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„Jeder braucht Paletten, keiner will sie“

Für Vorstandsmitglied Marcus Falkenhahn ist der Palettentausch ein Auslaufmodell
„Jeder braucht Paletten, keiner will sie“

Nach Ansicht von Marcus Falkenhahn, Vorstandsmitglied der Falkenhahn AG, ist der Palettentausch out. Die Kosten sind für die Unternehmen kaum noch zu kalkulieren. Trotzdem wird munter weiter getauscht, weil es eben schon immer so gemacht wurde. Falkenhahn bietet mit seiner World Palette und dem Prinzip des Weiterverkaufs eine Alternative.

Herr Falkenhahn, das Geschäft mit Paletten ist hart, oder?

Welches Geschäft ist heute nicht hart? Das kommt immer auf den Standpunkt an. Die Palette ist ein unverzichtbares Produkt, auch in Zukunft. Allerdings versucht jeder, seine Logistikkosten zu drücken. Wir bieten dem Markt mit der World Palette eine günstige Alternative im Bereich der Mehrweg-Paletten im Euroformat.
Wie viele Paletten werden derzeit in Ihrem Unternehmen im Monat produziert?
Das monatliche Produktionsvolumen schwankt ziemlich stark, je nach Jahreszeit und der Menge der im Markt verfügbaren Gebrauchtpaletten. Somit sind Monatswerte wenig aussagekräftig. Insgesamt haben wir eine Produktionskapazität von zehn Millionen Paletten pro Jahr, die derzeit jedoch noch nicht voll ausgeschöpft ist.
Wie war der Geschäftsverlauf im Krisenjahr 2009? Musste Kurzarbeit gefahren oder Mitarbeiter entlassen werden?
Unser Krisenjahr, wenn man überhaupt von Krise sprechen sollte, war das Jahr 2008. Im März haben wir unsere Europaletten-Produktion von der Marke EPAL auf die Marke World umgestellt. Das war ein absolutes Novum, da es bis dato kein Konkurrenzprodukt gab und wir mit der World-Palette quasi einen Monopol-Markt geknackt haben. Schon damals haben wir vorausschauend die Produktionskapazitäten angepasst. Dadurch sind wir gut durch das Krisenjahr 2009 gekommen.
Wie hat sich das Geschäft in diesem Jahr entwickelt?
Momentan haben wir zweistellige Zuwachsraten. Dies liegt zum einen daran, dass die Konjunktur und somit die Produktion wieder angezogen hat. Zum anderen findet die World Palette immer größeren Zuspruch am Markt.
Mit Ihrer Idee „Weiterverkauf statt Tausch“ wollen Sie den Palettenmarkt „neu definieren“. Ist diese Formulierung angemessen?
Ich denke, so provokativ kann man das sagen. Der Palettentausch ist in vielen Bereichen nicht mehr zeitgemäß: Die Kosten sind in den letzten Jahren explodiert und für viele Unternehmen kaum noch zu kalkulieren. Diese Situation spiegelt sich in der Unzufriedenheit vieler Marktteilnehmer wieder. Die meisten Unternehmen denken jedoch nach wie vor, es gebe keine Alternative, weil schon immer getauscht wurde. Wir wollen dem Markt praxisnahe Lösungen bieten. Und das ist mit dem System des Weiterverkaufs möglich.
Wie kamen Sie auf diese Idee, was war der Anlass?
Der Weiterverkauf von Paletten ist an sich nichts Neues und wird schon seit langem in der Chemie-Branche praktiziert. Wir haben jedoch festgestellt, dass das System nur dann funktioniert, wenn es für alle Beteiligte attraktiv genug ist. Das gilt insbesondere für die Empfänger. Und daraus sind Konzepte entstanden, die für Verlader, Spediteure und Empfänger gleichermaßen profitabel ist.
Der klassische Palettentausch hat Ihrer Ansicht nach viele Nachteile, allem voran wohl das Chaos mit den so genannten Palettenscheinen. Wie sieht denn die gängige Praxis aus?
Von der Idee her liefert ein Spediteur Produkte eines Herstellers, die auf Paletten festgezurrt sind, beim Empfänger ab und erhält im Gegenzug die gleiche Anzahl an leeren Paletten. Diese tauscht der Fahrer beim nächsten Versender gegen einen frisch beladenen Holzträger ein. Es entsteht durch den fortwährenden Tausch ein Kreislauf. So weit die Theorie. Oft hat der Empfänger jedoch keine Paletten, die er dem Fahrer direkt im Tausch mitgeben kann. Oder er wechselt eine neuwertige Palette gegen eine alte oder gar kaputte Palette aus. Was nun folgt, ist jede Menge Papierkram: Um den Missstand oder das Fehlen der Paletten zu dokumentieren, werden deutschlandweit Millionen von Palettenscheinen ausgestellt und anschließend in den Buchhaltungen der beteiligten Firmen verbucht, verrechnet, ausgebucht, abgeschrieben und gutgeschrieben. Das reinste Chaos. Und jeder stellt sich die Frage: Wem gehört eigentlich welche Palette?
Die Dummen sind einmal mehr die Speditionen. Was schätzen Sie: Wie viel Prozent der Lkw auf deutschen Autobahnen fahren leere Paletten spazieren?
