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Auf dem Weg zur grünen Carbonfaser

Interview mit Centrotherm international
„Wir haben die Technik für die grüne Carbonfaser“

Günstiger, schneller und nachhaltiger – so verändert der neue Ofenprozess der Centrotherm international AG die industrielle Produktion technischer Fasern. Sogar die „grüne Carbonfaser“ mit Cellulose als Rohmaterial wird möglich. Wie dieses innovative Niederdruckverfahren funktioniert, welche Vorteile es bietet und wie es in den Markt findet, erklären die Centrotherm-Manager Gunter Fauth (COO) und Andreas Keller (Senior Manager New Technologies).

» Olaf Stauß, Redakteur Konradin-Verlag

Können Sie uns Zahlen nennen, wie Ihre Innovation die Carbonfaser-Herstellung verbessert?

Gunter Fauth: Unser Prozess benötigt bis zu 30 Prozent weniger Energie, um Precursoren zu Carbonfasern zu verarbeiten. Es entstehen 25 Prozent weniger Abgase und die Prozesszeit verkürzt sich um bis zu einem Drittel. In der Summe könnten Carbonfasern um 25 Prozent kostengünstiger werden. Und wir werden viel flexibler in der Produktion – beim Rohmaterial wie bei den Anlagengrößen.

Stimmt es, dass es mit Ihrer Anlagentechnik möglich wird, Carbonfasern aus dem natürlichen Material Cellulose zu produzieren?

Fauth: Ja, das stimmt. Für die Oxidation der Precursoren als Rohmaterial haben wir anstelle der großen Umluft-basierten Anlagen eine Niederdruck-Technologie entwickelt: Wir prozessieren die Fasern in Kammern mit Heizzonen und nutzen dafür Schleusen. In den Kammern können wir die Atmosphäre sehr gezielt steuern. Das macht den Prozess innovativ und bietet neue Möglichkeiten, auch für Cellulose als Rohmaterial.

Was ist der Kern dieser Innovation für die Carbonfaser-Herstellung – können Sie uns den Prozess erklären?

Andreas Keller: Man muss dazu wissen, dass die Stabilisierung oder Oxidation der Faser ein exothermer Prozessschritt ist. Führt man bei Normaldruck zu viel Wärmeenergie zu, würde die Faser sofort abbrennen. Nun arbeiten wir aber unter Niederdruck in einem abgeschlossenen, definierten Prozessraum und können die exotherme Reaktion durch Zugabe oder Entzug von Sauerstoff perfekt steuern. Wir können sie schneller oder langsamer ablaufen lassen – so, wie wir es brauchen. Das ist ein entscheidender Vorteil für die Herstellung von Hightech-Fasern und gilt für die klassischen Präcursoren ‚Polyacrylnitril‘, kurz PAN, wie auch für Cellulose.

Fauth: Damit Sie sich das besser vorstellen können: Im Umluftofen unter Normaldruck brennt die Faser über 270 °C durch die exotherme Reaktion ab. Wir aber heizen derzeit bis auf 370 °C hoch in unseren Niederdruckkammern. Daran wird die Besonderheit des Verfahrens deutlich.

Wie kamen Sie darauf?

Fauth: Unsere Wurzeln liegen in der Halbleiterindustrie. Für die Branche stellen wir thermische Anlagen mit Temperaturbereichen von 400 bis rund 2300 °C her. Die Inline-Bearbeitung in der Kammer ist unsere Kernkompetenz, hier sind wir zu Hause. Vor einigen Jahren haben wir beschlossen, mit unserem Know-how in den Bereich der Faserherstellung einzusteigen – aber nicht in einem Verdrängungswettbewerb, sondern mit neuen Ansätzen. Die Idee war, mit einer gesteuerten Atmosphäre bessere Lösungen zu erzielen.

Keller: Die Anforderung von Gunter Fauth als COO an uns war: Die Anlage muss kleiner werden, der Prozess schneller und sicherer und der Energiebedarf muss sinken. Außerdem wollten wir ein modulares Anlagenkonzept, um Kunden vom Institut bis zum Großbetrieb bedienen zu können. Jetzt in der Corona-Zeit haben wir unsere Anlage intensiv getestet und konnten nachweisen, dass sie funktioniert. Wir erreichen dieselbe Faserqualität effizienter und kostengünstiger.

Also rund ein Viertel günstiger?

Keller: Es steckt sogar noch mehr drin. Mit unserer Technologie ließe sich auf die letzte Veredelungsstufe des Precursors verzichten und das günstigere „Homo-PAN“ statt PAN nutzen. Dies erhöht den Einspareffekt weiter auf rund 50 Prozent.

Wie steht es um die „grüne“ Carbonfaser?

Fauth: Dieser Ansatz stammt von unserem Forschungspartner, dem DITF in Denkendorf. Die Wissenschaftler haben einen Cellulose-Precursor für die Carbonfaser entwickelt und konnten ihn in unserem Ofen adäquat verarbeiten. Das eröffnet die Chance, den weltweit wachsenden Bedarf an Carbon besser zu decken. Und Automobilbauer bekommen mit der Cellulose-basierten Carbonfaser ein CO2-neutrales Leichtbaumaterial.

Wieso eignet sich Ihre Technologie so gut für Cellulose-Precursoren?

Keller: Die Cellulose muss zusätzlich dehydriert werden. Unsere Technologie mit Niederdruck ist dafür geradezu prädestiniert – traditionelle Ofenverfahren können dies nicht leisten.

Wann wird die Carbonfaser aus Cellulose verfügbar sein?

Die Institute müssen noch Entwicklungsarbeit in den neuen Precursor investieren. Wir gehen davon aus, dass wir in drei bis vier Jahren eine produktionsreife Carbonfaser aus Cellulose haben werden.

Mit Ihrer Technologie können Sie Anlagen modular konfektionieren. Wird dies den Markt verändern?

Fauth: Wir sehen zweierlei neue Zielmärkte. Wir sprechen mit Interessenten für kleinere Anlagen und beispielsweise auch mit Technologieparks, die an nachhaltigen Fasern interessiert sind und neue Technologien diskutieren.

Keller: Und unsere Verfahrenstechnik ist nicht nur auf bestimmte Materialien oder die Fasergeometrie begrenzt. Sie lässt sich viel variabler einsetzen – warum zum Beispiel nicht auch für Vliese?

Wird es denkbar, dass ein Zulieferer seine eigene Carbonfaser produziert?

Fauth: Ja, wir haben schon Gespräche in dieser Richtung geführt. Und wir sehen die Möglichkeit, auf spezielle technische Bedürfnisse einzugehen und auch kleiner konfektionierte Anlagen zu liefern.

Infos und Video: http://hier.pro/CXE8A

Kontakt:

centrotherm international AG
Württemberger Straße 31
D-89143 Blaubeuren
Tel.: +49 7344 918–0
info@centrotherm.de
www.centrotherm.de


Chance

Zulieferer könnten in Zukunft ihre eigene Carbonfaser produzieren – nachhaltig und wirtschaftlich.

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