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Kunststoffmesse Fakuma: Digitalisierung und Nachhaltigkeit als Themen

Fakuma 2024: 15. bis 19. Oktober in Friedrichshafen
Messe Fakuma packt‘s an: Herausforderung Spritzguss

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Die Spritzgießverarbeitung ist zur Challenge geworden: Die Prozesse sollen leichter zu bedienen sein, weil es an Fachkräften fehlt. Zugleich sollen sie nachhaltiger werden und Ressourcen schonen mit möglichst viel Rezyklat. Diese Herausforderungen packen die über 1600 Aussteller der Fakuma 2024 an: mit Digitalisierung und Prozess-Vorzeigebeispielen, den „Exponaten“.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

Die Hersteller von Spritzgießmaschinen und Peripheriegeräten bringen selbstverständlich ihre Neuheiten mit zur Fakuma 2024 vom 15. bis 19. Oktober in Friedrichshafen. Doch sie machen auffällig wenig Hehl davon. Denn viel Innovation ist in den vergangenen Jahren schon passiert. Vor allem in der Digitalisierung, aber auch in der Spritzgießverarbeitung von Rezyklaten. Nun geht es darum, dieses geballte Wissen und die neuen Möglichkeiten an die Kunststoffverarbeiter weiterzugeben – das ist die eigentlich aktuelle Herausforderung.

Diese 29. Fakuma ist deswegen vielleicht noch mehr das, als was sie immer bezeichnet wird: eine „Arbeitsmesse“. Kunststoffverarbeiter diskutieren mit Experten und studieren neue Optionen an „Exponaten“ – an Anlagen, die live auf den Messeständen produzieren. Ihr diesjähriger Schwerpunkt: die Digitalisierung, die für nahezu alle Anwendungen einen Mehrwert verspricht und Unerfahrenen das Bedienen erleichtern soll. Und an zweiter Stelle das Verarbeiten von Rezyklaten für eine nachhaltigere Kunststoffverarbeitung. Hier schlägt die Stunde der Pioniere, die immer mehr Rezyklat-Kunststoffe ertüchtigen, auch wenn lieferbare Mengen noch gering sind.

Prozess steht im Mittelpunkt

In Friedrichshafen steht also die Verarbeitung selbst mit Praxisbeispielen im Mittelpunkt – mehr als sonst. Spritzgießmaschinenbauer Arburg etwa kommt mit 18 „Exponaten“ an den Bodensee (Halle A3, Stand 3101), teils auf Partnerständen. „Damit zeigen wir wegweisende Trends in der Kunststoffverarbeitung“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin Juliane Hehl, die das Global Marketing und Business Development im Unternehmen verantwortet, „immer mit dem Ziel, unseren Kunden den Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu ebnen.“

Zudem gibt es auf dem Stand eine Beratungszone „Arburg Solution World“ zu „Themen, die uns allen unter den Nägeln brennen, sowie zukunftsfähige digitale Produkte und Services“, so Hehl.

„Expert Corners“ nennt Spritzgießmaschinenbauer Engel Austria sein analoges Wissenstransfer-Angebot in Halle A5, Stand 5203. Besucher sind eingeladen, sich „von den aktuellen Entwicklungen inspirieren“ zu lassen. Und auch Wettbewerber Sumitomo Demag (Halle B1, Stand 1105) stimmt diese Töne an: „Anhand von Live-Exponaten können die Besucher erkunden, wie digitale Funktionen, Automatisierung und Konnektivität den Verarbeitern helfen können, mehr aus ihren Anlagen zu holen.“ Der Hersteller präsentiert ausschließlich vollelektrische Maschinen.

Zukunftsfähige Spritzgießtechnologien, die schon jetzt einen Mehrwert bringen – das sind die Themen der Fakuma 2024. Was lässt sich nutzbringend wie umsetzen? Wer also in Friedrichshafen Spritzgieß-Gesamtlösungen studieren und dazu Exponate beobachten will, braucht nicht weiterzulesen. Er plant das Richtige. Außer er will sich gleich noch motivieren lassen. Hier ist eine Auswahl nichtrepräsentativer Messe-Exponate, an denen wir im Vorfeld hängen geblieben sind, kurz und knapp angerissen.

