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E-Commerce in Reinkultur

Lagertechnik: WMS-Software steuert Lagereffizienz
E-Commerce in Reinkultur

Rund 60 000 Packstücke verlassen täglich das Logistikzentrum von Ingram Micro in Straubing. 25 000 verschiedene Artikel lagern hier auf einer Fläche von 80 000 m². Gesteuert werden die Lagerprozesse über das Warehouse-Management-System viad@t der Stuttgarter Viastore Systems.

Als einer der führenden IT-Großhändler in Zentraleuropa bietet Ingram Micro ein umfassendes Produktspektrum. Mehr als 350 namhafte Lieferanten versorgen das Unternehmen. Auch Dienstleistungen für mehr als 30 000 Fachhandelskunden gehören zum Portfolio. „Achtzig bis neunzig Prozent des Tagesgeschäfts sind von Bestellungen geprägt, die heute eingehen und morgen beim Kunden sein müssen“, schildert Axel Markus Koch, Managing Director im Bereich Operations & Service bei Ingram Micro. Die Auswirkungen des E-Commerce greifen auch hier: Die Bestellmengen gehen zurück, die Bestellhäufigkeit wächst. „Der Fachhändler hat heute kein Lager mehr, er platziert seine Aufträge über unsere Shop-Lösung so, wie sie bei ihm reinkommen. Manche Händler bestellen bei uns zwanzigmal am Tag“, sagt Koch.

