistik rund um die Fertigung jedoch weiterhin deutliche Rationalisierungspotenziale aufweist.“

In puncto Kostenreduzierung sei vor allem der Kommissionierbereich hervorzuheben, ergänzt Markus Schwarzenbacher, Sales Manager bei der SSI Schäfer Peem GmbH aus Graz. 60 bis 65 % der gesamten Lagerkosten und zwischen 50 und 60 % des Personaleinsatzes verschlinge dieser Teil der Prozesskette. „Daher liegt die Zukunft der Lageroptimierung vor allem im Bereich der automatisch unterstützten Kommissioniersysteme.“ Diese sollten eine optimale Leistungssteigerung ermöglichen, wenig Raum beanspruchen und dank eines modularen Aufbaus größte Flexibilität bieten.
Grund genug für jeden Unternehmer, sich genauer mit der Kommissioniertechnik zu beschäftigen. Zumal sich die Rahmenbedingungen insbesondere für mittelständische Fertigungsbetriebe verändern, berichtet Christoph Hahn-Woernle, Geschäftsführender Gesellschafter der Stuttgarter Viastore Systems GmbH. „Diese beliefern zunehmend direkt den Endverbraucher, das heißt sie übernehmen für ihre Händler die Kommissionierung und Distribution an deren Abnehmer.“ Dies führe zu wesentlich mehr Lieferungen, in deutlich kleineren Sendungen und in kürzeren Fristen. „Zudem fordern die Kunden produktbegleitende Dienstleistungen, was hocheffiziente und rasch an neue Marktanforderungen anpassbare Lager- und Kommissionierstrategien voraussetzt.“
Ein Trend, bestätigt auch Werner Grund, Leiter des Profitcenters für Projekte der Intralogistik, Region Deutschland, bei der Dematic GmbH in Offenbach, sei das Verschmelzen der Bereiche Distributions- und Produktionslogistik. „Angefangen bei einer immer tieferen Prozessdurchdringung der IT-Systeme, erhöht sich der Automatisierungsgrad des gesamten Logistiksystems.“
Speziell bei den Kommissioniersystemen zeichneten sich derzeit zwei parallele Trends ab, fährt Peter Bimmermann, Key Account Manager bei der Mönchengladbacher Vanderlande Industries GmbH, fort. „Erstens hin zu Hochleistungs-Arbeitsplätzen mit bis zu 1000 Picks pro Stunde, und zweitens hin zu flexiblen Standard-Kommissioniersystemen, die sich an sich verändernde Rahmenbedingungen anpassen lassen.“ Volker Welsch von Psb Intralogistics ergänzt: „Ganz wichtig ist beim Hochleistungskommissionieren mit 1000 Picks pro Stunde und mehr, dass die nachschiebenden Systeme – wie etwa das Automatische Kleinteile-Lager – entlastet werden.“ Nur so sei es dem Anwender möglich, auf Höchstleistungsniveau zu kommissionieren, ohne einen Großinvest im Lager stemmen zu müssen.
Aber auch am Kommissionierarbeitsplatz selbst lasse sich die Pickleistung steigern, ergänzt Christoph Hahn-Woernle von Viastore. „Etwa über den Zugriff auf mehrere Auftragsbehälter oder ganze Behälterfronten im Arbeitsbereich und die ergonomische Ausgestaltung über geneigte Ladeeinheiten für besseren Zugriff.“ Zudem würden die Bildschirmdialoge stark reduziert oder ersetzt durch Pick-by-Light-Anzeigen. „Eine weitere Möglichkeit besteht darin, über entsprechende Greifsysteme die Picks komplett zu automatisieren.
