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3D-Druck: Start-up baut Lasersinter-Anlage für jedermann

3D-Druck
Start-up baut Lasersinter-Anlage für jedermann

Ein Schweizer Start-up hat einen hochwertigen 3D-Drucker fürs schmale Budget entwickelt: Die Anlage passt auf einen Beistelltisch, benötigt eine Steckdose und einen Computeranschluss und fertigt vollwertige Lasersinter-Bauteile aus PA12. Sogar ein günstiger Bausatz ist erhältlich.

Dem 1. Platz beim „SwissUpStart Challenge“ im September 2014 folgte gleich darauf ein Erfolg bei einer außergewöhnlichen Crowdfunding-Aktion. „Beides gab uns den Mut, mit unserer Revolution im Fertigungsmarkt durchzustarten“, berichtet Dominik Solenicki, Mitbegründer und CEO der Sintratec AG in Brugg/Schweiz.

Zusammen mit zwei weiteren technikbegeisterten Studenten interessierte er sich bereits 2010 für die Möglichkeiten des Rapid Prototyping als Verfahren, um kleine Spezialbauteile für selbst entworfene Mechatronik-Systeme zu erstellen. Die Erfahrungen mit einem sehr preisgünstigen kleinen Gerät, das nach dem FDM-Verfahren arbeitete (Übereinanderspritzen von dünnen Schichten aus aufgeschmolzenem Kunststoff-Faden), waren jedoch enttäuschend. So begannen die Studenten nach Technologien zu suchen, die höhere konstruktive Freiheitsgrade und bessere Gebrauchseigenschaften der Bauteile ermöglichten.

Als geeignetstes Verfahren erwies sich das Lasersintern von Kunststoffen. Eine Recherche zeigte, dass am Markt einige teils sehr leistungsfähige Systeme angeboten wurden. Ihre Preise lagen jedoch im oberen fünfstelligen oder gar im sechsstelligen Bereich. Für Einzelpersonen war so etwas völlig unerschwinglich. Natürlich gibt es alternativ die Möglichkeit, solche Bauteile von Dienstleistern zu beziehen. Allerdings geht das fast nie „sofort“, bemerkten die Studenten. Man muss sich vielmehr in eine Warteschlange einreihen, was Tage oder gar Wochen in Anspruch nehmen kann. Außerdem fallen Verpackungs- und Versandkosten an, die prozentual umso höher liegen, je kleiner die Abmessungen und die benötigten Stückzahlen sind.

„Im Lasersinter-Bereich erinnert vieles an die Situation bei der Gründung der ersten Heimcomputer-Hersteller vor einigen Jahrzehnten, als die EDV noch eine Domäne für sehr leistungsfähige, aber teure Zentralcomputer war“, ergänzt Gabor Koppanyi, Marketing- und Vertriebsleiter bei Sintratec.

Zeit ist so reif für Personal-3D-Drucker

Als damals die ersten kleinen „Personal Computer“ auf dem Markt auftauchten, konnten sie natürlich nicht so viel wie ihre großen Brüder in den Firmenzentralen. Dennoch haben sich F+E-Abteilungen in Industriefirmen und Start-ups sofort darum gerissen – weil man sich selbst helfen und neue Ideen sofort ausprobieren konnte, statt Tage oder gar Wochen auf die Softwareabteilung warten zu müssen.

Gerade für solche innovativen Berufsgruppen ist Zeit schlicht und ergreifend Gold. Bei ihrer Arbeit müssen sie sich oft vorantasten und Dinge ausprobieren, um festzustellen, ob eine Idee in die richtige Richtung führt oder sich als Sackgasse erweist. Jede unnötige Verzögerung kann dann gleichbedeutend mit verlorener Zeit sein. Ganz ähnlich ist die Situation heute mit Blick auf die schnelle Verfügbarkeit von Prototypen, die nicht nur die Form, sondern möglichst auch die Gebrauchseigenschaften des gewünschten Bauteils aufweisen sollten. Voraussetzung für die schnelle Verfügbarkeit ist jedoch ein eigenes Gerät. Das geht bei den oft knapp finanzierten industriellen F+E-Abteilungen oder Hochschulinstituten nur, wenn dessen Preis finanziell noch erschwinglich ist.

Konsequente Kostensenkung

„Wir sind daher darangegangen, systematisch alle Komponenten eines solchen Systems auf die Goldwaage zu legen“, sagt Mitbegründer und Technischer Leiter Christian von Burg. Bei jedem Teil habe man genauestens überlegt, ob die bisher übliche Technik tatsächlich unbedingt benötigt werde oder ob sich vergleichbare Resultate auch mit einfacheren Ausführungen erzielen lassen. Auf dieser Basis entwickelten die drei Gründungspartner eine eigene Lösung. Für die beiden Kernkomponenten, den Laser und das Spiegelsystem für die Strahlführung, suchten sie preisgünstigere Lösungen und kauften sie zu. So arbeiten sie zum Beispiel mit einer Laserdiode statt mit einem CO2-Laser. Die gesamte Mechanik und optische Anordnung wurde von Grund auf neu konzipiert. Daraus entstand ein bereits professionell designter, voll funktionsfähiger Prototyp und wurde auf Messen ausgestellt.

