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„Bahnbezogene Prozesse erfordern Sechs-Achsen-Lösungen“

Reis-Robotics-Chef Dr. Michael Wenzel: Komplexe Automatisierungsaufgaben nehmen zu
„Bahnbezogene Prozesse erfordern Sechs-Achsen-Lösungen“

Dr. Michael Wenzel gibt Auskunft über wirtschaftliche und technische Entwicklungen in der Robotik- und Automationsbranche, speziell im Bereich Kunststoffverarbeitung. Der Geschäftsführer von Reis Robotics ist gleichzeitig stellvertretender Vorstandsvorsitzender von VDMA Robotik + Automation und Vorstandsvorsitzender der Fachabteilung Robotik.

Die jüngsten Zahlen des VDMA zeigen, dass der Bereich Robotik und Automation nach einem Jahr der Stagnation 2005 wieder wächst. Ist diese Entwicklung mehr als Episode?

Der Branche und den Unternehmen geht es gut. Dies stützt sich nicht auf einen bestimmten Zielkundenkreis oder einen Sondereffekt, sondern ist vielmehr auf ein breites Wachstum in vielen Branchen und ein Anspringen der Konjunktur zurückzuführen. Die Aufträge sind da, die Auslastung ist gut. Dies gilt auch für unser Unternehmen.
Sie fertigen auch im Ausland, in Tschechien. Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Engagement?
Unser Werk in Tschechien blüht und gedeiht. Wir haben die Niederlassung, die anfänglich ein reiner Fertigungsstandort war, von ihren unternehmerischen Funktionen her ausgebaut. Es gibt dort mittlerweile einen Kundendienst und eine Vertriebsgruppe. Mit Blick auf die Ost-Erweiterung der EU ist dies hochinteressant: Es gibt in Osteuropa mittlerweile sehr viele Neuansiedlungen, etwa in der Slowakei oder Ungarn. Wir bearbeiten diese Märkte mit unserem tschechischen Werk als Basis und haben damit einen günstigen Stützpunkt für diese Region.
Vom Teil zum Ganzen: Wie sehen Sie die Marktposition Ihres Unternehmens?
Wir haben uns der Systemintegration, der Lieferung schlüsselfertiger Anlagen verschrieben. Hier sehen wir uns europaweit in einer führenden Position. Wir haben in diesem Zuge zur Verstärkung unserer Kompetenzen im Prozessbereich auch einige Ergänzungen in unserer Firmengruppe getätigt, ich denke da an Reis Lasertech oder Reis Extrusion.
Welche Bedeutung hat die Systemintegration für Sie?
Das Systemintegrations-Geschäft macht bei uns viel aus. Es gibt Anlagen, wo – konfigurations- und peripherieabhängig – der Roboteranteil am Gesamtvolumen nur 30 Prozent ausmacht. Da entfällt ein erheblicher Umsatzanteil auf Fremd- oder Dienstleistungen. Wir sind insofern darauf eingestellt, als dass wir unter anderem durch eine sehr hohe Fertigungstiefe und durch einen eigenen Vorrichtungs- und Greiferbau auch solche Dinge selbst erstellen, planen, konstruieren und bauen können. Damit können wir unseren Wertschöpfungsanteil im Gesamtsystem steigern.
Ihre Angebotspalette ist sehr breit. Wie entwickeln sich die einzelnen Bereiche?
Die verschiedenen Anteile schwanken zwar von Jahr zu Jahr, aber wir achten darauf, dass alle in sich gesund sind. Es gibt nicht den Effekt, dass ein Bereich den anderen subventioniert oder alimentiert. Die verschiedenen Segmente befruchten sich vielmehr gegenseitig, und es kommen neue Ideen und Anregungen in unsere Entwicklung. So werden beispielsweise innerhalb eines Bereiches neue Steuerungsfunktionen oder Mechaniken kreiert, die wiederum allen anderen Bereichen zugute kommen.
