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Zulieferer managen das Lager beim Hersteller

Konsignation: Abgerechnet wird erst nach der Entnahme
Zulieferer managen das Lager beim Hersteller

Thermo Fisher Scientific, ein Spezialist für labortechnische Lösungen, hat am Standort Karlsruhe mit Hilfe der Unternehmenssoftware Oxaion die Konsignationsdisposition eingeführt.

Wie organisiert man die Beschaffung bei rund 250 Zulieferern weltweit, ohne unnötig hohe Lagerbestände anzuhäufen oder in Engpässe zu geraten? Zum Beispiel mit einer Lieferantenkonsignation, wie sie Thermo Fisher Scientific in Karlsruhe seit 2007 abwickelt. Der Hersteller von labortechnischen Lösungen für die Industrie und Forschung wird in den nächsten Jahren die Hälfte aller hochwertigen Teile auf diese Art beziehen.

Ob Wasseraufbereitung, Molekülspektroskopie oder Elementanalytik – wer mit Laboranalytik zu tun hat, kennt Thermo Fisher Scientific. Der Konzern mit mehr als 30000 Mitarbeitern in 30 Ländern und einem Jahresumsatz von rund 9 Mrd. US-Dollar zählt zu den Großen in diesem Branchensegment. Entsprechend breit ist die Produktpalette. Sie reicht von Analysegeräten und Reagenzien für die Überwachung der Luftqualität bis hin zu Apparaturen für die Massenspektrometrie. Wer solch eine Bandbreite hat, braucht ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen hoher Lieferzuverlässigkeit und niedrigen Kapitalbindungskosten in der Lagerhaltung. Bei Thermo Fisher Scientific in Karlsruhe, einem von vier deutschen Fertigungsstandorten, sollte diese Balance weiter forciert werden. Stefan Riemenschneider, Teamleiter Supply Chain & Logistic und verantwortlich für die operative Beschaffung und Lagerhaltung, erinnert sich: „Wir hatten hohe Bestände und dennoch fehlten uns immer wieder entscheidende Teile.“
In Karlsruhe werden Geräte für die Materialcharakterisierung und die Temperiertechnik gefertigt. Die meisten Bauteile bezieht das Unternehmen von rund 250 nationalen und internationalen Lieferanten. Bis vor einigen Jahren erfolgte die Disposition über Einzelbestellungen. Abgesehen vom hohen Aufwand hatte diese Beschaffungsart den Nachteil, dass Thermo Fisher immer einen hohen Pufferbestand vorhalten musste, um nicht in Engpässe zu geraten. Deshalb ging der Labortechnik-Spezialist dazu über, mit den Lieferanten Rahmenverträge abzuschließen. Darin werden die Abnahmemengen für zwölf Monate im Voraus festgelegt. Das Problem dabei: Man vereinbart immer nur den pauschalen Jahresbedarf, der aber nicht auf Monats- und Wochenebene heruntergerechnet wird. Manchmal ist die vereinbarte Menge nach drei oder vier Monaten schon wieder überholt. Da der Abgleich des neuen Bedarfs mit den Rahmenbestellungen sehr aufwändig ist, werden die Lieferanten nicht immer rechtzeitig informiert.
Früher waren deshalb Kaufteile nicht ausreichend verfügbar. Die Geschäftsführung hat schließlich entschieden, schrittweise auf die konsignationsbasierte Disposition umzustellen (siehe Kasten). Grundlage dafür ist das eigens entwickelte Vendor-Owned-and-Managed-Inventory-Konzept (VOMI). Das Prinzip: Auf der Grundlage von tagesaktuellen Bedarfszahlen, die Thermo Fisher dem Lieferanten elektronisch bereitstellt, füllt dieser die Lager innerhalb der vereinbarten Mindest- und Maximalbestände eigenverantwortlich auf. Die Lagerflächen stellt Thermo Fisher zur Verfügung, die Ware bleibt bis zur Entnahme Eigentum des Lieferanten. Somit bestimmt der Lieferant den Zeitpunkt der Auffüllung selbst und kann dadurch seine eigene Produktion und die Touren optimieren.
Angesichts der Vorteile, die das VOMI-Konzept auch dem Zulieferer bietet, haben auf Anhieb die 40 wichtigsten Lieferanten Interesse an dieser Abwicklung signalisiert. Als Pilotprojekt gibt es derzeit Konsignationsverträge mit drei Lieferanten. Der große Durchbruch wird in diesem Jahr erwartet: Dann wird Thermo Fisher rund die Hälfte der jährlichen Einkaufsmenge auf diese Weise beziehen. Mit Spannung erwartet man die Einbindung des ersten internationalen Lieferanten, der mit zu den größten zählt. Stefan Riemenschneider und seine Kollegen sind zuversichtlich. „Mit Oxaion haben wir eine leistungsfähige IT-Technologie, mit der sich die Konsignationsbeschaffung auch international gut umsetzen lässt.“
Seit Anfang 2007 arbeiten die Karlsruher mit der betriebswirtschaftlichen Unternehmenssoftware der Oxaion ag. Dank der Mehrsprachigkeit ist selbst die Anbindung von chinesischen Zulieferern möglich. „Das Programm bietet uns einen breiten Funktionsumfang. Vor allem die Module für die Disposition sind gut entwickelt und lassen sich kostengünstig anpassen“, fasst der Teamleiter zusammen. Im März 2007 begann das „Zeitalter der Konsignation“. Der erste Lieferant wurde an die Oxaion-Software angebunden und kann seitdem den tagesaktuellen Bedarf elektronisch abrufen. Schrittweise setzt der Standort sein VOMI-Konzept nun mit weiteren Zulieferern um.
Thermo Fisher Scientific hat bereits viel erreicht. Lagerbestände und Beschaffungskosten wurden und werden weiterhin gesenkt. Papiergebundene Einzelbestellungen, eventuelle Doppelerfassungen oder der Aufwand für Rechnungs- und Lieferscheinprüfungen ließen sich reduzieren. werden damit reduziert. Bei allen konsignationsgeführten Baugruppen haben die Karlsruher inzwischen eine Lieferzuverlässigkeit von 100 % erreicht. Folglich wird man zukünftig verstärkt Teile auf diese Art beziehen.
Ralf M. Haaßengier Fachjournalist in Stuttgart

