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Energieerzeugung: Wasserstoff als Treiber der Energiewende

Energieerzeugung
Wasserstoff als Treiber der Energiewende

Um die Energiewende voranzutreiben, erhofft sich die Branche viel von Wasserstoff-Lösungen und der Sektorenkopplung. Erste Projekte, etwa im Personen-Zugverkehr, gibt es schon.

Hans-Ulrich Tschätsch
freier Journalist in Essen

Mit der von politischer Seite initiierten Energiewende wird der Ausbau von Windkraft und Photovoltaik stetig vorangetrieben. Die Folge: Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung steigt kontinuierlich. Wurden 2015 in Deutschland noch 25 % des Stroms aus regenerativen Quellen erzeugt, waren es im ersten Halbjahr 2019 schon rund 40 %. Trotzdem ist die perfekte Energiewende immer noch nicht in Sicht.

Zu einer endgültigen technischen Lösung fehlten bisher wichtige Teilbereiche wie gut ausgebaute elektrische Netze, Querverbindungen zur Gasinfrastruktur und vor allem fehlen noch ausreichende Speicherkapazitäten, um temporär auftretende Energieüberschüsse zu sichern. Oft steht die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen am falschen Ort und zur falschen Zeit bereit.

Strom, Wärme und Verkehr werden ganzheitlich und gebündelt betrachtet

Als ein möglicher Ansatz zur Problemlösung wird die Sektorenkopplung gesehen, um vorhandene Synergien sinnvoll zu nutzen. Unter Sektorkopplung versteht man die Vernetzung der Sektoren der Energiewirtschaft sowie der Industrie, die gekoppelt, also in einem gemeinsamen holistischen Ansatz optimiert werden sollen. Traditionell wurden die Sektoren Elektrizität, Wärme- (beziehungsweise Kälte-) versorgung , Verkehr und Industrie weitgehend unabhängig voneinander betrachtet. Die Idee hinter dem Konzept ist es, nur auf Einzelsektoren zugeschnittene Lösungsansätze hinter sich zu lassen, die nur Lösungen innerhalb des jeweiligen Sektors berücksichtigen.

Mit dieser Methode wird es möglich, die Strom-, Wärme- und Gasnetze und auch den Mobilitätssektor miteinander zu verbinden. Sie ist die optimale Schlüsseltechnologie im Rahmen der Energiewende auf dem Weg zur angestrebten Klimaneutralität.

Energiepolitischer Dialog in Essen beleuchtet Sektorenkopplung

Zu diesem Ergebnis kamen jedenfalls die Experten beim sechsten Energiepolitschen Dialog des Gasnetzbetreibers Open Grid Europe, der im September in Essen stattfand. Schnell wurde im Diskussionsverlauf klar: Der Schlüssel zu einer kosteneffizienten Energiewende liegt in der Entwicklung und Umsetzung gesamtsystemischer Lösungsansätze wie der Sektorenkopplung.

An diesem Punkt betonte Dr. Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung von Open Grid Europe: „Hier kommt Wasserstoff die entscheidende Rolle zu. Wir sind davon überzeugt, dass Wasserstoff der Schlüssel für ein nachhaltiges Energiesystem ist. Mit Hochdruck arbeiten wir daher an innovativen Wasserstofflösungen für bestehende und zukünftige Herausforderungen der Energiewende.“

Die Teilnehmer aus Politik, Industrie Energiewirtschaft und Umweltschutz waren sich einig: Die Nutzung dekarbonisierter und grüner Gase im Zusammenspiel mit vorhandenen Energieinfrastrukturen trägt wesentlich zum Ziel einer kosteneffizienten Energiewende und der damit verbundenen gesellschaftlichen Akzeptanz bei.

Kohlendioxid effizient reduzieren mithilfe von Power-to-Gas-Technologien

Umso mehr braucht es den Wettbewerb der Technologien, um Kohlendioxid effizient zu reduzieren. Intensiv wurde diskutiert, mit welchen Anreizen signifikante Ergebnisse schnellstmöglich erreicht werden können. Am Ende müssen dabei die Geschäftsmodelle wirtschaftlich tragfähig sein, so der Konsens in der Runde. Fakt ist: Jetzt ist die Politik gefordert. Sie muss den dafür notwendigen ordnungspolitischen und regulatorischen Rahmen weiterentwickeln.