Ich denke, dass es sich keine Spedition mehr leisten kann, leere Paletten spazieren zu fahren. Das Problem sind eher die Paletten, die nicht am richtigen Ort zur richtigen Zeit und in der richtigen Qualität verfügbar sind. Das sorgt für eine regelrechte Palettenschein-Blase. Parallelen zur Immobilienblase in den USA sind unverkennbar: Es werden Scheine ausgestellt, ohne dass geeignete Paletten vorhanden sind. Für den notwendigen Ausgleich muss eine mittelgroße Spedition im Schnitt 250 000 Euro pro Jahr in die Beschaffung von Paletten investieren.
Stimmt es, dass manche Industriebetriebe Palettenscheine im Wert von einer Million Euro und mehr verwalten?
Das kann schon passieren und wurde uns von Kundenseite bestätigt. Durch strenge Qualitätskontrollen kommen viele Spediteure immer stärker in Verzug mit der Bereitstellung der Paletten.
Wie lange gibt es diesen Tauschpool bereits? Warum wird der immer noch praktiziert?
Zunächst muss ich festhalten, dass es den Europalettenpool als zentralen, geschlossen Tauschpool gar nicht gibt. Der Tausch an sich wird durch Absprachen zwischen den Vertragspartnern individuell vereinbart. Dieses Prinzip wird seit mehr als 30 Jahren praktiziert und ist in Zeiten des Werkverkehrs entstanden. Viele Marktteilnehmer wissen gar nicht, dass sie jederzeit aus dem Tausch aussteigen können. Somit macht eben jeder weiter wie er es schon immer gemacht hat. Und die Kosten explodieren.
Sie wollen das Chaos auflösen und propagieren stattdessen den Weiterverkauf von Paletten. Wie funktioniert das?
Beim System des Weiterverkaufs wird die Palette als Teil der Verpackung und nicht mehr als Transportmittel betrachtet. In der Konsequenz wird die Palette wie ein Umkarton behandelt und entweder im Angebotspreis mit einkalkuliert oder mit der Ware weiterverkauft und entsprechend fakturiert. Durch den Weiterverkauf geht die Palette in das Eigentum des Käufers über, unklare Eigentumsverhältnisse sind Vergangenheit. Das Problem der Wertminderung der Palette wird durch eine Ausgleichspauschale geregelt.
Sie stehen nicht mit leeren Händen da, sondern können auf eine Studie des Fraunhofer IML in Dortmund verweisen. Was ist das für eine Studie und was ist die Kernaussage?
Es handelt sich um eine Studie vom Juni 2009, die der Deutsche Speditions- und Logistikverband, kurz DSLV, in Auftrag gegeben hat und die im Januar 2010 veröffentlicht wurde. Hier wurden die tatsächlichen Kosten des Palettentauschs für Versender, Spediteure und Empfänger ermittelt und die anfallenden Kostenblöcke transparent gemacht. Wichtigste Botschaft: Bei einem Palettentausch fallen Kosten bis zu drei Euro an, bei einem kompletten Umlauf einer Palette liegen sie sogar bei maximal fünf Euro. Kostentreiber sind in erster Linie die Verwaltungskosten und die Kosten für Schwund, Diebstahl und Reparatur. Beim Weiterverkauf werden die Kosten stark reduziert oder entfallen sogar. Rechnen Sie das einmal hoch auf ein Volumen von 100 000 Paletten im Jahr.
Es erfordert wahrscheinlich viel Überzeugungsarbeit, die Idee des Weiterverkaufs salonfähig zu machen. Wie gehen Sie vor?
Sicher ist es ein hartes Stück Arbeit, das neue Konzept und die Funktionsweise am Markt durchzusetzen, da viele alte Zöpfe abgeschnitten werden müssen. Doch durch intensive Pressearbeit haben wir begonnen, das Thema den Marktteilnehmern näher zu bringen und Vertrauen zu schaffen. Zudem sprechen wir gezielt die Verbände an.
Durch den Weiterverkauf von Paletten können Unternehmen also richtig Geld sparen. Kostenreduktion ist ein Zukunftsthema. Gelingt es Ihnen so, die Neugier bei potenziellen Kunden wecken?
Die ersten Erfahrungen haben gezeigt, dass genau der Kostenaspekt den Reiz bei diesem Thema ausmacht. Es muss einen triftigen Grund geben, ein System komplett umzustellen. Kosteneinsparung und Arbeitserleichterung sind dafür prädestiniert. Wir haben auch einen Palettenkalkulator entwickelt, mit dem Unternehmen ihr persönliches Einsparpotential berechnen können. Und der wird bereits gut genutzt.
Und was haben Sie von der ganzen Sache? Wie profitiert Falkenhahn von der Idee des Weiterverkaufs?
Wir sind in erster Linie Palettenhersteller und auf die Produktion von World Paletten fokussiert. Paletten werden gemeinhin als notwendiges Übel betrachtet: Jeder braucht sie, keiner will sie haben. Mit unseren neuen Konzepten rund um die Palette bleiben wir im Gespräch. Wenn wir Geschäftspartnern unser Wissen weitergeben und diese dadurch Vorteile haben, dann fällt das positiv auf uns zurück.
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