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Wittmann zeigt Zukunftskonzepte für Spritzguss auf Competence Days

Competence Days 2024 des Komplettausrüsters
Spritzgießtechnik: Wittmann hat die Zukunftsbrille auf

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Die Wittmann Group feierte ihre Competence Days 2024 mit 1000 Gästen aus 37 Ländern in Wien: Der Komplettausrüster konnte selbst 2023 noch mit einem Umsatzplus abschließen. Die Technikschau im Juni präsentierte eine Reihe von Konzepten, die in Zukunft wichtig werden könnten – auch über die allgegenwärtige Digitalisierung hinaus.

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin Industrie

„Es ist kein Geheimnis, dass es in der Kunststoffindustrie noch nicht rund läuft“, sagte Michael Wittmann zum Start der Wittmann Competence Days 2024 am 19. Juni, „aber schon diesen Monat könnte die Wende eintreten.“ Dabei hatte der Geschäftsführer der Wittmann Group nicht einmal schlechte Zahlen bekannt zu geben. Noch 2023 schloss die Gruppe mit einem Umsatz von 400 Mio. Euro ab, einem Plus von 6 %. Obwohl die Nachfrage in die Knie ging. Doch der hohe Auftragsbestand sorgte dafür, dass bis in 2024 hinein mit angepassten Kapazitäten am Limit produziert wurde. „Die Frage taucht schon auf, ab wann wir die Kapazitäten wieder erhöhen müssen.“

Fürs laufende Geschäftsjahr rechnet Wittmann mit einem 10%-igen Umsatzrückgang, erwartet aber eine Erholung des Auftragseingangs im zweiten Halbjahr. Sehr gute Verkaufszahlen meldet die Wittmann-Battenfeld-Niederlassung in Mexiko, die USA haben Deutschland als Absatzmarkt überholt. Der weltweite Mitarbeiterstand liegt bei 2300. Unabhängig von konjunkturellen Schwankungen investiert Wittmann als Komplettausrüster für Spritzgießtechnik weiter – zurzeit in erweiterte Fertigungsstandorte in Ungarn, der Türkei und Indien.

Entwickler arbeiten an Zukunftskonzepten

Nach Jahren, in denen die Österreicher ihren Vertrieb für Spritzgießmaschinen, Peripherie und Automatisierung harmonisierten, ist dieser Prozess nun abgeschlossen. Wittmann und Spritzgießmaschinenbauer Wittmann Battenfeld sind nun eins. Technik und Maschinen stehen auf einem neuen, modernen Fundament. „Wir sind Spritzguss“ ist daraus als Motto und Anspruch entstanden. Das global aufgestellte Unternehmen hat sich den Rücken frei geschaufelt, um über die üblichen Produktverbesserungen hinaus weit in die Zukunft schauen zu können.

Spürbar wird dies an einer Vielzahl von vorausschauenden Entwicklungen, die die Spritzgießexperten in Wien vorstellten, oft noch als „Konzept“ bezeichnet. Die Ingenieure arbeiten an Lösungen, die wichtig werden (können) für Klimaschutz, Ressourcenschonung, Kreislaufwirtschaft und Fachkräftemangel. Ob sie sich so durchsetzen, ist im Voraus nicht klar. Doch der Blick darauf lohnt sich, denn hier kündigt sich die Zukunft an.

MES-System benennt CO2-Fußabdruck des produzierten Teils

Am vorausblickendsten mutet an, dass das MES-System Temi+ in die Lage versetzt wird, die CO2-Last pro Spritzgussteil auszugeben, den „Product Carbon Footprint“ PCF. Dieser Wert ist sehr komplex. In ihn fließen der Energieverbrauch pro Schuss ein und der CO2-Fußabdruck des Rohmaterials selbst. Weil die Transportwege individuell sind, muss der Spritzgießer hier noch ergänzende Angaben machen. Was selbst bei Wittmann erstaunte: Das Material hat einen Anteil von über 80 % am PCF. „Das zeigt, wie wichtig Kreislauf-Materialien sind“, kommentierte Michael Wittmann.

Das Verarbeiten von Kreislauf-Materialien greift ein Projekt auf, in dem das Dosiergerät Gravimax im Mittelpunkt steht: Infrarotsensoren sollen den Gravimax ertüchtigen, das eingespeiste „Post Consumer Rezyklat“ (PCR) zu erkennen und potenzielle Verunreinigungen zu melden. Er warnt den Spritzgießer früh, wenn gelieferte Chargen nicht den Anforderungen entsprechen. Das Konzept muss noch weiter verfeinert werden.