Exponate als Vorzeigeprozesse

Zum Beispiel dieses: Arburg stellt innovatives Papierspritzgießen als Projekt mit Partnern vor. Statt Kunststoffgranulat verarbeitet die Spritzgießanlage sogenannte „Paper Pearls“ zu Positionier-Tools für Möbelverbinder. Das regelungstechnische Feature „aXw Control RecyclatePilot“ sorge für stabiles Schussgewicht. Das exotisch anmutende Beispiel lässt erahnen, was alles denkbar werden wird an Prozessen und Anwendungen für mehr Nachhaltigkeit.

Wittmann Battenfeld in Halle B1, Stand 1204, hat sich vor zwei Jahren auf ein Großprojekt gestürzt, das in Zukunft wichtig werden könnte: die mit Gleichstrom operierende Spritzgießzelle. Sie bietet die Chance, erneuerbaren Strom aus werkseigener Photovoltaik direkt in der Produktion zu nutzen. Die Technologie der Wittmann Group ist nun einen Schritt weiter: Wurden im Vorjahr die Spritzgießmaschine (SGM) und der Roboter mit DC betrieben, so kann nun auch das Temperiergerät über den Gleichspannungs-Zwischenkreis der Maschine gespeist werden. Weitere DC-fähige Peripheriegeräte seien geplant.

Das dafür vorgesehene Exponat ist so clever, dass es gleich eine zweite Botschaft transportiert: Die DC-Insiderzelle besteht aus vollelektrischer Spritzgießmaschine EcoPower B8X, Linearroboter WX142 und Temperiergerät Tempro plus DC. Sie produziert das Gehäuse eines neuartigen, innovativen Steckverbinders, der in der SGM selbst verbaut ist.

Dieser Harting-Steckverbinder verbindet das Tempro plus DC nach einem aktiven Konzept: Ein integriertes elektronisches Verriegelungsmodul erlaubt das Ziehen des Steckers nur, wenn die Maschinensteuerung das Signal dazu gibt. Die Botschaft: Wo bisher feste Verkabelungen aus Sicherheitsgründen nötig waren, reicht ein Steckverbinder. Dies erleichtert das Plug & Play von Anlagen, das sich Wittmann als Komplettanbieter für Spritzgieß-Equipment auf die Fahnen geschrieben hat.

Der Fortschritt ist digital

Solche Vereinfachungen für Bediener sind gefragt angesichts des Fachkräftemangels. Nahezu alle Maschinenhersteller können digitale Fortschritte vorweisen, die diesem Ziel dienen. Als holmlose SGM präsentiert Engel beispielsweise eine Victory 160, die Fittings fertigt. Eine vergrößerte Aufspannplatte ermöglicht schnelle Werkzeugwechsel und erhöht die Produktivität. Damit die Werkzeugwechsel reibungslos funktionieren, unterstützt den Bediener ein integrierter digitaler Rüstassistent. Er soll Fehlerquellen eliminieren und so die OEE steigern, die Gesamtanlageneffektivität. Auch diese Maschine wird in Live-Demonstrationen mit schnellen Werkzeugwechseln zu sehen sein.

Sumitomo Demag verspricht mehr Datentransparenz durch einen „digitalen Prozessbegleiter“. Das Feature nennt sich „myAssist“ und soll tieferen Einblick in den gesamten Spritzgießprozess gewähren. Zu den Funktionen gehören leicht ablesbare Dashboards, Verbrauchsdaten und KPIs, die alle vom Anwender definiert werden. Mit myAssist wird es möglich, „Daten über mehrere Maschinen hinweg aus allen von OPC-UA gefilterten Quellen zu aggregieren“ und zu überwachen. Die Produktionsfaktoren rücken gesammelt in den Blick.