Startschuss: Crowdfunding für Bausatz

„Entscheidende Hürde war danach die Beschaffung des Startkapitals für eine erste Serie“, weiß von Burg. Die Gründer wählten eine außergewöhnliche Strategie: Sie konzipierten ein erstes Sintratec-Kit als Bausatz und boten davon 60 Stück per Crowdfunding an. Die Interessenten mussten dafür bereit sein, den Kaufpreis von 4999 Euro vorzustrecken. Diese Initiative erwies sich als Volltreffer, die Finanzierung klappte ebenso wie die Montage und Inbetriebnahme bei den Abnehmern. Mittlerweile hat Sintratec mehrere 100 dieser Bausätze, die selbst von Ungeübten innerhalb weniger Tage zusammengebaut und in Betrieb genommen werden können, an Kunden in Europa und teils sogar Übersee ausgeliefert.

Profi-Nachfolger: „Sintratec S1“

„Dieser Erfolg lieferte die finanzielle Grundlage für die Entwicklung unseres Modells S1“, verrät Christian von Burg. Das Lasersinter-Gerät weist die gleichen grundlegenden Merkmale wie das Kit auf, ist jedoch für den professionellen Einsatz ausgelegt und wird ausschließlich als fertiges System angeboten. Es sei daher erste Wahl für industrielle Kunden, deren Personal sich auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren muss. Deshalb gilt hier meist das „Auspacken, Stecker rein und loslegen“-Prinzip. Zudem verfügt das Modell S1 über einen deutlich vergrößerten Bauraum von 130 x 130 x 180 mm für entsprechend größere Bauteile. Mit seinem Preis von rund 20 000 Euro liegt es weit unter dem von Wettbewerbssystemen. Die Sintratec S1 wurde von der Kundschaft sehr gut angenommen, so dass die Absatzzahlen mittlerweile im dreistelligen Bereich liegen, berichten die Schweizer.

„Im Vergleich mit anderen Anlagen auf dem Markt liegt unser wesentlicher Vorteil beim Preis-Leistungs-Verhältnis“, erläutert von Burg. So gehört die Software zum System und Updates sind kostenlos. Auch benötigen die Anlagen sehr wenig Platz und können im Prinzip auf einem Arbeitstisch oder einem Rollcontainer betrieben werden. Im Gegensatz zu anderen Systemen des Wettbewerbs benötigen Sintratec-Geräte keine speziellen Vorinstallationen wie Ventilationssystem, Starkstromversorgung oder Luftdruckanschluss. Angesichts der meist sehr beengten Platzverhältnisse gerade in F&E-Labors sei dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Natürlich könne man nicht erwarten, dass ein Gerät wie das Modell S1 den gleichen Leistungsumfang biete wie größere, aber eben auch wesentlich teurere Anlagen. So seien der Bauraum und damit die maximalen Bauteilabmessungen begrenzter. Die damit erzeugten Prototypen stünden jedoch von der Präzision ebenso wie von den Gebrauchseigenschaften her denjenigen aus großvolumigen Industrieanlagen nicht nach.

Zu PA12 kommt noch ein TPU hinzu

Als Werkstoff bietet Sintratec ein nach eigenem Rezept modifiziertes Polyamid PA12 an. Grund hierfür ist das verwendete Laserlicht, das von schwarzen Werkstoffen wesentlich besser absorbiert wird als von helleren oder gar weißen Pulvern. PA12 ist das für Lasersinter-Anwendungen mit Abstand meistgebrauchte Material, das sich insbesondere durch seine hervorragenden mechanischen Eigenschaften auszeichnet. Wird dennoch die Verwendung alternativer Werkstoffe gewünscht, so bietet Sintratec den Kunden die Möglichkeit an, selbst die Arbeitsparameter der Einheit zu verändern und diese so auf deren Sintereigenschaften abzustimmen. Das junge Team forscht außerdem selbst an neuen Druckmaterialien und bringt demnächst einen neuen Werkstoff auf den Markt: ein Pulver auf TPU-Basis, mit dem sich komplett neue Anwendungsfelder erschließen lassen.

„Wesentliche Voraussetzung für den Erfolg unserer Anlagen sind natürlich auch die umfassenden Support- und Serviceleistungen, die wir Kunden bieten“, setzt Christian von Burg hinzu. Das umfasst die Weiterentwicklung der Systeme und ihrer Software ebenso wie die Optimierung von Prozessparametern sowie die kontinuierliche Suche nach neuen Werkstoffen. Schon auf der Homepage finden sich zahlreiche Tipps und Hinweise zum Einsatz der Anlagen sowie ausführlich bebilderte Anleitungen für Einsatz, Wartung und Pflege. Für die Käufer der Lasersinter-Anlagen gibt es einen regelmäßigen automatischen Update-Service, um die Software auf neuestem Stand zu halten. Über ein Kundenportal kann bei Problemen Beratung oder auch Service angefordert werden.

Klaus Vollrath, Fachjournalist in Aarwangen/Schweiz


Lasersintern

Der Laser schmelzt die oberste Schicht eines „Betts“ aus Kunststoffpulver gezielt soweit an, dass die Pulverteilchen verbacken – sowohl miteinander als auch mit der Lage darunter. Durch ständiges Übereinanderlegen weiterer Lagen, die der Laser bearbeitet, entstehen komplexe dreidimensionale Bauteile mit feinen Details. Die Formenfreiheit ist nahezu unbegrenzt. Es ist sogar möglich, bewegliche Achsen oder ineinander verschachtelte Bauteile zu erzeugen. Besonders beliebt ist diese Technologie für funktionales Prototyping, etwa zum Erproben von Bauteilen.

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