Was ist Lieferantenkonsignation?
Konsignationsbasierte Lagerführung ist eine spezielle Bevorratungsstrategie, bei der der Lieferant so lange Eigentümer der Ware ist, bis der Kunde sie entnimmt. Das Konsignationslager wird beim Abnehmer eingerichtet, die Ware wird erst zum Zeitpunkt der Entnahmemeldung berechnet. Den Lagerplatz stellt der Abnehmer kostenlos zur Verfügung, außerdem versichert er die Bestände gegen Diebstahl sowie Wasser- und Feuerschäden. Der Lieferant füllt das Lager eigenverantwortlich auf. Er bestimmt also im Rahmen der definierten Mindest- und Maximalbestände den Anlieferzeitpunkt und die Mengen selbst. Die Konsignation bietet Versorgungssicherheit, geringen Abwicklungsaufwand und führt zu niedrigen Kapitalbindungskosten, da das Material erst nach der Entnahme bezahlt werden muss.

Konsignation bei Thermo Fisher
Grundlage der Konsignationsabwicklung ist ein Absatzplan für zwölf Monate im Voraus. Dieser ist für ein Produkt in der Unternehmenssoftware Oxaion Business Solution hinterlegt und wird regelmäßig aktualisiert. Über die automatische Stücklistenauflösung für die einzelnen Artikel entstehen die jeweiligen Bedarfe an Bauteilen. Der Lieferant hat über eine sichere Internetverbindung Zugriff auf das System und weiß somit, welche Teile er wann zu liefern hat. Gleichzeitig sieht er den tagesaktuellen Bestand seines Lagers, das er bei Thermo Fisher Scientific unterhält. Für jedes Produkt werden ein Minimal- und ein Maximalbestand festgelegt. Ein oberes Limit deshalb, weil die Karlsruher die Abnahmeverpflichtung begrenzen wollen. Der Minimalbestand soll unvorhergesehene Bedarfsspitzen abfangen. Innerhalb dieser Limits bestimmt der Lieferant die Auffüllung des Lagers selbst.
Wenn der Lagerist die für einen Auftrag benötigten Teile entnommen hat, bucht das Programm Oxaion diese automatisch aus dem Bestand des Lieferanten in den eigenen Bestand – und zwar immer für den gesamten Fertigungsauftrag. Die Software erzeugt dabei eine komplette Kommissionierliste mit den benötigten Stückzahlen. Ist die Kommissionierung abgeschlossen, erfolgt eine Abbuchung auf den Fertigungsauftrag. Oxaion zeichnet den Verbrauch des aus dem Lieferantenlager entnommenen Materials auf. Das im Hintergrund laufende Protokoll enthält Entnahmedatum und -menge sowie Einzel- und Gesamtpreis für die Positionen. Einmal monatlich erhält der Lieferant per E-Mail automatisch eine Sammelaufstellung des Entnahmeprotokolls als Grundlage für seine Fakturierung. Der Vorteil dabei: Da nicht nach jeder Entnahme abgerechnet wird, sinkt für beide Seiten der Administrationsaufwand. Durch die Sammelabrechnung entfallen Rechnungsprüfungen, die bei Einzelbestellungen nötig wären. Stattdessen wird nur noch der monatliche Gesamtwert kontrolliert. Der niedrigere Aufwand, der aus der Sammelfakturierung resultiert, überzeugt viele Zulieferer.
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