In den letzten beiden Jahren konnte für den einführenden Vortrag auf dem Robotics Kongress jeweils ein Schwergewicht aus der Robotik-Szene verpflichtet werden, nämlich Prof. Sami Haddadin von der TU München und Prof. Thorsten Kröger vom Karlsruher KIT. Dieses hohe Niveau wird in diesem Jahr mit Prof. Gordon Cheng, Inhaber des Lehrstuhls für kognitive Systeme an der TU München, gehalten. Stichworte aus seinem Vortrag machen richtig Appetit: Soziale Robotik, humanoide Robotik, kognitive Architekturen, lebensgroßer humanoider Zweibeinroboter.
Konkret wird es in seiner Keynote um eine künstliche Haut für Roboter gehen. Der Wissenschaftler hat zusammen mit seinem Team dem eisernen Gesellen ein Fell übergezogen, mit dem dieser sich selbst und seine Umgebung besser fühlen kann. Für den engen Kontakt mit dem Menschen ist das ein entscheidender Vorteil.
Wie so oft in der Technik hat auch bei diesem Projekt die Natur als Vorbild gedient. Die künstliche Haut setzt sich aus sechseckigen Zellen zusammen, die etwa so groß sind wie eine Zwei-Euro-Münze. Jede Zelle ist mit einem Mikroprozessor und diversen Sensoren ausgestattet, die Berührung, Beschleunigung, Annäherung und Temperatur messen. Mit dieser Technik ist es den Forschern erstmals gelungen, einen autonomen Roboter, der so groß ist wie ein Mensch, mit einer künstlichen Haut zu überziehen. So ausgestattet kann der Roboter seine Umwelt feinfühliger wahrnehmen und sich obendrein besser bewegen. Außerdem werden die Maschinen ungleich sicherer bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen und Unfälle lassen sich aktiv vermeiden.
Die Hautzellen selbst hat Cheng vor rund zehn Jahren entwickelt. Das volle Potenzial zeigt diese Erfindung aber erst jetzt als Teil eines raffinierten Systems, das neue Anwendungsfelder für die Robotik öffnen soll. Das größte Hindernis bei der Entwicklung von Roboterhaut war bislang die dafür notwendige Rechenkapazität. Die menschliche Haut hat rund 5 Mio. Rezeptoren. Will man die Daten der Sensoren in der künstlichen Haut permanent auswerten, werden die Grenzen schnell deutlich. Bisherige Systeme waren schon mit den Daten von wenigen Hundert Sensoren ausgelastet.
Um das Problem zu lösen, haben Cheng und sein Team einen sogenannten Neuro-Engineering-Ansatz gewählt. Dabei werden nicht alle Hautzellen permanent überwacht, sondern es kommt ein ereignisbasiertes System zum Einsatz, mit dem sich der Rechenaufwand um bis zu 90 Prozent reduzieren lässt. Das Prinzip ist einfach: Einzelne Zellen geben die Daten ihrer Sensoren nur dann weiter, wenn sich die Messwerte ändern. Unser Nervensystem arbeitet ähnlich.
Mit diesem ereignisbasierten Ansatz konnte erstmals ein menschengroßer autonomer Roboter, der nicht auf externe Berechnungen angewiesen ist, mit einer künstlichen Haut überzogen werden. Das Modell mit dem Namen H-1 ist mit insgesamt 1260 Zellen und mehr als 13.000 Sensoren ausgestattet. Sie sitzen an Oberkörper, Armen, Beinen und sogar auf den Fußsohlen und sorgen für ein völlig neues Körpergefühl. So kann der H-1 dank der sensiblen Fußsohlen auf Unebenheiten im Boden reagieren und sogar auf einem Bein balancieren.
Chengs Kreation kann einen Menschen sogar sicher umarmen. Das ist nicht so einfach wie es klingt, denn Roboter können gewaltige Kräfte entwickeln, die nicht zu dieser liebevollen Geste gehören und einen Menschen schwer verletzen würden. Bei einer Umarmung hat der Roboter an vielen unterschiedlichen Punkten Kontakt mit der Person und muss aus diesen komplexen Informationen in Echtzeit die richtigen Bewegungen und den passenden Kraftaufwand berechnen. „In der Industrie mag die Umarmung nicht so wichtig sein, in der Pflege sehr wohl“, stellt Prof. Cheng fest. „Bei dieser Anwendung müssen die Roboter auf einen sehr engen Kontakt mit dem Menschen ausgerichtet sein.“
Das Grundthema von Prof. Chengs Vortrag, die Mensch-Roboter-Kollaboration, kurz MRK, zieht sich durch den Robotics Kongress wie ein roter Faden und trifft zugleich den Nerv der Automatisierung, denn derzeit erobert eine neue Generation von Robotern die Industrie. Die Modelle schwingen nicht mehr die Schweißzangen hinter hohen Schutzzäunen, sondern sind für die Zusammenarbeit mit dem Menschen konzipiert und konstruiert. Die Maschinen sind deswegen ungleich sicherer als die industrielle Variante. Zudem sind sie leicht gebaut, können fühlen und sind nachgiebig gegenüber ihrer Umgebung. MRK ist der Trend in der Robotik schlechthin und deswegen auch das Kernthema auf dem Robotics Kongress.
