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Siemens setzt auf die Blockchain

Blockchain sichert Tool-Management bei Wiederinstandsetzung von Kraftwerken
Siemens bringt Transparenz in die Lieferkette

Firmen im Artikel
Siemens setzt auf die Blockchain. Mithilfe der Technologie digitalisiert der Konzern sein Tool-Management und spart Kosten.

❧ Markus Strehlitz

Der Hype ist groß rund um die Blockchain. Die Technologie könnte Transaktionen künftig sicherer machen. In vielen Branchen bietet sich Potenzial für ihren Einsatz. Doch konkrete Projekte sind eher Mangelware.

Umso interessanter ist es daher, wenn Unternehmen tatsächlich schon mit der Blockchain arbeiten und über ihren Einsatz berichten. Dazu zählt Siemens. Der Technologiekonzern nutzt die Blockchain im Supply-Chain-Management (SCM) – genauer gesagt für das Tool-Management bei der weltweiten Wiederinstandsetzung von Kraftwerken.

Den Impuls dazu gab eine Initiative aus dem SCM-Diginetwork, einem konzernweiten und selbstorganisierten Zusammenschluss von Digitalisierungs-Enthusiasten, die entsprechende Lösungen konzipieren und umsetzen.

Im Tool-Management, für das die Blockchain eingesetzt wird, geht es um ein breites Spektrum an Geräten und Werkzeugen – vom einfachen Akku-Schrauber bis zur CNC-Maschine, die mehr als eine Million Euro kostet. „Diese Tools kommen in einen Container und werden an ihren Einsatzort geschickt – zum Beispiel nach Abu Dhabi oder Singapur“, erklärt Thomas Holzner, der das Diginetwork 2017 ins Leben rief. „Dann wird das Kraftwerk gewartet und der Container kommt zurück.“

Aus dem Akku-Schrauber wird ein Hammer

Doch sowohl die Zusammenstellung der Retour-Container als auch der Zustand der einzelnen Werkzeuge unterscheidet sich erheblich von den Sendungen, die zuvor an den Einsatzort geschickt wurden. „Aus dem Akku-Schrauber ist dann vielleicht ein Akku-Hammer geworden, weil er nicht mehr voll funktionsfähig ist. Oder bei der CNC-Maschine fehlt die Steuerung“, berichtet Holzner.

Anzahl und Zustand der verpackten, transportierten und empfangenen Tools wurden von den involvierten Akteuren bisher handschriftlich festgehalten. Doch die manuelle Dokumentation funktioniert laut Holzner „nicht immer sehr gut“. Daher setzt Siemens die Blockchain-Technologie ein, um die Integrität des nun digitalisierten Prozesses sicherzustellen.

Wenn etwa ein Transportauftrag generiert wird, wird dieser automatisch in die Blockchain geschrieben. So haben alle beteiligten Partner – wie etwa das Logistikunternehmen – Zugriff auf das Dokument und auf alle Papiere, die mit der Fracht verknüpft sind. Alle Änderungen werden für alle Befugten sichtbar festgehalten.

Über eine App, die mit der Blockchain verknüpft ist, lässt sich nachvollziehen, wo sich ein Werkzeug gerade befindet. „Wenn man zum Beispiel fünf Werkzeugkoffer verschickt, dann möchte man natürlich sicherstellen, dass auch fünf und nicht nur drei zurückkommen“, erklärt Holzner. Durch die Blockchain werde dies sauber dokumentiert.

Weg der Werkzeuge ist nachvollziehbar

„Man kann darüber hinaus auch jederzeit erkennen, dass ein Tool etwa noch beim Zoll ist – oder schon im Flieger. Und man weiß, dass in den Werkzeugkoffern, die zurückkommen, zum Beispiel die Bohrer nachgeschärft werden müssen oder ein Gabelschlüssel verbogen ist“, so Holzner weiter. Allein diese Möglichkeit helfe schon ungemein. „Man muss sich nur mal vorstellen, wie viele Millionen Teile bei uns unterwegs sind.“

Dann zitiert der Siemens-Mann einen Lieferanten, der bei einem Luftfrachtprojekt beteiligt ist. Dieser habe ihm einmal gesagt: „Das ist ein Quantensprung hinsichtlich Transparenz. Ich weiß immer, wo beispielsweise der Computertomograph ist. Ich muss nicht dauernd nachfragen oder nachschauen.“

Natürlich werde kein Teilnehmer in der Blockchain dokumentieren, dass er einen Lötkolben entwendet hat, so Holzner. „Es kann allerdings nun – ohne Zweifel – überprüft werden, wann der dazugehörige Datenfluss abriss.“

Wichtig ist seiner Meinung nach, dass die Nutzer von der Blockchain nicht überfordert würden. Dabei zieht er den Vergleich mit verschlüsselten E-Mails: „Wie genau die Verschlüsselung funktioniert, wissen die wenigsten – der Vorteile ist sich aber jeder bewusst.“

Weniger Administrationskosten

Die Vorteile der Blockchain lassen sich auch konkret messen. Holzner berichtet von deutlichen Einsparungen, die sich durch den Einsatz der Technologie erreichen lassen.

Einsparungspotenzial ergibt sich etwa bei den Administrationskosten. So berichtet das Logistikunternehmen Maersk, dass diese bei einem Containertransport auf der Kurzstrecke höher seien die physischen Transportkosten. Und mithilfe der Blockchain ließen sie sich deutlich reduzieren. Maersk beschäftigt sich ebenfalls in einem Projekt mit der Blockchain und arbeitete dabei wie Siemens mit IT-Anbieter IBM zusammen.