Nicht jeder Maschinenbauer will alle Probleme selbst lösen. Dr. Boy, Hersteller von Spritzgießautomaten mit bis 1250 kN Schließkraft, bringt die Lösung eines Partnerunternehmens mit auf den Messestand (Halle A7, Stand 7101), um weniger erfahrenen Bedienern auf die Sprünge zu helfen. Die Vorankündigung beginnt so: „Plötzlich gibt es eine Störung. Das Teil wird nicht voll ausgespritzt, eine Heißkanaldüse ist zu oder es tritt Grat auf. Da kommt ein erfahrener Bediener nicht ins Schwitzen. Bei unerfahrenen Quereinsteigern ist das anders …“ Damit kein Chaos mit teurem Schaden entsteht, empfiehlt Boy den „MoldGuide“ von Tech2Know (Halle B2, Stand 2206), der zur Selbsthilfe anleitet.

„MoldGuide“ verhilft zur Selbsthilfe

Diese Cloud-basierte Lösung sammelt Bedieninformationen zu Betriebsmitteln wie Spritzgießwerkzeugen. Im Bedarfsfall können die Beschäftigten schnell die dort hinterlegten Lösungen abrufen und auch ihre Erfahrungen, Tipps und Tricks ablegen. „Effiziente Wissensvermittlung und das gelebte Speichern von Wissen werden zum unternehmerischen Erfolgsfaktor“, kommentiert Dr. Marco Thornagel den MoldGuide, Inhaber von Tech2Know.

Dr. Boy kommt mit sechs Exponaten auf den Stand, darunter der neuen Baureihe Boy Electric. Auch zur Verarbeitung von Rezyklat kann der Maschinenhersteller berichten, wie eine Kooperation mit geeigneten Partnern zum Erfolg führt(e): Für das Exponat eines nachhaltigen Kleiderhakens suchten die Rheinländer ein Material. Rezyklate in reproduzierbarer Qualität „sind und bleiben Mangelware“, mussten sie erfahren.

Unterstützung fanden sie bei der lokal nahen Re-Strap GmbH, die ein System zum Sammeln und Wiederverwerten von Umreifungsbändern betreibt. Diese Verpackungsbänder landen üblicherweise im Abfall und damit in der Verbrennung. Bei Re-Strap werden sie vorzerkleinert, gereinigt und zu Rezyklat verarbeitet (PET, PP). Die Boy-Automaten können es „ohne großen Aufwand“ wie Regranulat verarbeiten. Mit etwas mehr Aufwand gelang es Boy sogar, das Rezyklat in Form von Flakes zu verarbeiten – und damit den Energiebedarf im Recycling um 60 % zu verringern. Das lohnt sich.

Kunststoff-Abfall wird Rohstoff

Abfall wird Rohstoff. Das möchte auch KraussMaffei mit dem „Turtle-Projekt“ demonstrieren, das der Maschinenbauer mit Partnern realisiert hat (Halle A7, Stand 7303). Leicht und mit glänzender Oberfläche entsteht auf der Messe eine kleine, blaue Schildkröte im Mehrkomponenten-Spritzguss. Ihr Kern ist aus einem mechanisch recycelten PC/ABS – könnte aber auch aus geschäumtem Rezyklat bestehen, heißt es. Die Außenhaut ist aus chemisch recyceltem ABS.

„Durch den vermehrten Einsatz von Rezyklaten rückt die Sandwich-Technologie wieder stärker in den Fokus und birgt großes Potenzial“, erläutert Manuel von Varchmin, verantwortlich für den Vertrieb Spritzgießtechnik und Automation bei KraussMaffei. Dass es funktioniert, schreibt von Varchmin auch der präzisen vollelektrischen Spritzgießmaschine PXZ 121 Multinject zu: „Das einfache Umschalten von Haut- zu Kernschmelzestrom sorgt für Flexibilität bei gleichzeitig hoher Qualität.“ Die Funktion APCplus der Maschine tue ein Übriges: Sie regle den Spritzgießprozess gezielt für das in der Datenbank hinterlegte Material aus. Auch hier wieder: Das Digitale bringt den Mehrwert.
www.fakuma-messe.de

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