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Wie eine Frau die Scanner-Branche geprägt hat

Intralogistik
Frauenpower in der Scanner-Branche

Frauenpower in der Scanner-Branche
Die Unternehmerin Kerstin Münster hat dem Scanner-Geschäft entscheidende Impulse gegeben. Bild: metamorworks/stock.adobe.com
In Deutschland sind viele Erfolgsgeschichten auf der grünen Wiese entstanden. Das gilt auch für die Geschäftsidee, die Kerstin Münster 1996 in Wöllstadt aus der Taufe hob: Hardware und Lagersoftware mit dem Scannen von Barcodes zusammenzubringen. Schon im ersten Jahr schrieb das Start-up Etiscan schwarze Zahlen. Das ist bis heute so geblieben.

» Sabine Ursel, freie Autorin

Der Standort ist unverändert: Ein ehemaliger Aussiedlerhof mitten im Grünen, rund 20 Kilometer vor den Toren Frankfurts gelegen. Einst bewirtschafteten ihn Kerstin Münsters Eltern. Im Jahr 2023 werden hier 26 Mitarbeiter für über 6 Millionen Euro Umsatz sorgen. Die Datenerfassungslösungen von Etiscan lassen sich branchenunabhängig an die führenden ERP-Systeme andocken, werden als App auf die Hardware gespielt, sind skalierbar und unabhängig von Betriebssystemen. Die Etiscan-Belegschaft entwickelt dabei die Standardsoftware laufend weiter, konzipiert für besondere Kundenanforderungen auch individuelle Lösungen und betreut 600 aktive Kunden im DACH-Raum. Darunter sind große Namen wie Sartorius, Siemens, Pepsi Cola und Bosch – aber auch viele kleine und mittelständische Unternehmen aller Branchen. Das Spektrum reicht von zwei bis zu mehreren hundert Anwendern und Endgeräten pro Abnehmer. „Es macht wahnsinnig Spaß zu sehen, wie die Unternehmen arbeiten – etwa in der Automotive-, Medizin- und in der Energiebranche, im Lebensmittelbereich, bei den Öffentlichen, im Motorsport oder auch beim 1. FC Köln in der Fußballbundesliga“, sagt Kerstin Münster.

Ziel: Eigenes Ding machen

Die 53-Jährige kennt die Scanner-Szene nicht nur aus dem Effeff, sie hat sie gewissermaßen mitbegründet. In der Männerdomäne hat sich Kerstin Müller von Beginn an mit Nachdruck behaupten können. Ihre Laufbahn begann sie als Vertriebsassistentin bei der Etikettiermaschinen-Firma Etimark, baute dort neue Vertriebswege auf und übernahm schließlich eine eigene Abteilung. Als Werksstudent in der IT-Entwicklung arbeitete damals auch Hubertus Hofmann bei dem Unternehmen. Beiden war klar: „Wir wollen unser eigenes Ding aufziehen.“ Mit Wohlwollen von Etimark wurde Etiscan geboren und beide Firmen ergänzten sich kurzzeitig auch. „Mit Etimark im Rücken konnte ich besser bei Kunden auftreten. Als junge Frau von Mitte zwanzig hätte man mich sonst nicht ernst genommen“, sagt Kerstin Münster rückblickend.

Damals stand die Hardware noch im Vordergrund des Geschäfts. Die Software sei Zugabe gewesen, gewissermaßen Mittel zum Zweck. Die Anwendungen waren rudimentär und eigneten sich vor allem für die Inventur: Man erfasste Artikelnummer und Menge und übergab die Daten als ASCI-Datei. Die Margen in Sachen Hardware lagen enorm hoch, „50 Prozent waren locker drin“, erinnert sich die Unternehmerin.

CeBIT war der Zünder

Gleich die erste CeBIT-Teilnahme brachte den Durchbruch für die neu gegründete Firma, die man heute als Start-up listen würde. Der Neukunde Strauss Innovation gab den Anstoß: Man wollte die damals übliche Handelsware nicht mehr und hatte andere Vorstellungen von den Prozessen im Lager. Münster und Hofmann reagierten rasch, erhielten eine Viertelmillion Euro von der Bank und fanden mit Panasonic ein Gerät, wie Strauss es sich vorstellte. Ein Jahr später – wieder auf der CeBIT – traf Kerstin Münster auf einen Ex-Kollegen, der zu Symbol-Geräten riet, hergestellt von Motorola Zebra Technologies. 1998 begann so eine Partnerschaft, die bis heute andauert. Doch die „Zebras“ sind längst dem alleinigen Zweck einer Inventur entwachsen. Sie können mühelos auch individuell programmiert werden und finden in vielen Unternehmen ihren täglichen Einsatz. Aus der Transport- und Intralogistik sind sie nicht mehr wegzudenken. Heute arbeitet Etiscan vorwiegend mit Zebra und Honeywell zusammen, unterstützt bei Bedarf jedoch auch Geräte anderer Hersteller, sofern sie unter iOS, Android oder Windows laufen.

