Inhaltsverzeichnis
1. Rechtliche Rahmenbedingungen für KI in der Industrie gestalten sich als schwierig
2. KI-Reallabor gestaltet die industrielle Datenwirtschaft
3. Wie gewinnbringend mit Industriedaten umgehen?
4. KI-Reallabor erprobt reale Bedingungen im geschützten Raum
5. Unternehmensübergreifender Datenaustausch innerhalb der Wertschöpfungskette
6. Von der Gewinneridee zum erfolgreichen Start-up
7. App soll Maschinenprobleme automatisiert lösen
Die Wettbewerbsfähigkeit des industriellen Mittelstands stärken – mit diesem Ziel ist das Netzwerk Intelligente Technische Systeme Ost-Westfalen-Lippe (It‘s OWL) 2012 im Spitzencluster-Wettbewerb des Bundes angetreten und ausgezeichnet worden. Mehr als 200 Unternehmen und Forschungseinrichtungen entwickeln seitdem gemeinsam im Spitzencluster neue Ansätze und Lösungen mit dem Ziel, eine Innovationsplattform für den industriellen Mittelstand aufzubauen. Dazu dienen im Wesentlichen Innovations- und Transferprojekte.
Der Erfolg der vergangenen Jahre hat der Marke It‘s OWL einen hohen Bekanntheitsgrad verschafft. Darum wird seit 2018 diese positive Entwicklung und Etablierung des Clusters genutzt, um wegweisende strategische Initiativen gezielt umzusetzen. Dabei handelt es sich um Aktivitäten und Projekte, die deutlich über die regionalen Grenzen Ost-Westfalen-Lippes hinauswirken. Der inhaltliche Fokus liegt zunehmend darauf, die Potenziale künstlicher Intelligenz (KI) in den verschieden Kontexten der produzierenden Industrie zu erschließen.
Rechtliche Rahmenbedingungen für KI in der Industrie gestalten sich als schwierig
„KI hat enorme Potenziale, um Maschinen und Anlagen effizienter und produktiver zu fertigen. Von den Ergebnissen und Erfahrungen können produzierende Unternehmen in ganz OWL profitieren“, erklärt Günter Korder, Geschäftsführer der It‘s OWL Clustermanagement GmbH.
Der Einsatz von KI verspricht ein hohes Nutzenpotenzial in der industriellen Anwendung und neue Geschäftsmodelle. Sie unterliegt jedoch häufig vielen Beschränkungen: Zum einen haben aktuelle KI-Technologien oftmals keinen direkten Bezug zu den praktischen Problemstellungen der Industrie, zum anderen fehlt zum Testen der Zugang zu nutzbaren industriellen Infrastrukturen und realen Produktionsanlagen. Eine sinnvolle Regulierung und rechtliche Rahmenbedingungen gestalten sich als schwierig.
KI-Reallabor gestaltet die industrielle Datenwirtschaft
Sogenannte Reallabore können diese Diskrepanz zwischen Forschung und Praxis überbrücken, indem sie einen offenen und gleichzeitig geschützten Kollaborationsraum für Mensch und Technik schaffen und mit möglichst wenigen Regulierungen Innovationsprozesse zulassen, um Potenziale und Auswirkungen von KI in enger Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie in realer Industrieumgebung zu erforschen.
Ein solches Reallabor mit Schwerpunkt KI entsteht seit Anfang 2020 unter der Leitung des Fraunhofer-Instituts IOSB-INA in der Smart-Factory-OWL in Lemgo. Es ist als Projekt des Bundesministeriums der Wirtschaft (BMWi) mit einem Volumen von 2,24 Mio. Euro bis Ende 2022 angelegt. Im Reallabor kommen Unternehmen und Forschungseinrichtungen zusammen, um die Entwicklung und Erprobung von KI-Anwendungen in der Industrie zu beschleunigen. Die zentrale Frage ist, wie KI-Technologien unter den Rahmenbedingungen der Industrie 4.0 gewinnbringend und menschenzentriert eingesetzt werden können. Die Ergebnisse von umgesetzten Anwendungsfällen dienen als Beispiele für die Nutzung in der betrieblichen Praxis der Partnerunternehmen.
Wie gewinnbringend mit Industriedaten umgehen?
Industrieunternehmen generieren in ihren Produktionen große Datenmengen. Doch wie können sie diese effektiv nutzen? Mit KI lassen sich Informationen aus aufbereiteten Daten analysieren und ein Mehrwert daraus aufzeigen. Dadurch beschleunigt sich die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Das KI-Reallabor unterstützt Firmen dabei, Daten langfristig gewinnbringend einzusetzen und stärkt den vertrauensvollen und sicheren Datenaustausch in der Industrie.
Gleichzeitig sind Data Scientists immer auf der Suche nach guten Daten für das Training eigens entwickelter Algorithmen. Dafür stellt das KI-Reallabor hochwertige Daten künftig auf dem KI-Datenportal bereit. Diese Daten stammen aus realen Produktionssystemen – etwa aus der Cuna-Realproduktion der Smart-Factory-OWL oder von kooperierenden Industriebetrieben. Die Daten können von objektorientierten Bilddaten aus Montagevorgängen über Anlagenparameter wie Temperatur oder Druckluft stammen.
KI-Reallabor erprobt reale Bedingungen im geschützten Raum
Die Daten werden unstrukturiert, strukturiert oder in der Industrie-4.0-Verwaltungsschale gelabelled und mit Metainformationen zur Verfügung gestellt. So können sie ohne aufwendiges Data Engineering verwendet werden.
