Viele Tätigkeiten in der Produktion sind für die Gesundheit der Werker eine Herausforderung. Doch es gibt Technologien, die für Entlastung sorgen können, wie das Online-Forum „Cobots und Exoskelette“ gezeigt hat – veranstaltet von der Fachzeitschrift Industrieanzeiger und der Technology Academy der Deutschen Messe AG.
Die kollaborativen Roboter erobern langsam aber stetig viele Einsatzgebiete in der Fertigung, hob dabei Björn Milsch, General Manager von Onrobot in seinem Vortrag hervor. Die Cobots bieten eine Reihe von Vorteile gegenüber den klassischen Industrierobotern. Sie lassen sich flexibel einsetzen, Schutzzäune sind nicht nötig. Und vor allem: Ihre Programmierung ist relativ einfach und nicht nur Experten vorbehalten.
Mit einfachen Projekten starten
Wie sich kollaborative Roboter in der Praxis einsetzen lassen, zeigte André Hengstebeck, strategischer Projektmanager für Digitalisierung und Industrie 4.0 beim Anwenderunternehmen Albrecht Jung. Dort unterstützen Cobots die menschlichen Mitarbeiter zum Beispiel in Schraubprozessen.
Laut Hengstebeck gibt es eine Reihe von Lessons learned, die sich aus den bisherigen Erfahrungen ziehen lassen. Dazu zählt, dass Anwender die Hürden niedrig halten sollten, wenn sie starten. Projekte mit geringer Komplexität eigneten sich eher für den Einstieg in das Thema Cobots, so Hengstebeck. Außerdem sei es wichtig, die Mitarbeiter, alle relevanten Abteilungen sowie den Betriebsrat frühzeitig in die Planungen einzubinden.
Wenn Roboter ohne Schutzzaun mit dem Menschen zusammenarbeiten, kommt dem Thema Sicherheit eine besonders große Bedeutung zu. Eine wichtige Norm in diesem Zusammenhang ist die ISO TS 15066. Wie sich vor allem die Anlage A, in der es um biomechanische Grenzwerte geht, richtig interpretieren lässt, erklärte Andreas Schunkert, Head of Technical Support Western Europe bei Universal Robots.
Eine seiner Botschaften: Anwendungen müssen auch in Sachen Sicherheit individuell betrachtet werden. „Man sollte keine Äpfel mit Birnen vergleichen“, so Schunkert. An eine Applikation, die 24/7 mit dem Werker Seite an Seite läuft, müsse ein anderer Maßstab angelegt werden als an eine Anwendung, „bei der der Werker alle fünf Stunden vorbeikommt, ein Tray auswechselt und wieder geht“.
Wenn Automatisierung an Grenzen stößt
Eine andere Technologie, um die menschlichen Werker zu unterstützen, sind Exoskelette. Sie waren neben den Cobots das zweite große Thema des Online-Forums.
Die Entwicklung bei Exoskeletten hätte mittlerweile einen beachtlichen Stand erreicht, berichtete Samuel Reimer, der bei Ottobock für Business Development & Product Management zuständig. So leisten die Technologien laut Reimer dort wertvolle Dienste, wo die Automatisierung an ihre Grenzen stößt. Ein Beispiel dafür ist die Endmontage in der Automobilproduktion, wo das Auto nur mit großen Aufwand gedreht werden. Weitere Einsatzgebiete für Exoskelette sind die Wartung von Flugzeugen oder das Bauhandwerk.
Bevor in Exoskelette investiert wird, ist jedoch zunächst eine Analyse der Arbeitsplätze notwendig, an denen sie eingesetzt werden sollen. Professorin Carmen Constantinescu vom Fraunhofer IAO arbeitet dabei mit dem digitalen Zwilling. Auf dieser Basis lässt sich zunächst der Ist-Zustand eines mensch-zentrierten Arbeitsplatzes erfassen – inklusive der ergonomischen Bedingungen. Simulationen zeigen dann, wie ein Exoskelett integriert und der Arbeitsplatz optimiert werden kann.
Die Verbesserung der Ergonomie und die positiven Folgen für die Gesundheit sind laut Constantinescu die wichtigsten Faktoren für die Akzeptanz der Technologie. Wenn die Menschen dies erkennen, würden auch die Exoskelette angenommen.
Mehr Intelligenz und Vernetzung
Die Forscherin erwartet, dass Exoskelette künftig einfacher zu nutzen sein werden, wenn zum Beispiel die Einstellungen für jeden einzelnen Mitarbeiter vorab gespeichert werden können. Außerdem geht sie davon aus, dass die Technik mit zunehmend mehr Intelligenz ausgestattet und mit anderen IT-Systemen wie etwa Manufacturing Execution Systems (MES) verknüpft werden kann.
Auch Reimer von Ottobock rechnet mit einer stärkeren Vernetzung der Exoskelette mit anderen Systemen und Maschinen. Er erwartet außerdem, dass die Geräte dem Nutzer künftig Feedback geben werden über seine eigene Performance und Effizienz.
Kollaborative Roboter werden sich in Zukunft ebenfalls einfacher nutzen lassen, so der Tenor bei den Cobot-Experten. So geht Schunkert davon aus, dass es gerade in Sachen einfache Programmierbarkeit noch große Fortschritte geben wird.
Grundsätzlich würden Cobots die Fabriken künftig „mehr und mehr durchdringen“, so Milsch. „Wir stehen erst am Anfang der kollaborativen Applikationen.“
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Wer Cobots und Exoskelette in der Praxis erleben möchte, kann dies auf der Nachfolgeveranstaltung zum Online-Forum tun. Diese findet am 14. Juli in der Technology Academy in Hannover statt. Weitere Infos:
www.technology-academy.group/project/‧forum-cobots-und-exoskelette