Verkauf des Unternehmens – mehr Zeit für andere Projekte

Kerstin Münster weiß genau, was die Verantwortlichen und Mitarbeiter in den Lagern brauchen, um Zeit zu sparen und möglichst fehlerfrei zu kommissionieren. Ihr Erfolgsrezept: „Ich bin immer allein zu den Kunden gefahren, habe Geräte und Laptop dabeigehabt und sehr genau zugehört, was man dort bräuchte. Die Ideen kamen meist vom Kunden. Dann galt es für uns, schnell die Software anzupassen.“ Ergebnisse solcher Wünsche waren die Direktintegration in Sage, Microsoft Dynamics und SAP. „Heute machen wir nur noch das, was wir besonders gut können. Wir haben immer den Ertrag gesehen und nicht den Umsatz.“ Die Vergangenheitsform deutet an, dass sich die Dinge verändert haben. Denn mit Mitte fünfzig – so hatte es sich das Team Münster/Hofmann vorgenommen – wollte man die Firma auf ihrem Höhepunkt verkaufen. Mehr Zeit für andere Projekte und Privates sollte geschaffen werden. Das kerngesunde Unternehmen haben beide Anfang 2022 veräußert.

Normalerweise dauere es bis zu fünf Jahren, ehe ein derartiger Plan greife, so hatte man den beiden Etiscan-Chefs gesagt. Aber dann ging alles viel schneller. 2021 stellte M&A-Berater Carlsquare den Barcode-Pionier ins Schaufenster. Mit der beachtlichen Zahl von acht seriösen Angeboten setzten sich Münster und Hofmann dann auseinander. „Uns war der Fortbestand der Firma und Erhalt der Arbeitsplätze sehr wichtig“, betont die Unternehmerin. Die Wahl fiel darum auf das Beteiligungsunternehmen VIA equity. Es trage eine dänische DNA in sich und sei an gesundem Wachstum und Zukunft interessiert. Beide ehemaligen Gründer sind derzeit noch Mitgesellschafter – Kerstin Münster wird sich 2024 jedoch ganz zurückziehen.

Sichere Grundlage für den Wechsel

Das Feld ist bestens bestellt: Etiscan-Lösungen können neben Barcode auch Schriften erfassen, bieten automatische Identifikation mit allen Möglichkeiten, hohe Flexibilität im Gesamtsystem und einen Echtzeit-Blick auf Bestände. Die Prozesse sind sicher, die Anwender können aufgrund der bedienerfreundlichen Oberflächen und intuitiven Anwendungen schnell reagieren und machen signifikant weniger Fehler. „Unsere Honeywell-Geräte können zum Beispiel auch Volumen erfassen und in unsere Lösungen auch Waagen und Lagerliftsysteme, also Paternoster, einbinden. Wir bieten alles aus einer Hand“, sagt Münster. Voraussetzung ist ein ERP-System und eine Grundausstattung im Lager.

Neue Speerspitze

Spätestens 2024 wird Reinald Schneller die Kundengespräche alleinverantwortlich führen. Der Kontakt mit Geschäftsführern, Lagerleitern, Logistik- und IT-Leitern sowie Einkäufern ist dann seine Aufgabe. Schneller ist seit Jahresbeginn 2023 in der Führung von Etiscan aktiv. Seine langjährige Erfahrung in Sachen SAP und Digitalisierungsthemen, u.a. bei HP, Netfira und Crossinx, ist ein Gewinn für das Unternehmen.

Potenzielle neue Kunden gibt es genug. Viele Firmen arbeiten immer noch analog und machen sich so selbst das Leben schwer. Für Etiscan geht der Weg deshalb weiter: Kerstin Münster hält auch Zukäufe für denkbar, etwa in den Bereichen Lagerverwaltungssoftware oder Lagerliftsysteme – „Unternehmen, die uns ergänzen oder auf eine Branche spezialisiert sind.“ Und wohin führt ihr eigener Weg in gut einem Jahr? „Ideen und Angebote gibt es bereits. Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, aber noch ist nichts spruchreif“, so Münster. Klar ist allein eines: Nicht mehr die Etiscan-App wird dann im Mittelpunkt stehen, sondern das Navigations-Hilfsmittel Komoot. Kerstin Münster wird es ausgiebig für Outdoor-Aktivitäten nutzen.

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