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Mercedes-Türgriff ist Vorbild für Rezyklat-Einsatz

Türgriffe der S-Klasse sind aus nachhaltigen Kunststoffen
Rezyklat einsetzen – so wie Mercedes-Benz

Es ist ein Vorzeigeprojekt von Mercedes-Benz und BASF für mehr Nachhaltigkeit: Die Türgriffe der S-Klasse nutzen chemisch recycelte Kunststoffe und Biomethan als Rohstoffe – sind aber weiterhin aus glasfaserverstärktem Polyamid. Die Idee dahinter ist das Massenbilanz-Verfahren des Chemiekonzerns – und wird zum Nachahmen empfohlen von den Partnern.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

Seit Ende 2022 ist der nachhaltige Türgriff der Mercedes-Benz S-Klasse in Serie und wird so produziert: zu 40 % aus Pyrolyseöl, das durch chemisches Recycling von Altreifen gewonnen wird, und zu 60 % aus organischen Abfällen, die zu Biomethan verarbeitet werden. Der Clou dabei ist das Massebilanz-Verfahren der BASF: Der Kunststoffhersteller schleust die nachhaltigen Materialien in dem Maß in den Produktionsprozess ein, wie sich damit fossile Rohstoffe ersetzen lassen. Das Ergebnis ist ein in den Eigenschaften unverändert neuwertiger Werkstoff – im Falle des Türgriffs ein Polyamid 6 mit 30 % Glasfaserverstärkung (PA6/GF30). Nur dass sein Rohmaterial nicht aus fossilen Quellen stammt.

Erstmals vorgestellt wurde das Nachhaltigkeitsprojekt auf der Kunststoffmesse K2022 im Oktober. „Das ist kein Greenwashing“, bekräftigt Oliver Geiger seither immer wieder, Sustainability Manager für Automobilanwendungen bei der BASF. „Einen sehr hohen Aufwand verursachte die Zertifizierung.“ Denn die Buchhaltung der Rohmaterialien muss stimmen, alle Beteiligten wurden dazu extern auditiert. Die größte Herausforderung für Mercedes-Benz war es, so Projektleiter Daniel Braun, den „Materialwechsel ohne Eigenschaftsänderung“ sicherzustellen. Denn ein Türgriff der S-Klasse muss höchste Anforderungen erfüllen – an Festigkeit und Robustheit ebenso wie an seine Lackierfähigkeit.

Hochwertiger Kunststoff – aber nachhaltig

Genau hier liegt der Vorteil der Methode: Mechanisch recycelter Kunststoff hätte die Anforderungen des Türgriffes nicht erfüllen können. Der via Massebilanz-Verfahren produzierte Werkstoff PA6/GF30 weist technisch jedoch exakt dieselben Eigenschaften auf wie aus fossilen Quellen hergestellter Kunststoff – die BASF muss dafür nur ihre Produktion entsprechend justieren. Für den Kunststoffverarbeiter ändert sich nichts – abgesehen davon, dass Mehrkosten für das nachhaltige Material anfallen.

Wobei die Türgriff-Mischung aus 40 % Pyrolyse-Öl und 60 % Biomethan keineswegs fix ist. Auf der K2022 lud Geiger die Messebesucher ein, an einer Demo-Konsole spielerisch selbst nachhaltige Komponenten kreativ zu kombinieren – und zu sehen, was dabei herauskommt. Dies könnte die Vorgehensweise der Wahl für jede neue Nachhaltigkeitsanwendung sein. Beim Türgriff wurde nach der Zertifizierungsmethode „REDcert2“ ein um 18 % reduzierter CO2-Fußabdruck ermittelt. Der Anteil des (chemisch recycelten) Sekundärrohstoffs am Griff liege bei 27 % – der Rest setzt sich aus Biomasse (Biomethan) und Glasfaserverstärkung zusammen.

Altreifen zurück im Kreislauf

Dieses Projekt „Go!Create – vom Altreifen zum Türgriff“ hatte Vorzeigecharakter für beide Partner – mit Vorbildfunktion. Ein halbes Jahr nach Produktionsstart stellten Braun und Geiger es im Juni 2023 auf dem VDI-Kongress „Plastics in Automotive Engineering“ (PIAE) in Mannheim vor – und zögerten nicht, es dem Fachpublikum für eigene Nachhaltigkeitsziele zu empfehlen. Die BASF möchte das Programm mit massebilanzierten Kunststoffen ausbauen. Oliver Geiger: „Ziel ist es, das chemische Recycling überall dort einzusetzen, wo mechanisches Recycling nicht möglich ist.“

„Wir wollen Sie zum Mitmachen anregen“, sagte auch Daniel Braun von Mercedes-Benz zum Fachpublikum der PIAE. Zuvor schon hatte er für Mercedes-Benz weitere Aktionen angekündigt: „Mit größeren und Sicherheits-Komponenten wollen wir zeigen, dass sich die Technologie für alle Teile nutzen lässt.“

Pyrolyseöl und Biomasse auch im Crash-Absorber

Inzwischen sind auch die EQE- und EQS-Modelle des Autobauers mit dem nachhaltigen Bügeltürgriff ausgestattet, zusätzlich hat die S-Klasse einen Crash-Absorber aus der Pyrolyseöl/Biomethan-Kombination erhalten. Markus Schäfer, Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group, im März 2024: „Wir beabsichtigen, jährlich mehrere hundert Tonnen Altreifen chemisch recyceln zu lassen und das Kunststoffmaterial in unsere Neuwagen zurückzuführen. Mit unseren Partnern schließen wir so den Kreislauf.“

Rund zwei Jahre lagen zwischen Projekt- und Produktionsstart. Das ist nicht viel, da genau genommen vier Partner sich auf den neuartigen Wertstoffkreislauf einstellen und auditieren lassen mussten: Pyrum Innovates erzeugt das Pyrolyseöl aus Altreifen für die BASF, Witte Auto­motive produziert den Türgriff als Zulieferer. Das transparente Einbinden aller nennt Daniel Braun von Mercedes-Benz daher auch das Erfolgsrezept: „Wir sind das Projekt ganzheitlich angegangen und haben die gesamte Prozesskette betrachtet. Und das empfehle ich auch: Nehmen Sie alle Partner mit auf den Weg.“

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