Wie bedeutend ist der Bereich Kunststoffverarbeitung für Sie?
Unser Gesamtumsatz lag 2006 bei rund 85 Millionen Euro, und der auf die Kunststoffindustrie bezogene Anteil machte zwischen 15 und 20 Prozent aus – Tendenz konstant bis steigend. Heute wird kaum noch eine Spritzgießmaschine ohne Automation verkauft, wobei allerdings deutlich mehr Linear- als Knickarmsysteme nachgefragt werden. Die meisten Aufgaben erschöpfen sich in einer simplen Entnahme und Ablage, da reicht ein System mit drei Achsen völlig aus.
Nimmt die Zahl der komplexen Aufgaben nicht zu?
Wir sehen – auf unser Unternehmen bezogen – in der Tat einen Trend in Richtung komplexerer Automatisierungsaufgaben und damit hin zu Sechs-Achsen-Lösungen. Bahnbezogene Aufgaben entlang des Kunststoffteils wie Fräsen, Kleben oder Beschichten lassen sich mit drei linearen kartesischen Achsen nicht mehr realisieren.
Lösungen für solche Aufgaben sind ja Ihr Metier.
Wir stehen von der Komplexität her eher am oberen Ende der Pyramide. Die Pyramide wird hier zwar enger, das heißt, die Stückzahlen werden geringer, aber ein komplexes System ist in der Regel technisch und finanziell erheblich umfassender als eine einfache Entnahmelösung – und dies, obwohl vielleicht sogar weniger Roboter integriert sind. Die Stückzahlen allein sind also nicht entscheidend.
Apropos Stückzahlen: Auch in der Kunststoffverarbeitung sinken die Losgrößen und die Variantenvielfalt steigt…
Stimmt. Und der Trend geht dahin, Handhabung und Fertigung kleinerer Stückzahlen mit mehr Varianten mit ein und derselben Anlage zu automatisieren. Dies erfordert die entsprechenden Technologien, etwa bei Greifer- und Vorrichtungswechsel.
Wo liegen die Vorteile solcher Systeme?
Eine Anlage für mehrere Produkte ist vom Grundinvest her erheblich flexibler. Es gibt Beispiele, bei denen man einmal in die Anlage investiert und dann nur noch Vorrichtungen und Programmierung neu beschaffen oder anpassen muss, wenn sich das Produktspektrum ändert.
In den letzten Jahren ist der Automationsgrad stetig gestiegen. Wo sehen sie Grenzen?
Der Trend zum absolut vollautomatisierten, bedienerlosen System ist eher rückläufig, weil solche Einrichtungen gewisse Anfälligkeiten besitzen. Und wenn es irgendwo stoppt, ist der gesamte Fluss unterbrochen. Man ist also dazu übergegangen, den Werker wieder mehr einzubinden. Zudem gibt es mittlerweile intelligente Konzepte, die es erlauben, den Werker sehr viel enger als bisher mit dem Roboter arbeiten zu lassen. Früher bestehende Schranken werden aufgehoben.
Es gibt mittlerweile auf Bildverarbeitungskonzepten basierende Lösungen, wo der Roboter direkt auf Näherungsbewegungen des Werkers reagiert, ohne dabei aber seine Tätigkeit zu stoppen. Wie stehen Sie dazu?
Mit solchen Konzepten operieren wir derzeit in der Realisierung von Praxisanlagen nicht. Es wäre zwar durchaus möglich – unsere Steuerungstechnik würde dies erlauben. Nur sehen wir aus der Analyse der Kundenanfragen und unserer Projekte, dass sich der Bedarf für interaktive Lösungen zwischen Roboter und Werker mit unseren Sicherheitskonzepten – die im übrigen auch vielfach praxiserprobt sind – besser abdecken lässt.
Dr. Bernhard Reichenbach bernhard.reichenbach@konradin.de
Werker wird wieder mehr eingebunden
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