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Holzbaukasten für den Windpark der Zukunft

Hannoveraner Unternehmen entwickelt Windkrafttürme aus nachwachsenden Rohstoffen
Holzbaukasten für den Windpark der Zukunft

Am Anfang stand die Idee eines Tüftlers. Sie baut darauf, dass Stahl beim Bau von Windkraftanlagen an seine Grenzen stößt. Der Plan: Die Türme der Anlagen sollen aus Holz gefertigt werden. Die neuartige Konstruktion soll stabiler und vor allem billiger als ihr stählernes Pendant sein.

Mehrere Jahre lang arbeiteten die Ingenieure von Timber-Tower an einem Holzturm, der eine Windkraftanlage der Multimegawattklasse tragen soll. Seit Anfang Oktober dieses Jahres steht auf dem Gelände der Leibnitz Universität in Hannover der weltweit erste 100 m hohe Holzturm, der eine Windkraftanlage mit 1,5 MW Leistung trägt. Dabei handelt es sich um eine Anlage der Firma Vensys Energy AG. Der Anschluss an das öffentliche Stromnetz ist noch im Laufe dieses Jahres geplant. Die rund 100 t schwere Anlage wird dann Strom für 1000 Haushalte liefern. Die Frage, warum man nicht schon früher darauf gekommen ist, 100 m hohe Türme aus Holz zu bauen, beantwortet Gregor Prass, Dipl.-Bauingenieur und Geschäftsführer der Timber-Tower GmbH, mit dem Hinweis auf die Angewohnheit, zu sehr in eingetretenen Pfaden zu denken. Obwohl Stahl auf den ersten Blick gute Eigenschaften hat, ermüdet dieser Werkstoff nach Ansicht von Prass allerdings bei dauerhaften Vibrationen. Auf der Suche nach etwas Stabilerem kam der auf den Werkstoff Holz. Nach anfänglichen Überlegungen mit Fachwerkkonstruktion zum Ziel zu kommen, entwarf der Bauingenieur dann einen mehreckigen Hohlkörper, bestehend aus kreuzweise verleimten Fichtenholzbrettern. „Ich experimentierte, ob das so veredelte Material Schädlinge, Feuer und Wasser verträgt – und fand heraus, dass auch externe Einflüsse meiner Konstruktion nichts anhaben können“, erläutert Gregor Prass den Entstehungsprozess. Im Gegenteil: Die Konstruktion hatte zum Teil sogar bessere Eigenschaften, als sie Stahl und Beton vorweisen. Der Timber-Tower war geboren.

Weil die Türme von Windkraftanlagen mit steigender Leistung immer höher werden müssen, werden der Bau und der Betrieb dieser Anlagen zunehmend komplizierter und damit schwieriger. Je höher aber die Türme werden, desto wuchtiger werden auch die Masten. Besonders das untere Ende der Mastkonstruktion wird immer breiter. Ein Umstand, der sich schon negativ bemerkbar macht, bevor überhaupt der Mast errichtet wurde. Um das für den Bau notwendige vorgefertigte Material auf die Baustelle zu bringen, ist ein Schwertransport mit allen negativen Begleiterscheinungen notwendig. So passen etwa bisher nur Turmfüße mit maximal 4,20 m Durchmesser unter Autobahnbrücken hindurch. Hier steht bereits eine große Hürde dem schnellen und kostengünstigen Bau stählerner Türme im Weg. Der Trend geht eindeutig zu noch höheren Türmen und damit auch zu noch größeren Problemen beim Materialtransport. In Hannover spricht man in diesem Zusammenhang von einer Vereinfachung der Logistik, weil beim Bau von Holztürmen Schwertransporte überflüssig werden sollen. Außerdem sehen die Vertriebsleute der Timber-Tower GmbH eine Verbesserung der Kostenkalkulation aufgrund der Unabhängigkeit von stark schwankenden Stahlpreisen sowie die Verbesserung der Ökobilanz des Turmes durch Nutzung eines nachwachsenden Rohstoffes.
Bei dem von Timber-Tower patentierten Windkraftturm handelt es sich um einen Hohlkörper aus Holz, der in Einzelteilen verpackt und per Standard-LKW oder in 40-Fuß-Containern auf die Baustelle gebracht und dort montiert werden kann. Durch den Einsatz von Holz kann bei einem Turm mit 100 m Nabenhöhe auf 300 t Stahlblech verzichtet werden, für dessen Herstellung nicht nur viel Energie benötigt sondern auch CO2 freigesetzt wird. Ein 100 m hoher Holzturm bindet darüber hinaus noch rund 400 t CO2. Großer Wert wird auf den einwandfreien Nachweis der Holzherkunft gelegt. Mit dem PEFC-Zertifikat (Waldzertifizierungssystem: Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) der Holzlieferanten wird garantiert, dass der verwendete Rohstoff aus einer ökologisch, ökonomisch und sozial verantwortlichen Waldwirtschaft stammt.
Das zertifizierte Bauwerk besteht aus vier Turmbereichen, wobei die aus Massivholzplatten gefertigten Elemente den Hauptanteil des Turmaufbaus bilden. Die Gründung des Holzturmes erfolgt durch ein Stahlbetonfundament mit Stahlbetonsockel. Das Fundament besteht aus Fundamentplatte, einem Betonsockel und einer Betonwand, welche zu einem achteckigen Hohlkörper betoniert und an die Geometrie der Holzturmkonstruktion angepasst sind. Das für die Stromabgabe ins Netz benötigte Umrichter- und Trafosystem wird in diesem Betonhohlkörper untergebracht. Den Hauptanteil des Turmes bildet ein aus einzelnen Massivholzplatten zusammengesetzter achteckiger Hohlkörper. Die einzelnen Platten sind hierbei in einer Helixstruktur angeordnet. Jede einzelne Holzplatte besteht aus kreuzweise miteinander verklebtem Vollholz nach DIN 1052. Die Massivholzplatten haben eine Länge von mindestens 3,75 m bis maximal 15 m und eine Breite von bis zu 2,72 m. Die Massivholzplattenstärke beträgt 30 cm.
Der Fundamentanschluss erfolgt über einen Stahladapter auf dem Lochbleche angeschweißt sind. Diese werden mit den untersten Holzelementen verklebt. Die Massivholzplatten untereinander werden ebenfalls durch Einfügen von Lochblechen miteinander verklebt. Das Verbindungsstück zwischen Holzturm und der Windenergieanlage bildet ein Stahlrohradapter in Form eines Zylinders. Die Windkraftanlagen verschiedener Herstellerfirmen bilden mit dem Rotor den oberen Abschluss des Turmes. Dieser wird wie beim Fundamentanschluss ebenfalls mittels Verklebung von Lochblechen mit dem Turm verklebt.
Die Anlage auf dem Universitätsgelände in Hannover wird derzeit noch getestet und soll zu Beginn des nächsten Jahres ans Netz gehen. Gleichzeitig arbeitet Timber-Tower an einem Holzturm mit 140 m Nabenhöhe, der noch effizienter sein soll.
Hans-Ulrich Tschätsch Freier Journalist in Essen
Weitere Informationen: www.timbertower.de
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