Sonnenenergie speist die Spritzgießanlage

Von der Sonne direkt ins Spritzgussteil: Wo Kunststoffverarbeiter eine Photovoltaik betreiben, profitieren sie von Spritzgießanlagen, die mit Gleichstrom arbeiten können. Wandlungsverluste entfallen dann. Auf der K2022 hat Wittmann das Konzept erstmals vorgestellt und inzwischen mit Partner Innovenergy zur Serienreife entwickelt, inklusive Salzspeicherbatterien als Puffer.

In Wien fertigte eine DC-Spritzgießzelle live einen Deckel aus Polypropylen. Integriert waren das neue Temperiergerät „Tempro plus DC“ und ein Linearroboter WX142 in DC-Ausführung. „Das Teure ist nicht die Anlage, sondern der Aufbau eines parallelen Gleichstrom-Netzes beim Kunststoffverarbeiter“, merkt Wittmann an. „Doch wir haben uns zum Ziel gesetzt, dieses bisher unausgeschöpfte Effizienzpotenzial zu erschließen.“

Ob der Ansatz auf Gegenliebe stößt, hat der Unternehmer nicht in der Hand. Doch er hat griffige Argumente: Grüner Strom aus eigener Produktion verbessert die CO2-Bilanz und macht Firmen autark. Und mit DC-Fertigungsanlagen können sie ihren Strom auch dann nutzen, wenn er wegen Überkapazitäten nicht ins Netz eingespeist werden darf.

Sprachbefehle steuern Spritzgussanlage und Roboter

Viel schneller in die Praxis münden die digitalen Innovationen. Vorne dran das Projekt „Holoverse“. Es lässt Bediener mit Mixed-Reality-Brillen in die Anlagen blicken und ermöglicht Sprachbefehle. Schlüsselkunden testen es bereits. „Das wird kommen“, bekräftigt Wittmann. Holoverse könnte auch den Service erleichtern.

Noch einen Schritt weiter geht die Wittmann-Gruppe mit dem KI-Projekt „Aim4Help“. Hier entsteht ein Helpdesk-Tool: Auf Basis von ChatGPT trainieren Spritzgieß-Experten ein privates neuronales Netz mit allem verfügbaren Wissen inklusive Trouble-Shooting-Guides. Dies ist mühsam, weil Input für die künstliche Intelligenz nur aus dem Unternehmen kommt und nicht aus dem Netz.

KI hilft dem Spritzgießer als Helpdesk

„Wahrscheinlich wird die meisten Serviceanfragen schon die KI beantworten können“, sagt Michael Wittmann voraus. Doch für Aim4Help gibt es tieferliegende Gründe. „Unsere Service-Leute sind die erfahrensten, aber nicht die jüngsten. Und wenn sie in Rente gehen, soll dieses Wissen nicht verloren gehen.“

Bis die KI fit genug ist, müssen die Experten noch viel Zeit investieren. Schließlich soll sie helfen und auf alle Anfragen vernünftige Antworten geben können. Aim4Help ist eines der Zukunftsprojekte. Daneben arbeiten die Entwickler wie üblich an Fortschritten für die Gegenwart. Damit diese nicht zu kurz kommen, sei hier noch auf „Wittmann 4.0“ mit dem „digitalen Werkzeugdatenblatt“ eingegangen.

Die Spritzgießzelle weiß, welche Komponenten sie braucht

Wittmann nutzte früh den Vorteil, alle Komponenten im eigenen Hause verfügbar zu haben und so schnell eine integrierte Spritzgießzelle aufbauen zu können – oder zu modifizieren. „Plug and Produce“ ist das Schlagwort. Ein Live-Szenario demonstrierte es auf den Wiener Competence Days: Eine „Smart Work Cell“ produziert Wäscheklammern. Der Linearroboter und die fünf Peripheriegeräte sind im digitalen Werkzeugdatenblatt registriert. Mathias Pichler von Wittmann Battenfeld klickt einen neuen Datensatz an. Das System meldet ihm zurück, dass es dafür ein weiteres Temperiergerät brauche. Schaltet Pichler es zu, geht’s los.

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