„In anderen Projekten, in denen es um Dokumentationen von Luftfracht geht, sind manchmal bis zu neun verschiedene Partner involviert. Da muss relativ viel Papier mitgeschleppt werden – etwa Dokumente für den Zoll, für den Flughafen oder Sicherheitspapiere“, sagt Holzner. Wenn man dafür eine Blockchain nutzt, müssten aber nicht alle Dokumente mitgeschickt werden. „Letztlich geht es ja nur um den Hash. An diesem lässt sich erkennen, ob ein Dokument verändert wurde. Das Dokument selbst kann dann an einem anderen Ort liegen“.

Neben der Verfügbarkeit erhöht die Blockchain auch die Verlässlichkeit von Daten und Dokumenten, da diese – einmal auf der Blockchain gespeichert – weder gefälscht noch unzulässigerweise für eine weitere Lieferung verwendet werden können.

Siemens lädt Partner in die Blockchain ein

Siemens nutzt für seine Anwendungen keine Public-Blockchain, wie sie etwa von der Kryptowährung Bitcoin bekannt ist. „Da wir uns im industriellen Kontext bewegen, stehen Performance des Netzwerks sowie die Nachvollziehbarkeit von Erfassung, Auswertung und Änderung der Daten der Blockchain-Teilnehmer im Vordergrund. Wir sprechen daher von einer so genannten private, permissioned Blockchain, wozu wir sukzessive weitere Partner einladen“, so Holzner.

Mittlerweile wurden im Konzern mehr als zehn verschiedene industrielle Blockchain-Anwendungen umgesetzt. Die Erfahrungen daraus hat Siemens vor kurzem in einem so genannten Universal Asset Passport (UAP) zusammengefasst. Der UAP stellt zukünftigen Projekten eine Toolbox zur Verfügung, aus der auf Basis von Modulen neue Lösungen entwickelt werden können.

Damit lassen sich laut Holzner Entwicklungskosten und -zeiten deutlich reduzieren. Das jüngste Projekt habe daher nur sechs Wochen benötigt.

Die Toolbox deckt bereits viele verschiedene Einsatzszenarien ab – vom Assetmanagement, über Track&Trace und Frachtabwicklung bis zu IoT-Lösungen (Internet der Dinge). „Gemeinsam mit den Kollegen der Siemens Management Consulting haben wir zum Beispiel eine Lösung entwickelt, in der ein Smart Contract die Verwaltung von Tesla-Poolfahrzeugen übernimmt und so die Auslastung erhöht“, berichtet Holzner. „Es werden außerdem Fahrtenbücher auf der Blockchain geführt, Kosten können genauer umgelegt werden und die neu geschaffene Datenbasis ermöglicht ganz neue Nutzungsmodelle.“ Die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain seien vielfältig.

Komplexität des Ökosystems wird unterschätzt

Bei der Entwicklung der Blockchain für industrielle Anwendungen rücken nach Meinung von Holzner zunehmend nicht-technische Fragen in den Vordergrund. Die Technologie habe zwar in zahlreichen Pilotprojekten bewiesen, dass sie funktioniert und einen echten Mehrwert liefern kann. „Industrieweit hat es bisher jedoch nur eine Hand voll Projekte in eine operative Anwendung geschafft.“

In den meisten Fällen liege dies nicht an unzureichender technischer Reife, sondern vielmehr an einer unterschätzten Komplexität des geschaffenen Ökosystems, das Partner enger zusammenbringe als je zuvor. „Blockchain ist eben echter Teamsport“, so Holzner. Sein Team erschließe die Potenziale der noch immer neuen Technologie gemeinsam mit Lieferanten und Logistikdienstleistern sowie mit Unterstützung von Experten aus anderen Bereichen des Konzernes.

Wichtig sei außerdem eine offene Unternehmenskultur. Ideen entstünden überall in der Organisation. Mithilfe des Diginetwork soll ihnen die nötige Aufmerksamkeit gegeben werden. Vor allem in Zeiten, in denen Digitalisierungsexperten mit operativer Erfahrung schwer zu finden sind, liefert eine solches Netzwerk laut Holzner einen wichtigen Mehrwert. „Die Zeiten, in denen Expertenwissen zurückgehalten wird, sind lange vorbei“, sagt Holzner.


Gute Chancen für Deutschland

Der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) sieht die Blockchain als eine wichtige technologische Antwort auf die Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Sie schaffe die Sicherheit und das notwendige Vertrauen für den Austausch von Werten im digitalen Raum, „und dies auf der Grundlage von algorithmisch garantierter Fälschungssicherheit“, sagt Ansgar Hinz, CEO des VDE. „Im globalen Wettbewerb wird die Blockchain eine zentrale Rolle spielen – sowohl in der Wirtschaft wie auch in den unterschiedlichen Gesellschaftssystemen“.

Besonders hierzulande bieten sich große Möglichkeiten. „Deutschland hat das Potenzial, auf dem Gebiet der Blockchain-Technologie zu führen“, so Hinz. „Wir Deutschen haben international den Ruf weg, die Hüter des Datenschutzes und der Datensicherheit zu sein, Blockchain ist unsere Chance.“

Um die gute Ausgangsposition nicht zu verlieren, müssten schnell die Weichen gestellt werden für die Förderung von Forschung und Entwicklung sowie für Geschäftsmodelle. „Deutschland darf bei dieser wichtigen Querschnittstechnologie den Markt nicht anderen überlassen“, macht Hinz deutlich.

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