Firmen im Artikel
Herr Herrmann, derzeit scheint sich das Wachstum Ihres Unternehmens zu potenzieren – das zeigt schon ein Blick auf die aktuellen Bauaktivitäten. Was steckt dahinter?
Thomas Herrmann: Unsere Stärke liegt im Ultraschallschweißprozess selbst, das ist ganz klar. Die Schweißzeit beträgt nur wenige zehntel Sekunden und es braucht keine Verbrauchsstoffe. Schauen Sie sich diesen Telefonhörer an: Unser Kunde kann die Halbschalen im Bruchteil einer Sekunde verschweißen, und das in riesigen Stückzahlen selbst dann, wenn die Teile nicht identisch gespritzt sind. Wir verstehen uns daher als Problemlöser und Enabler.
Volker Aust: Das war schon dem Firmengründer Walter Herrmann wichtig: den Anwender nach seinen Fügeproblemen zu befragen und wirklich sehr, sehr gut hinzuhören, um Lösungen für ihn ausarbeiten zu können [Thomas Herrmann nickt]. Dafür ist es nötig, den Ultraschallschweißprozess in der Tiefe zu verstehen, zu visualisieren und gezielt zu optimieren.
Herrmann: Genau. Wir haben früh erkannt, dass wir mit einem digitalen Generator weit mehr Möglichkeiten haben, den Prozess zu visualisieren und dann über die Software zu steuern und feinzutunen. Mit dem Auge allein lässt sich ja kaum etwas sehen. So haben wir schon Mitte der 90er-Jahre den ersten digitalen Ultraschall-Generator auf den Markt gebracht.
Sie haben also digitalisiert, weit bevor Industrie 4.0 ein Thema war?
Aust: Ja, mit der Digitalisierung haben wir zunächst unsere aktuellen technischen Zielsetzungen wie die Visualisierung umgesetzt – also zu sehen, was beim Schweißen in der Naht passiert – und noch nicht geahnt, welche weitreichenden Möglichkeiten sich uns zusätzlich eröffnen. Aus heutiger Sicht sind wir damit Vorreiter des Megatrends…
Herrmann: …mit all den Möglichkeiten wie Schnittstellen, Sensorik, Kommunikation via RFID und Vernetzung, die seither hinzugekommen sind. Aber um die Zusammenhänge nicht zu sehr zu vereinfachen: Der Ultraschallschweißprozess ist komplex. Die Fügeteile des Kunden variieren sehr, bei Kunststoffen etwa im Blick auf ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften wie auch im Blick auf das vorausgegangene Spritzgießen. Diese Komplexität addiert sich mit der des Ultraschallschweißens und dessen Digitalisierung und führt zu einem anspruchsvollen Fügeprozess. Unser Ansatz ist daher, weltweit mit hochqualifizierten Vertriebsingenieuren als Beratern zu operieren, die nicht nur die eigene Technik sondern auch die Bedürfnisse des Kunden verstehen.
Hochgeschulte Vertriebsfachleute als ein Erfolgsgeheimnis?
Herrmann: Vor einigen Jahren haben wir erkannt: Wenn wir weiter so wachsen wollen, brauchen wir Führungs- und Schulungselemente, um unsere Mitarbeiter und Kunden mit Know-how auszustatten. Ganz besonders gilt das für unsere Anwendungsberater, die den Kunden zu einem besseren Fügeprozess verhelfen. Dafür haben wir 2011 die Herrmann Academy ins Leben gerufen. Jeder neue Mitarbeiter wird nach einem individuellen 100-Tage-Plan interdisziplinär geschult.
Können Sie vereinfacht erklären, wie der digitalisierte Ultraschallschweißprozess funktioniert?
Herrmann: Im System sitzt als Herzstück der Ultraschallgenerator, der ein hochfrequentes Signal erzeugt und über ein piezoelektrisches Element in Ultraschall umwandelt. Dieses HF-Signal ist voll digital: Es lässt sich mit Software exakt steuern. Gleichzeitig wertet der intelligente Generator die digitalen Signale aus, die aus dem Schweißprozess zurückkommen.
Aust: Und gleichzeitig verarbeitet der Generator die analogen Werte aus den Wegmesssystemen des Schweißprozesses – diese analogen Werte muss er ebenfalls verstehen.
Herrmann: Ziel ist es letztlich, dass der Ultraschallgenerator die optimale Parameterkurve für die jeweilige Bauteilpaarung einstellt – und das geht nur digital. Seit wir den digitalen Prozess eingeführt haben, verbessern wir diese Algorithmen permanent.
Hängt die zunehmende Internationalisierung mit dieser Digitalisierung zusammen?
Herrmann: Man müsste es so sagen: Zunächst geht es darum, die Kundenanforderungen zu verstehen, dann den digitalisierten Prozess für die Anwendung zu optimieren und schließlich zu internationalisieren. 1990 hatten wir nur zwei Anwendungsberater. Dann führten wir 1997 den volldigitalen Ultraschallgenerator ein, und heute operieren 60 qualifizierte Anwendungsberater in 19 Ländern mit firmeneigenen Laboren, in denen die Kunden ihre Prozesse optimieren lassen können.
Aust: Und wir haben uns nicht nur geographisch ausgedehnt, sondern von einem Geschäftsbereich auf vier. Zusätzlich zu den Kunststoffen führen wir jetzt die Geschäftsbereiche Packaging, Nonwovens und, ganz neu, den Bereich Nichteisen-Metalle, den wir aufgrund der Elektromobilität aufbauen. Denn wir haben festgestellt, dass jede Branche ihre speziellen Anforderungen an das Ultraschallschweißen hat und ihre eigene Ansprache braucht.
Herrmann: Bei den NE-Metallen geht es um die Herstellung von Cell Packs, für die das Ultraschallschweißen ebenfalls prädestiniert ist – beispielsweise um die Kupferkabel dauerhaft zu verbinden.
Verfolgen Sie eine gezielte Strategie bei der Internationalisierung?
Herrmann: Dem Vervielfältigen der Anwendung folgt in der Regel das Vervielfältigen der Standorte.
Aust: Bleiben wir unserem Markenkern treu und fragen nach den Bedürfnissen der Anwender, so funktioniert das Roll-out in ein neues Land immer. Nur nicht 1:1. Es ist durchaus möglich, dass die Anwender in Argentinien andere Vorstellungen haben als die in Brasilien – und darauf gehen wir ein.
Welchen Stand hat denn das Ultraschallschweißen gegenüber anderen Fügemethoden wie etwa dem Kleben?
Herrmann: Der Fügeprozess ist enorm nachhaltig, weil wir überhaupt keine Verbrauchsmittel brauchen. Und es genügt ganz wenig Energie. Ein Ultraschallschweißprozess dauert vielleicht 0,2 Sekunden und hat einen minimalen Energieverbrauch – so wie wenn Sie den Föhn kurz ein- und gleich wieder ausschalten.
HerrmannUltraschall
1961 von Walter Herrmann gegründet, beschäftigt die Herrmann Ultraschalltechnik GmbH & Co. KG heute 400 Mitarbeiter. Das Unternehmen liefert Ultraschall-Schweißmaschinen, -Systeme und -Komponenten und unterhält Niederlassungen in den USA, China und Japan. Es ist an 25 Standorten in 19 Ländern präsent und betreibt dort eigene Labors.
Am Stammsitz in Karlsbad entsteht zurzeit für eine Investitionssumme von 15 Mio. Euro ein Neubau, der die Firmenfläche von 9500 m² auf 17 000 m² fast verdoppelt. Geplant sind 100 neue Arbeitsplätze, wovon die ersten bereits besetzt sind.