Zu den Vortragenden gehören traditionell die Gewinner des letzten Robotics Award. Der Preis für angewandte Robotiklösungen ist untrennbar mit dem Robotics Kongress verbunden und wurde am zweiten Tag der letzten Hannover Messe vergeben.
Auf dem ersten Platz landete das dänische Unternehmen Onrobot mit dem sogenannten Gecko Gripper, der das Haftkonzept von Echsenfüßen erstmals für die Robotik nutzbar macht. Die Technik vereinfacht die automatisierte Handhabung glatter Oberflächen und verändert die kollaborative Robotik nachhaltig. Gerade in diesem Sektor ist der Ruf laut nach neuen Techniken, die das Anwendungsspektrum der sogenannten Cobots auf die nächste Stufe heben. Ein solches Kunststück ist den Entwicklern von Onrobot mit dem Gecko Gripper gelungen, der das Haftsystem der Geckofüße auf die Robotik überträgt. Eine vergleichbare Lösung gibt es nach eigenen Angaben bislang nicht.
Mit einem autonomen Ladeassistenten für Elektrofahrzeuge belegte das Unternehmen Forward tcc zusammen mit Kuka den zweiten Platz. Die Elektromobilität ist ein rasant wachsender Markt. Themen wie autonomes Fahren und die zugehörige intelligente Ladetechnologie sind keine Science-Fiction mehr. „Nach heutigem Stand könnte man den Ladeassistenten durchaus noch als Komfortlösung ansehen“, gibt Tobias Ortmaier zu, einer der Gründer und Geschäftsführer von Forward ttc. „Man denke zum Beispiel an schmutzige Ladekabel oder beengte Parksituationen, in denen das Lade-Inlet nicht so einfach zugänglich ist.“ Sobald aber die Fahrzeuge in der Lage sind, autonom zu fahren oder zumindest autonom einzuparken, wird der Mehrwert des Systems nach Ansicht von Ortmaier deutlich. Der Fahrer könnte dann vor der Haustür aussteigen und mit einem Knopfdruck das Garagentor öffnen, das Auto einparken und anschließend laden lassen.
Und schließlich hat es das Institut Mascor (Mobile Autonomous Systems and Cognitive Robotics), das zur FH Aachen gehört, in den Kreis der Nominierten geschafft und bekam am Ende auf der Hannover Messe die Bronzemedaille umgehängt. Beworben hatten sie sich mit dem autonomen Feldroboter Etarob, der körperlich anstrengende Arbeit automatisiert. Feldroboter werden seit Mitte der neunziger Jahre erforscht. Speziell das Modell Etarob wird an der FH Aachen entwickelt und seit April 2019 in der Praxis erprobt. Autonome Roboter sind ein großer technischer Fortschritt für die Landwirtschaft, da die Branche weitestgehend auf analoge Prozesse basiert. Mit dem Feldroboter wollen die Forscher eine Lösung anbieten für die Probleme, mit denen die Landwirtschaft derzeit zu kämpfen hat. Hierzu zählen vor allem der Arbeitskräftemangel für monotone und körperlich anstrengende Feldarbeiten. Außerdem sollen Chemikalien, allen voran Glyphosat, drastisch reduziert werden. Der Feldroboter soll dazu einen signifikanten Beitrag leisten.
Der Robotics Kongress ist eine etablierte Veranstaltung in der Branche. Die Karten sind begrenzt und erfahrungsgemäß schnell vergriffen. Deswegen am besten gleich online anmelden unter www.industrieanzeiger.de unter dem Reiter Veranstaltungen. Hier sind alle Daten gebündelt inklusive einer vorläufigen Agenda.
Doch was wäre der Robotics Kongress ohne seine Sponsoren? Die Antwort ist einfach: Es würde ihn nicht geben. Auch in diesem Jahr wird die Veranstaltung wieder von einigen Firmen aus dem Robotik-Umfeld unterstützt. Auf den folgenden Seiten finden Sie die Advertorials, mit denen die Sponsoren sich und ihre Themen vorstellen.
Robotics Award 2020
Wettbewerb | Der Preis für angewandte Robotiklösungen geht in die zehnte Runde. Einmal mehr suchen wir, die Deutsche Messe AG zusammen mit dem Industrieanzeiger und der Technology Academy, spannende Robotiklösungen, die einen Beitrag im Bereich der industriellen Automatisierung leisten. Eingereicht werden können Produkte, Projekte und technische Innovationen, aber auch mobile Roboter und autonome Systeme. Zur Teilnahme zugelassen sind Unternehmen aus dem In- und Ausland. Es spielt keine Rolle, ob Sie Aussteller auf der Hannover Messe sind oder nicht. Nach der Vorauswahl durch ein wissenschaftliches Expertenteam werden die Preisträger von einer unabhängigen Jury ermittelt.
Machen Sie mit, es lohnt sich. Die Lösungen, die es unter die Top Ten schaffen, werden mit einer umfangreichen Berichterstattung im Industrieanzeiger berücksichtigt. Außerdem werden die ersten drei Plätze prämiert und sind dotiert mit diversen Kommunikationsleistungen. Dem Sieger winkt eine mehrseitige Reportage, die die eingereichte Lösung in einem praktischen Umfeld vorstellt. Die Verleihung der Preise für die Plätze 1 bis 3 erfolgt im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Hannover Messe 2020. Weitere Informationen finden Sie unter www.industrieanzeiger.de unter dem Reiter Veranstaltungen.