Um die Potenziale für die Industrie nutzbar zu machen, werden Freiräume benötigt – Freiräume, in denen Anwendungen erprobt werden können und menschliche Intelligenz zusammenkommen kann, um künstliche Intelligenz so zu gestalten, dass sie interoperabel, souverän und nachhaltig ist. Mit diesen Zielsetzungen werden Use Cases aus der Plattform Industrie 4.0 im KI-Reallabor unter realen Voraussetzungen an der Cuna-Realproduktion in der Smart-Factory-OWL erprobt. Experten vom Fraunhofer IOSB-INA entwickeln Technologien und wenden diese an. Industrieunternehmen reichen ihre Anforderungen ein und bringen eigene Geschäfts- und Fertigungsprozesse in das KI-Reallabor ein.
Unternehmensübergreifender Datenaustausch innerhalb der Wertschöpfungskette
Ein Anwendungsbeispiel‘ ist etwa ‚Collaborative Condition Monitoring‘ (CCM). Durch einen unternehmensübergreifenden Datenaustausch innerhalb der Wertschöpfungskette, bestehend aus Komponenten- und Maschinenlieferanten sowie Fabrikbetreiber, soll die Zuverlässigkeit und Lebensdauer von Komponenten, Maschinen und Anlagen verbessert werden. Auf dem Weg zu einer industriellen Datenwirtschaft ist das Ziel, weitere servicebasierte Geschäftsmodelle zu erproben.
Während die Entwicklung der strategischen Initiativen im Spitzencluster langfristig und evidenzbasiert passierte, sind es manchmal die unerwarteten Einflüsse von außen, die disruptiv zu neuen Wegen führen. Ohne die Einschränkungen der Corona-Pandemie wäre es nicht zum It’s OWL-Makeathon #horizonteOWL gekommen und aus einer Blitzidee kein Millionenprojekt.
Von der Gewinneridee zum erfolgreichen Start-up
Das Cluster organisierte im Mai 2020 den Makeathon in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut IEM und der Ost-Westfalen-Lippe GmbH, um während der Corona-Zeit neue Impulse für die Wirtschaft zu entwickeln. Bei der Online-Veranstaltung ging es darum, Lösungen für konkrete Herausforderungen zu erarbeiten, denen sich Unternehmen durch die Krise stellen müssen. Knapp 200 Teilnehmende waren dem Aufruf gefolgt und haben in 31 Teams insgesamt 15 Herausforderungen aus Unternehmen bearbeitet. Sechs Studierende und Experten aus Forschungseinrichtungen und Unternehmen hatten sich im Mai vergangenen Jahres mit ihrer Idee zum Service Navigator durchgesetzt. 2021 wurde daraus ein einjähriges It‘s OWL-Innovationsprojekt mit einer Förderung des Landes NRW von rund 1 Mio. Euro. Ziel ist die Entwicklung einer App und die Gründung eines Start-ups, das die App vertreibt und wartet. Beteiligt sind die Fraunhofer-Institute ENAS, IEM und IOSB-INA sowie die Unternehmen Unity, G. Kraft Maschinenbau, GEA und WP Kemper.
App soll Maschinenprobleme automatisiert lösen
Der Service Navigator ist eine App, die Maschinenbauer und -betreiber unterstützt, Fehler automatisiert zu finden und zu beheben. Und das bis zu fünfmal schneller als bisher. Die App bietet ein automatisiertes Diagnosetool, das beim Auftreten eines Maschinenfehlers die Ursachenfindung und -behebung systematisiert. Sie soll Service-Technikern dabei helfen, ihren Einsatz effizienter zu gestalten und ihr Wissen nachhaltig zu dokumentieren und zu klassifizieren. Für den Fall, dass Service-Techniker – wie derzeit durch die Pandemie – mal nicht verfügbar sind, hilft das Tool den Betreibenden sogar zur Selbsthilfe. Neben der Automatisierung von ‚Diagnosen‘ bietet die App auch die sogenannter ‚Routinen‘ an. Diese assistieren nach der Ursachenfindung auch bei deren Behebung – Schritt für Schritt und mit visueller Unterstützung.
Die App wird in zwei Stufen ausgebaut. Zuerst motiviert sie erfahrene und immer rarere Fachkräfte, über eine einfache Nutzbarkeit und unterstützende Trainings- und Support-Funktionen zur Dokumentation von Service-Wissen. Die Systematik und Integration ermöglichen schließlich die Verwertbarkeit der Daten durch einen zugrundeliegenden Algorithmus. Dieser verarbeitet das Wissen, stellt es Technikern sowie Bedienern im Diagnose-Tool zur Verfügung und optimiert sich durch die regelmäßige Nutzung selbst.
Durch den ‚API-First-Ansatz‘ der eigens entwickelten, technologischen Basis, funktioniert der Service Navigator als eigenständige Software, ist aber auch integrierbar in bereits bestehende digitale Portale und Ökosysteme.
Jubiläum: Zehn Jahre It’s OWL
2022 feiert der Spitzencluster It’s OWL zehnjähriges Jubiläum. Die Bilanz bisher: rund 70 Innovationsprojekte, hunderte Transferprojekte, zahlreiche internationale Projekte in Europa und Kanada sowie bundesweit aktive strategische Initiativen wurden erfolgreich durchgeführt. Und mit neuen Ansätzen, Formaten und Entwicklungen geht es stetig weiter. Als inhaltlicher Schwerpunkt fokussiert sich die Anwendung von künstlicher Intelligenz – KI in der Produktentstehung, KI in der Arbeitswelt und KI in der Produktionsumgebung. Das Technologienetzwerk treibt das Motto: Wir machen den Mittelstand fit für die digitale Transformation.