Zusammen mit dem Zentrallager in Straubing waren in der Vergangenheit sieben Außenlager zu bewirtschaften: Die Prozesse waren ineffizient, langsam und störanfällig. Deshalb entschied Ingram Micro, durch einen Neubau in Straubing alles zu konzentrieren. Ende 2007 wurde schließlich der Grundstein des „Regional Distribution Center II“ (RDC II) gelegt, direkt neben dem bereits 1999 gebauten Zentrallager RDC I. Von hier aus werden heute der gesamte deutsche Markt, Österreich und die Schweiz beliefert. Auch Polen, Tschechien, Griechenland und die Türkei zählen zu den Empfängern. „Straubing hat mit Abstand das größte Warenportfolio innerhalb des Ingram-Micro-Konzerns vorrätig – mehr als jedes andere Lager in Europa“, hebt Koch hervor. Damit ist Straubing gleichzeitig das Vorratslager für die Ingram-Micro-Lager in anderen Ländern.
Mit dem neuen Lagerkomplex verdoppelte sich die Lagerfläche auf 80 000 m². Insgesamt verfügen RDC I und RDC II zusammen über 60 000 Palettenplätze. Rund 100 Lkw entladen täglich an 98 Toren ihre Fracht. Das bedeutet an die 2700 Wareneingangspositionen. Etwa 60 000 Packstücke aus 25 000 Kundenaufträgen verlassen jeden Tag das Distributionszentrum. Um solche Aufgaben zu bewältigen, sind 130 Flurförderfahrzeuge im Einsatz. Insgesamt 6,5 km Förderstrecke transportieren die Waren zu sieben Kommissionier-Loops mit je vier Kommissionier-Bahnhöfen sowie zu zwei Kommissioniermodulen mit 1600 Durchlaufkanälen. In der Versandabwicklung durchlaufen die Produkte Pack-, Versand- und Konsolidierungs-Sorter.
Das RDC II fungiert mit seinen 40 000 Paletten-Stellplätzen vor allem als Versorgungslager für die Kommissionierung im RDC I. Beide Lager verbindet eine Brücke. In diese sind eine Förderstrecke für Paletten, eine Paketförderanlage und ein Fahrweg für Staplertransporte integriert. Darüber laufen alle Produkte zur Versorgung der Stammfächer an den Kommissionier-Stationen im RDC I – vor allem B- und C-Produkte. Große und schwere Waren werden nur dann direkt im RDC II kommissioniert, wenn sie für die Fördertechnik zu groß sind. Dazu zählen etwa Plotter und Plasma-Fernseher. A-Produkte werden in einem eigenen Lagerteil im RDC I bevorratet, soweit dies möglich ist. Dort ist auch ein 7000 m² großer Lagerteil mit Fachbodenregalen für Kleinteile untergebracht.
Ursprünglich übernahm eine speziell für Ingram Micro entwickelte und konzernweit eingesetzte Software die Verwaltung aller Lager des Konzerns. Doch das Straubinger Distributionszentrum wollte schon 2004 davon unabhängig werden. „Die Konzern-Software wird bei der Mutter in den USA gepflegt. Gibt es dort Störungen, stehen alle Lager still, die darauf zugreifen“, erklärt Koch. Zudem war die vorhandene Software ungeeignet, ein Distributionszentrum in dieser Größe zu unterstützen. „Das System war zu unflexibel. Mit dem Programm viad@t haben wir jetzt eine Software, die in der Lage ist, völlig unabhängig den Lagerraum effizient zu nutzen“, schildert Koch. Bei einem Lagerbestand mit einem Warenwert von mehr als 200 Mio. Euro darf es keine Bestandsunsicherheiten geben. Als Realtime-System kann viad@t deshalb Abläufe integrieren, die den Benutzer genauestens über Warenbestände informieren.
Wir suchten eine Software, die uns auch in Zukunft beim Ausbau des Logistikzentrums unterstützt“, erläutert Koch. Gemeint ist eine mögliche Teilautomatisierung einiger Prozesse in der Kommissionierung. „Unsere Software bietet alle Voraussetzungen, um sämtliche Lager effizient zu steuern“, sagt Dr. Wilfried Kugler, Ressortleiter Operations bei der viastore systems GmbH in Stuttgart. Seit Mitte Juli 2008 steuert und managt viad@t alle Prozesse in beiden Lagerteilen. Und das mit Erfolg, wie Walter Reiter, Senior Manager und Projektleiter bei Ingram Micro, unterstreicht: „Die Produktivität des Lagers ist um rund 20 Prozent gestiegen.“
Das ERP-System, über das die Bestellungen eingehen, ist keine Standard-Software, sondern eine individuell für Ingram Micro entwickelte Lösung. Ebenso individuell musste auch die Schnittstelle zu viad@t sein. Zudem wurde die Supply-Chain-Software i-LogX von Euro-Log für diese Anwendung in viad@t integriert. Schon bei der Anlieferung werden die Lkw so gesteuert, dass ein Produkt gleich vor dem richtigen Lagerbereich ankommt. Die dafür erforderlichen Daten liefert i-LogX.
Die Bearbeitung eines Kundenauftrags beginnt damit, dass viad@t der Ladung einen Frachtführer zuordnet. Dazu greift das Programm auf ein Frachtmodul von Euro-Log zu. Der Frachtführer wird auf Basis einer Frachtkostenoptimierung ermittelt. Jeder Frachtführer hat feste Abfahrtszeiten. Danach terminiert das WMS alle Kommissionier-Vorgänge. Entsprechend werden die Aufträge auch priorisiert. Liegt der Abfahrtszeitpunkt dicht beim Auftragseingang, erhält dieser Auftrag eine hohe Priorität. Teilweise bleibt für die Kommissionierung nur eine Stunde Zeit. Zudem ändern sich die Prioritäten ständig. Eine papiergebundene Logistik wäre hier überfordert.
Die Produkte im Logistikzentrum von Ingram Micro sind in Repack- und Fullcase-Waren unterteilt: Repacks erhalten eine Versandverpackung, Fullcase-Waren werden in Originalkartons verschickt. Dazu zählen zum Beispiel Fernseher oder Drucker. Diese Information ist auch im Artikelstamm hinterlegt und entscheidet über den weiteren Weg der Ware durch das Logistikzentrum. Die Fullcase-Produkte werden im Pick-to-belt-Bereich mit einem kombinierten Versand- und Kommissionier-Label versehen. Die Waren sind in einem Durchlaufregal gepuffert. Der Kommissionierer sucht anhand der Versandlabel die Waren aus dem Regal. Anschließend klebt er das Label auf und setzt die Waren auf die Fördertechnik.
Für die Repacks beginnt die Kommissionierung am Kartonaufrichter. viad@t berechnet die passende Kartongröße und ermittelt gemäß Durchlaufzeit und Verladeende den Kundenauftrag, der die höchste Priorität hat. Nachdem ein Transportlabel auf den Karton geklebt wurde, läuft der über die Fördertechnik zur Kommissionierung. Mit einem am Finger befestigten Scanner lesen die Mitarbeiter diesen Auftrag ein. Das am Arm befestigte Funkterminal zeigt die Pickaufträge an. Insgesamt verfügen die Mitarbeiter über rund 250 Handheld-PC. In den Stammfächern der Kommissionierzone lagert der erwartete Bedarf für die nächsten zehn Tage. Sinkt der Bestand unter diese Grenze, löst viad@t einen Auftrag zur Nachschub-Steuerung aus. Die Stammfachversorgung war eine Herausforderung bei der Anpassung von viad@t. Ingram Micro nimmt nämlich pro Tag rund 200 neue Produkte in sein Sortiment auf. Das erfordert eine hohe Dynamik in der Lagerorganisation. Ist die Kommissionierung abgeschlossen, wird das letzte Paket einer Lieferung zum Packsorter befördert und der Lieferschein beigelegt. Die anderen Pakete gehen direkt auf den Lkw. Dabei erfolgen gleich an mehreren Stellen Qualitätskontrollen: Beim Kommissionieren der Repacks sorgt viad@t mit Hilfe eines Barcodes dafür, dass die richtigen Waren in die Pakete kommen. Am Ende jedes Repack-Loops wird über das Gewicht kontrolliert, ob der Inhalt stimmt. Und bevor das Paket schließlich auf den Lkw kommt, wird es nochmals gewogen. Zu guter Letzt werden alle Pakete beim Beladen des Lkw gefilmt. Dadurch kann nachgewiesen werden, dass das Paket auch tatsächlich das Lager verlassen hat.
Dr. Matthias Schweizer Fachjournalist in Stuttgart

IT für die Welt

Die Ingram Micro Distribution GmbH wurde 1972 unter dem Namen Macrotron in München gegründet. Das Unternehmen startete zunächst mit der Entwicklung, dem Vertrieb und der Wartung von Test- und Fertigungssystemen für die Elektronik- und Halbleiterindustrie. 1983 wurde die Macrotron Distribution für Computer, Peripherie und Software ins Leben gerufen, die sich schnell zum umsatzstärksten Geschäftsbereich entwickelte. Die heutige Ingram Micro Distribution GmbH besitzt eine Logistik und Infrastruktur, mit der das Unternehmen auch zukünftig den steigenden Bedarf des Marktes an Komplettlösungen abdecken kann.
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