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TE Connectivity: „Noch wird nur automatisiert, nicht autonomisiert“

TE Connectivity
„Noch wird nur automatisiert, nicht autonomisiert“

Firmen im Artikel
In puncto Datenverbindungen und Internet kann Deutschland noch von anderen Nationen lernen, meint Dr. Thomas Paral, F&E-Leiter bei TE Connectivity. Im Gespräch erklärt er, wie sich der Steckverbinderhersteller für die Zukunft rüstet.

Herr Dr. Paral, Sie leiten den Bereich Advanced Technology. Woran arbeiten Sie genau?
Advanced Technology beschäftigt sich mit disruptiven Produkt- und Prozesstechnologien, die wir in den nächsten fünf Jahren als neue Produkte in den Markt beziehungsweise in unsere Produktion einführen. Ein zweiter Schwerpunkt sind neue Geschäftsmodelle, die sich vor allem durch die zunehmende Digitalisierung im industriellen Umfeld ergeben oder ergeben könnten. Als Grundlage bedienen wir uns aus dem neu aufgestellten Technologie- und Trendmonitoring: Hier screenen wir mit unserem globalen Netzwerk Trends und neue Technologien, die wir intern bewerten. Eine schnelle Umsetzung in funktionale Konzeptstudien hilft uns, die Diskussion mit unseren Kunden zu führen, ob diese Technologien für sie interessant sind und welchen Mehrwert wir unseren Kunden damit bieten können.
Was sind für Sie bestimmende technologische Trends, an denen Sie Ihre Forschung ausrichten?
Speziell die produzierende Industrie sieht sich neben den globalen Herausforderungen – also Kostensenkungen, schnellere Lieferzeiten und immer kürzere Entwicklungszyklen, hohe Qualität und eine lange Lebensdauer – zunehmend mit dem Thema Digitalisierung konfrontiert. Das bedeutet, eine traditionell Maschinenbau-geprägte Industrie muss sich mehr und mehr mit integrierter Elektronik und Software beschäftigen. Die Unternehmen stehen damit vor mehreren Herausforderungen: Der technischen Herausforderung Kompetenzen für die mechatronische beziehungsweise integrierte elektronische Produktentwicklung aufzubauen, der prozessualen Herausforderung existierende, meist mechanisch-lastige Prozesse im Unternehmen anzupassen und neue Prozesse im Unternehmen zu installieren sowie der marktbezogenen Herausforderung, diese neuartigen Produkte in den Markt und an den Kunden zu bekommen.
Was bedeutet die Digitalisierung für TE Connectivity?
Zunehmende Digitalisierung heißt auch mehr und neuartige Connectivity. Neben der bestehenden passiven Verbindungstechnik sehen wir zunehmend aktive und mobile Bedarfe der Konnektivität. Das Internet der Dinge erweitert die Bedarfe über die Unternehmensgrenzen hinaus in ein neues weltweit vernetztes Ökosystem, das manuelle standardisierte Abläufe durch die Integration von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen autonom erledigt. Somit haben die Menschen mehr Zeit, sich den komplexen Aufgaben zu widmen. Das bedeutet wiederum, dass mehr Sensoren in Kombination mit intelligenten, meist elektronischen Lösungen in unseren Alltag Einzug halten werden.
In welchen Bereichen wird es kurz- bis mittelfristig Innovationen bei TE Connectivity geben?
Wir sehen uns als Vorreiter im Bereich Smart Connectivity. Mit Ariso haben wir ein kontaktloses kombiniertes Daten- und Energieübertragungssystem im industriellen Umfeld eingeführt. Damit haben wir gezeigt, dass auch im Maschinen- und Analgenbau die Integration von Elektronik auf kleinstem Bauraum auf Komponentenebene zuverlässig eingesetzt werden kann. Aktive Connectivity und integrierte Sensorik sind Themen mit denen wir uns genauso beschäftigen wie subtraktive Fertigungsverfahren und Anforderungen an neue digitale Geschäftsmodelle.
Welche Rolle spielt das Thema Wireless im Konnektivitäts-Umfeld?