„Ein weiterer Innovationstreiber ist seit rund fünf Jahren das sprachgesteuerte Kommissionieren“, meint Markus Schwarzenbacher von SSI Schäfer weiter. „Übrigens einmal nicht ausgehend von den europäischen Logistik-Experten, sondern den USA.“ Heute würden hierzulande Pick-by-Voice-Lösungen, bei denen der Kommissionierer durch eine Stimme im Kopfhörer geführt wird, aber ebenso eingesetzt, wie die schon länger bekannten Pick-by-Light-Systeme, bei denen er Lichtsignalen folgt. „Und es sieht auch für die Zukunft nicht nach einem Verdrängungswettbewerb aus, denn beide Kommissionierarten haben ihre spezifischen Vorteile und Einsatzbereiche.“ Ein Grund, der für Pick-by-Voice spreche, sei die hohe Flexibilität des Systems. Zudem erfolge die Informationsaufnahme über Lagerplatz, Produkt und Menge während der Bewegung und erfordere dadurch keine zusätzliche Zeit im Kommissionierprozess.
„Auch bei vielen mittelständischen Herstellern wird fortlaufend kommissioniert“, ergänzt Frank Rissler, Business Development Manager Zentraleuropa beim Sprachtechnologie-Spezialisten Vocollect. Zwar sei hier der Warendurchfluss insgesamt niedriger. Da dies aber in der Regel damit einhergehe, dass nur wenige Kommissionierer am Start sind, würden dennoch meist Pickraten pro Person erreicht, die den Einsatz von Sprachtechnologie sinnvoll machten. „Gerade bei Mittelständlern sehen wir derzeit große Zuwächse.“ Entscheidern wäre oft schon länger bewusst, welche Vorteile Sprache biete, gerade auch in Kombination mit Technologien wie Scanning und RFID sowie bei anderen Anwendungen als der Kommissionierung, etwa dem Einlagern, dem Beladen oder der Bestands- und Qualitätskontrolle.
Es komme eben immer darauf an, das „richtige“ Kommissionier-System auszuwählen, fährt Dematic-Profitcenter-Leiter Werner Grund fort. „Dazu müssen die Geschäftsprozesse und die logistischen Kennzahlen qualifiziert analysiert sowie die Geschäftsentwicklung und explizite Anforderungen des Anwenders berücksichtigt werden.“ Der Grundstein des Projekterfolges werde maßgeblich in den Anfangsphasen eines Projektes gelegt. „Wir arbeiten hier mit computergestützten Planungstools auf der Grundlage unserer Erfahrungen.“ Ähnlich wie Vanderlande in Mönchengladbach, wie Sales Engineer Manfred Rhein erläutert. Unter Berücksichtigung der Parameter bezüglich Artikelspektrum und -handling, Kundenverhalten sowie Kosten sieht er folgende Anforderungen an integrierte Kommissioniersysteme:
  • kurze Wege
  • Zusammenlegung von Funktionselementen
  • Flexibilität in der Arbeits- und Ablaufgestaltung (Schwachlast/Spitzenlast)
  • großer Freiheitsgrad bei Schwankung der Auftragsstruktur (Großaufträge/Aufträge mit nur einer Position)
  • optimale Raumausnutzung
Weitere Ansatzpunkte für die Optimierung der Kommissionierung ließen sich durch die Definition separater Prozesse für einzeilige und mehrzeilige Aufträge und durch Hybridsysteme finden, so Manfred Rhein weiter. „Zudem können unterschiedliche Kommissionierprinzipien für die einzelnen Produktgruppen zum Einsatz kommen.“
Eine Mixtur empfehle sich auch bei der Suche nach dem Optimum zwischen effizienter Automation und größtmöglicher Flexibilität, ergänzt Psb Intralogistics-Manager Volker Welsch. „Wir möchten speziell den Mittelständlern die Angst vor der Automation nehmen.“ Man versuche nicht, die Automation „auf Biegen und Brechen“ durchzusetzen, sondern empfehle sie nur an den Stellen, an denen diese wirtschaftlich sei. Das Ergebnis könne dann etwa ein zum Teil automatisiertes Lager und ein teilweise weiterhin manuell betriebenes Lager sein.
„Produktspektren ändern sich sehr rasch, und damit spielt die Flexibilität eines Systems eine große Rolle“, betont Markus Schwarzenbacher. Das flexibelste „Kommissioniersystem“ sei dabei immer noch der Mensch selbst, weshalb es besonders wichtig sei, Systeme rund um den Menschen aufzubauen. „Den Menschen müssen wir unterstützen, damit er schneller wird.“
Michael Corban Fachjournalist in Nufringen
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