Die Diskussion zeigte aber auch, dass die Nutzung von Erdgas bereits heute ein wichtiger Beitrag für bezahlbaren und effizienten Klimaschutz ist. Gas und Gasinfrastrukturen werden durch den Einsatz von Technologien wie Power-to-Gas immer wichtiger. Es gilt jetzt, Anlagen aus dem Labor- in den Industriemaßstab zu überführen. Seitens der Politik gab es Zuspruch für die Nutzung der Potenziale von Gas und Gasinfrastrukturen.

„Unser Land und insbesondere die energieintensive Industrie werden zukünftig große Mengen sauberer Energie und Rohstoffe benötigen – verlässlich und zu global wettbewerbsfähigen Preisen. Wasserstoff hat großes Potenzial, diese Funktion zu übernehmen und zu einem global verfügbaren und Klima-freundlichen Energieträger zu werden. Mit der H2-Roadmap-NRW wollen wir schon heute über die notwendigen Voraussetzungen und Infrastrukturen diskutieren“, betonte Michael Theben, Leiter der Abteilung Klimaschutz des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

NRW setzt auf wasserstoff für die Energiewende

Nordrhein-Westfalen ist trotzdem schon jetzt ein Standort für eine gute Wasserstoff-Infrastruktur. Das Unternehmen Air Liquide Deutschland betreibt im Rhein-Ruhr-Gebiet das nach eigenen Angaben größte „Wasserstoffnetz in Deutschland.“ Die Pipeline ist mehr als 240 km lang und beliefert Großabnehmer in dieser Region. In Marl, am Nordrand des Ruhrgebiets, wird außerdem das größte Abfüll-Center für Wasserstoff in ganz Europa betrieben, wie es heißt. Die Anlage ist 365 Tage im Jahr durchgehend in Betrieb. Neben Wasserstoff werden auch Methan und Ethylen abgefüllt. Zu dieser Station passt auch der Begriff „Power to Liquids“. Hier wird Wasserstoff zu verwertbaren Grundchemikalien wie beispielsweise Methanol hergestellt. Genauso können mit diesem Verfahren Treibstoffe aus synthetischen Kohlenwasserstoffen wie Dimethylester oder Kerosin gewonnen werden.

Ein weiteres Stichwort in diesem Zusammenhang ist „Power to Gas“. Dabei werden Energiegase aus erneuerbarem (Überschuss)-Strom durch die Elektrolyse (Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff) erzeugt. Die optionale anschließende Methanisierung, also die Herstellung von erneuerbarem Erdgas durch das Hinzufügen von Kohlenstoffatomen, dient als zentrales Kopplungselement zwischen Strom- und Gasinfrastruktur. Für die anderen Sektoren wie etwa dem Wärmemarkt werden Power-to-heat-Technologien zur Marktreife entwickelt, mit denen überschüssige Strommengen einfache Heizelemente in Fernwärmesysteme speisen können. Bergmann von Open Grid Europe appellierte: „Wir haben den Willen, bereits heute erprobte Wasserstofflösungen in den industriellen Maßstab zu bringen. Jede heute nicht eingesparte Tonne CO2 wird uns morgen das Doppelte an Anstrengung kosten. Das war ein Steilpass in Richtung der politisch Verantwortlichen. Jetzt liegt der Ball bei der Politik.“

Alstom baut mit H2-betriebenen Zug

Auf weitere Vorgaben aus der Politik wollten die Konstrukteure von Alstom jedoch nicht warten. Sie haben mit dem Coradia iLint den ersten über eine Wasserstoff-Brennstoffzelle betriebenen Personenzug auf die Schiene gebracht. Und das nicht nur im Test-, sondern im Linienbetrieb. Damit ist er der weltweit der erste Personenzug, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird. Der Zug wurde gezielt für den Einsatz auf nichtelektrifizierten Strecken entwickelt. Hier ermöglicht er einen nachhaltigen Zugbetrieb. Der von Alstom im niedersächsischen Salzgitter gebaute Zug reduziert den Schadstoffausstoß im täglichen Betrieb auf Null. Seit dem 17. September werden zwei dieser Züge im regulären öffentlichen Linienverkehr nach festem Fahrplan eingesetzt. Das geschieht in Niedersachsen zwischen den Städten Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude.

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