Mobile Kommunikation ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Unsere Kinder wachsen mit diesen neuen Medien auf und fordern die Vorteile der ständigen Informationsverfügbarkeit auch im beruflichen Umfeld ein. Dort wo heute die traditionelle kabelgebundene Verbindungstechnik führend ist, wird die mobile Connectivity zunehmend eingesetzt. Neue Technologien wie mobile Roboter werden zukünftig nicht mit kabelgebunden System verbunden. Wireless, egal ob die nahe kontaktlose oder die mobile Kommunikation, wird im industriellen Umfeld heute schon eingesetzt und wird mit der zunehmenden Digitalisierung auch zunehmend nachgefragt.
Wird das Thema Wireless in Deutschland unterschätzt?
Die Besonderheit des Maschinenbaus und der Bedarf nach einer echtzeitfähigen Kommunikation zur exakten Steuerung von automatisierten Abläufen stützt sich vor allem auf die Interoperabilität und Standardisierung. Dabei wird vernachlässigt, dass die Vielfalt der heute am Markt verfügbaren Steuerungen für den Anwender nicht immer kompatibel ist. Proprietäre Systeme und Kommunikationsprotokolle führen dazu, dass drahtlose Lösungen als autonome Zusatzsysteme zur Optimierung der Gesamtanlageneffektivität (OEE) bereits heute in den Produktionsstätten weltweit zu finden sind. Bei der Nachrüstung dieser Systeme ist die Verkabelung und die Integration in bestehende Prozesssteuerungen kein Thema. Aber auch hier geht die Entwicklung weiter: Mit 5G steht eine Technologie vor unserer Tür, die eine echtzeitfähige kabellose Kommunikation verspricht.
Sie beobachten Technologietrends global, also auch in China oder den USA: Wo ist Deutschland gut aufgestellt? Und wo haben die anderen mehr Speed?
Deutschland ist nach wie vor führend im Maschinenbau. Zuverlässige und qualitativ hochwertige Produktionsmaschinen und Produktionsanlagen sind weltweit gefragt und stellen einen großen Anteil am Export dar. In den Bereichen Informationstechnologie und deren Integration in den Maschinenbau sind uns Nationen mit einer offenen und ergebnisorientierten Mentalität voraus.
In Sachen Daten und Internet sind ja die USA führend: Was muss sich in Deutschland ändern, damit wir den Anschluss nicht verpassen?
In Deutschland herrscht nach wie vor eine Null-Fehler-Kultur, wohin in den USA eine Fehlerkultur gelebt wird. Ein Scheitern ist Ansporn, beim nächsten Mal alles besser zu machen. Das wird auch gesellschaftlich anerkannt. Die offene Entwicklungskultur, die lösungs- und mehrwertorientiert anstatt ergebnisorientiert durchgeführt wird, sehen wir zunehmend auch in Start-up-Unternehmen in Deutschland. Die Einbindung solcher Start-ups in bestehende Organisationen mit einem direkten Kundennetzwerk kann die Entwicklung in Deutschland nachhaltig positiv beeinflussen. Ein gutes Beispiel stellt die künstliche Intelligenz (KI) dar. Viele Unternehmen schauen bei dieser Technologie in die USA und vernachlässigen dabei, dass es auch in Deutschland gute und vielversprechende Unternehmen im Bereich KI gibt, die sich seit Jahren im Markt etabliert haben.
Wie stellt sich ihr Unternehmen auf Industrie 4.0 ein?
Wir haben vor Jahren angefangen, IT in die Unternehmensprozesse zu integrieren, um die digitale Transformation im eigenen Unternehmen umzusetzen. Darin sind auch unsere weltweiten Produktionsstätten integriert. Mit unserer „Smarter Factory“ zeigen wir unseren internen und externen Kunden den Mehrwert unserer Connectivity- und Sensing-Lösungen im realen Umfeld. Gleichzeitig lernen wir, welche Herausforderungen neue Produktions- und Logistikkonzepte an die Verbindungstechnik und Sensorik von morgen stellen.
Verkaufen Sie künftig noch Stecker oder Konnektivität?
