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Ohne Fahrer durch die Kurven

Bahnberechnung für fahrerlose Transportsysteme
Ohne Fahrer durch die Kurven

Die Götting KG, ein Spezialist für die Navigation von fahrerlosen Transport-Fahrzeugen, plant Trassen für autonome Fahrzeuge. Mit einer speziellen CAD-Software werden dabei Fahrzeugbewegungen und Schleppkurven simuliert.

Ein Sattelzug dockt von der Laderampe ab und macht sich auf den Weg über das Firmengelände – mit leerer Fahrerkabine. Was wie Science-Fiction klingt, gehört in vielen Fabriken zum Betriebsalltag. Wo Schienenfahrzeuge oder Förderstraßen zu teuer oder unflexibel sind, bringen fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) Waren von A nach B.

Die zugehörige Technik ist die Kernkompetenz der Götting KG. Unternehmen vom Klebstoffhersteller bis zum Automobilproduzenten wurden bereits mit Spurführungstechniken aus Lehrte ausgestattet. Die Ingenieure nutzen je nach Anforderung verschiedene Systeme wie Leitdrähte, optische Markierungen oder GPS. Eine beliebte Lösung sind auch Transponder. „Diese haben den Vorteil, dass man zur Spurfestlegung nicht die ganze Strecke aufreißen muss“, erklärt Matthias Götting, leitender Ingenieur im Bereich Konstruktion und Projektmanagement bei der Götting KG. „Es müssen nur wenige Löcher gebohrt werden.“ Darüber hinaus funktionieren die Transponder unabhängig von der Witterung und dem Zustand des Belags. Das Fahrzeug weicht auch bei stark verschmutzter Fahrbahn nicht von der Spur ab. Dadurch lassen sich die FTF sogar im Hafenbereich einsetzen.
Die Berechnung und Festlegung der Spuren für die Transpondersysteme stellen allerdings hohe Ansprüche an die Planer. Das Problem ist, dass die Kanten eines Fahrzeugs nicht der Fahrspur entsprechen und nicht exakt den gleichen Verlauf haben. „Man kann zum Beispiel nicht pauschal sagen, dass für einen LKW mit einer Breite von 2,55 m eine drei Meter breite Spur ausreicht“, erklärt Götting. Für die Trassenbestimmung wurde deshalb eine eigene Simulationsanwendung entwickelt. Basis ist die Zeichensoftware CAD6 der Malz++Kassner GmbH, die bei Götting schon seit Jahren im Einsatz ist. Das Ziel war eine benutzerfreundliche Software, die leicht zu bedienen ist. Denn die Anwendung sollte später auch den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Zudem sollte sich das Programm auf verschiedene Sprachen einstellen lassen, um den Einsatz für Auslandsprojekte sicher zu stellen.
Entscheidendes Kriterium war allerdings, dass das Programm über offene Schnittstellen verfügt, mit denen sich eigene Erweiterungen implementieren lassen. Dadurch konnten die Spezialisten aus Lehrte die Berechnungsgrundlagen zur Fahrspurbestimmung entwickeln und diese anschließend von Malz++Kassner in ein Plug-In umsetzen lassen. Mit dem Modul lassen sich Bahnkurven erstellen, bearbeiten und exportieren, die von Fahrzeugcontrollern verarbeitet werden können. Als Grundlage dienen Hallen- oder Geländepläne. „Pläne in den CAD-Formaten DXF oder DWG lassen sich direkt importieren und bearbeiten“, erklärt Stefan Malz, einer der Geschäftsführer von Malz++Kassner. „Eingescannte Papierpläne, die nicht in diesen Formaten vorliegen, können als Hintergrund zur Orientierung eingefügt werden.“ Zusätzlich müssen die genauen Parameter des später verwendeten Fahrzeugs eingetragen werden. Dazu zählen unter anderem Typ, Maße, Achsabstand und Lenkwinkel. Wird dann die Spur als dünne Bahnkurve in den Plan gezeichnet, berechnet das Programm anhand der Parameter die tatsächlichen Ausmaße der Fahrspur. Dabei wird das Abfahren der Bahn durch das Fahrzeug simuliert, um Engstellen und kritische Punkte zu lokalisieren.
Vor allem Kurven, Rückwärtsfahrten und Schlepp-Vorgänge sind berechnungsintensiv, da die Achsen hinter der Lenkachse aus der Spur laufen und dadurch das Fahrzeug eine größere Fläche überstreicht. Die Hinterräder folgen einer so genannten Schleppkurve. Dabei wird der genaue Platzbedarf des Kurvenradius bestimmt. Die Länge des Fahrzeugs, Achslage, Achszahl und die Gliederung des Fahrzeugs spielen dabei eine Rolle. Je enger die Kurve und je länger das Transportmittel, umso größer ist die Fläche, die für die Kurvenbewegung freigehalten werden muss. Die äußere vordere Ecke des Fahrzeugs bestimmt den äußeren Rand des nötigen Raums, die innere hintere Ecke markiert die innere Begrenzung. Ein eventueller Anhänger folgt der Zugmaschine dabei weiter innen im Bogen. Um die Fahrspur ideal zu gestalten, wird ihre Kontur im CAD-Programm mehrfach angelegt, rechnerisch abgefahren, verbessert und erneut abgefahren. Über die Fahrzeugparameter werden dabei die endgültigen Maße der Trasse bestimmt.
„In der Bahnkurve werden diese Parameter berücksichtigt und Kurvenradien sowie Lenkbeschleunigungen entsprechend gewählt“, weiß Malz. „Dadurch kann das Fahrzeug später alle Kurven meistern.“ Auch das Nachlaufen von Anhängern wird mit einbezogen. Die am Ende entstandene Spur setzt sich aus einer Fülle von Knotenpunkten zusammen. Aus diesen ermittelt das Programm so genannte Stützpunkte, die die Strecke schließlich definieren. Zudem werden Beschleunigungen, Geschwindigkeiten und Stopps über das Plug-In in die Bahnzeichnung eingetragen. Stützpunkte und Geschwindigkeiten werden schließlich in eine Transpondersteuerung umgesetzt, über die sich das Fahrzeug von Knoten zu Knoten navigieren lässt. Dabei werden Position und Tempo permanent überwacht.
Neben dieser Sonderanwendung wird das Softwarepaket bei Götting auch für herkömmliche Konstruktionsaufgaben benutzt. „Wir produzieren einige mechanische Teile selbst, zum Beispiel Gehäuse“, berichtet Götting. „Diese können wir mit dem Programm entwerfen und mit den nötigen Daten für die Fertigung versehen.“ Dabei lassen sich nützliche Hilfskonstruktionen einsetzen. Mit so genannten Hilfslinien lassen sich komplexe Geometrien aus einfachen Formen oder Konstanten ableiten.
So berechnet das Programm beispielsweise die Seiten- oder Winkelhalbierenden eines Rechtecks, wodurch man den exakten Mittelpunkt ermitteln kann. Über die integrierte Fang-Funktion können Schnitt- und Eckpunkte der Hilfslinien als Ausgangspunkte für die weitere Zeichnung benutzt werden. Auch die einzelnen Linien- und Kurvenabschnitte selbst lassen sich mit einfachen Menübefehlen in die eigentliche Konstruktion einbinden, um etwa Aussparungen oder Winkel zu erzeugen. „Das Programm ist dem realen Arbeiten am Zeichenbrett nachempfunden“, erklärt Malz die Idee hinter dieser ungewöhnlichen Hilfestellung. „Dadurch wird die Handhabung erleichtert und das Gestalten intuitiver.“
Christine Gaßel Fachjournalistin in München
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