Das ist eine gute Frage. Als globales Unternehmen verkaufen wir bereits heute Konnektivität. Wie sich diese ändert und ob sich diese ändert werden wir in Zukunft sehen.
Wie können Sie Konnektivität in die virtuelle Welt bringen? Braucht man TE Connectvity überhaupt in der Welt der „virtuellen Schatten“?
Alle Daten, die ein digitaler Zwilling oder ein cyberphysikalisches Objekt in Echtzeit zur Verfügung stellen soll, müssen erfasst und in nutzbare Information transformiert werden. Steckverbinder und Sensoren stellen die Verbindung von der physischen in diese Informationswelt dar. Die Intelligenz des Netzwerks stellt auf dieser Basis die virtuelle Verbindung der „virtuellen Schatten“ über existierende Connectivity-Lösungen sicher.
Wie bewerten Sie die allgemeine Industrie-4.0-Diskussion in Deutschland?
Die derzeitige Diskussion ist aus meiner Sicht sehr theoretisch getrieben. Der eigentliche Mehrwert für den Anwender wird oft nicht oder nicht ausreichend vermittelt. Es werden viele Lösungen präsentiert, die aus meiner Sicht nach wie vor die Automatisierung und nicht die Autonomie des Produktionsprozesses zum Ziel haben.
Ist überall Industrie 4.0 drin, wo Industrie 4.0 drauf steht?
Die Themen Reduzierung von Stillstandzeiten, Erhöhung der Produktivität, Senkung der Herstellungskosten sind klare Inzidenzen für eine Automatisierungsdiskussion. Wenn wir über Industrie 4.0 sprechen, sollten auch Themen wie autonome Produktion, also „closed loop“ in Echtzeit mit Lebenslaufinformationen zur Optimierung des Kundennutzens auftauchen. Diese Punkte sehe ich zu wenig in den derzeitigen Diskussionen und Industrie-4.0-Lösungen.
Wie weit sind Ihre Kunden, etwa Maschinenbauer, beim Thema Industrie 4.0?
Industrie 4.0 ist ein globales Thema, das sich über die gesamte Wertschöpfungskette und den gesamten Produktlebenszyklus erstreckt. Der Maschinenbaumarkt ist ein sehr fragmentierter Markt, der vom Mittelstand geprägt ist. Einige Firmen haben sich dem Thema aktiv angenommen und bereits Konzepte integriert. Von einer ganzheitlichen Integration über die gesamte Wertschöpfungskette hin zu einer vollständigen Nachvollziehbarkeit oder Simulation von Produkten und deren Komponenten ist es aber noch ein weiter Weg.
Was erwarten Maschinenbauer von Ihnen?
Natürlich sprechen wir mit unseren Kunden über kleinere, hybride und kostengünstigere Verbindungslösungen. Durch die Übernahme des Sensorherstellers Measurement Specialities kommen mehr und mehr Anfragen zur Integration von Sensoren, die unsere Kunden befähigt, Daten zu erfassen und in eignen oder anderen Plattformen in nutzbare Informationen umzuwandeln. Dabei stehen meistens die Themen vorausschauende Wartung und Vermeidung von unvorhergesehenen Stillstandszeiten im Fokus.
Das Gespräch führten: Armin Barnitzke, stellvertretender Chefredakteur Automationspraxis, Andreas Gees, stellvertretender Chefredakteur Elektroautomation, und Nora Nuissl, Redakteurin Industrieanzeiger

Das Unternehmen in Kürze
TE Connectivity ist ein internationaler Hersteller von elektronischen Steckverbindern und Sensoren für raue Umgebungen. Hauptsitz des Konzerns mit US-Wurzeln ist in der Schweiz. Das Unternehmen mit etwa 75 000 Mitarbeitern, davon rund 8000 Ingenieuren weltweit, fertigt vor allem für Kunden im Automobilsektor sowie im Bereich Luft- und Raumfahrt, Verteidigungssysteme, Telekommunikation, Computer- und Unterhaltungselektronik. 2016 erwirtschaftete der Konzern etwa 12,2 Mrd. US-Dollar Umsatz.
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