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„Wir analysieren permanent den Markt“

Stäubli-Chef Gerald Vogt setzt auf eine offensive Expansionsstrategie
„Wir analysieren permanent den Markt“

Robotik | Seit gut einem halben Jahr ist Gerald Vogt Geschäftsführer beim Robotik-Spezialisten Stäubli in Bayreuth. Vorrangiges Ziel des studierten Maschinenbauers ist der konsequente Ausbau des nationalen und internationalen Geschäfts. §

Autor: Uwe Böttger

Herr Vogt, Sie waren Division Manager bei Stäubli in den USA und leiteten die Roboterentwicklung im französischen Stammwerk in Faverges. Profitieren Sie als neuer Geschäftsführer von diesen Erfahrungen?

Ganz bestimmt. Ich weiß, wie man Roboter mit möglichst wenig Aufwand schnell an die Bedürfnisse der Kunden anpassen kann. Im Stammwerk habe ich gesehen, was wir mit Kunden bereits realisieren. Durch eine verstärkte interne Kommunikation können wir solche spezifischen Lösungen auch international besser vermarkten.
Wie läuft das in der Praxis ab?
Wir arbeiten mit Partnern zusammen und bringen gemeinsam Lösungen für ganz bestimmte Anwendungen auf den Markt. Der Partner kennt sich in seinem spezifischen Markt aus. Wir liefern ihm für seine Lösung den passenden Roboter, den wir wenn nötig auch anpassen. Wenn jemand eine gute Idee für eine Maschine hat und uns davon überzeugt, dass er damit fünfzig bis hundert Roboter verkaufen kann, dann gehen wir mit ihm. In den USA haben wir beispielsweise zusammen mit einer kleinen Start-up-Firma ein System entwickelt, das Haartransplantationen durchführt. Heute verkaufen wir mit dieser Firma über hundert Roboter im Jahr.
Eine ungewöhnliche Anwendung, oder?
An so eine Idee muss man eben glauben. Wir entwickeln keinen Leichtbauroboter und suchen dann händeringend nach Anwendungsfeldern. Das ist nicht unser Weg. Wir hören uns vielmehr die Kundenbedürfnisse an und schauen, ob wir den passenden Roboter dafür haben oder kreieren können.
Lohnt sich eine solche spezifische Anpassung? Andere Anbieter setzen eher auf Standards und Masse.
Wir sind da irgendwo in der Mitte. Wir haben zwar nicht die Volumina, die andere Hersteller mit ihren Schweißrobotern für die Automobilindustrie erzielen, aber wir sind groß genug, um ernst genommen zu werden. Wir sind einerseits ein Global Player mit einer der größten Produktlinien, können aber andererseits spezifische Lösungen entwickeln. Andere Hersteller verkaufen nur ihre Standard-Roboter. Das ist der Unterschied. Unseren Kunden gefällt der direkte Draht in die Entwicklungsabteilung. Natürlich wollen wir auch Stückzahlen verkaufen. Aber wenn wir mit einem Partner hundert Roboter in einem bestimmten Segment platzieren können und sich der Anpassungsaufwand in Grenzen hält, dann machen wir das.
Ist der Outdoor-Roboter auf dem Dach von John Deere auch ein Beispiel dafür?
Klar. Auch wenn unsere liebsten Referenzen natürlich die sind, wo wir eher 100 Roboter verkaufen. Aber das Beispiel zeigt, wie wir spezifische Anpassungen vornehmen. Kein anderer hat sich an diese John-Deere-Sache heran getraut. Und es zeigt auch die Tiefe unseres Portfolios, die bis hin zu unseren HE-Roboter für Feuchträume reicht.
Wie entstehen solche Speziallinien?
Die HE-Version haben wir zusammen mit Kunden aus der Lebensmittelindustrie laufend verbessert und dafür auch ein lebensmitteltaugliches Öl entwickelt. Da wir unsere Getriebe selber bauen, konnten wir gründliche Untersuchungen in unseren Labors durchführen und dafür sorgen, dass die Getriebe mit einem solchen lebensmitteltauglichen Öl auch bei voller Robotergeschwindigkeit nicht kaputt gehen. Ein anderes Beispiel ist unsere Stericlean-Familie, die wir aus der Cleanroom-Reihe heraus entwickelt haben. Es gibt immer mehr Anwendungen, bei denen keimfreie Roboter gebraucht sind.
Als neuer Geschäftsführer kündigten Sie eine offensive Expansionsstrategie an. Planen Sie in diesem Rahmen auch Zukäufe?
Wir sind auch in der Vergangenheit anorganisch gewachsen. Das beste Beispiel ist der Kauf der Scara-Sparte von Bosch Rexroth. Das werden wir auch in Zukunft tun. Aber als Schweizer Familienunternehmen hängen wir das nicht an die große Glocke. Wir analysieren permanent den Markt und werden aktiv, wenn es strategisch Sinn macht. Aber wir kaufen uns keine Marktanteile zusammen.
Apropos Marktanteile: Wo stehen Sie in Deutschland und wo wollen Sie hin?
Wenn man alle Roboter berücksichtigt, liegen wir auf Platz vier. Wenn wir allerdings den großen Bereich der Schweißroboter abziehen, dann liegen wir ganz weit vorne. Bei den Automobilzulieferern sowie in den Segmenten Lifescience und Food sind wir sogar Marktführer.
Wo sehen Sie noch Nachholbedarf?
Natürlich gibt es Bereiche, wo wir uns verbessern können und wollen. Regional sind wir im Norden nicht so stark wie wir sein könnten, weil dort einiges im Lebensmittelumfeld passiert wie Fleisch und Fisch. Ein anderes Beispiel ist die Herstellung von Käse und Milchprodukten. Da sind wir zwar in Frankreich sehr stark, aber noch nicht in Deutschland. Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund. Hier wollen wir uns verbessern.
Sind Lifescience und Food Ihre stärksten Branchen?
Nein, unser größter Markt sind die Automobilzulieferer. Aber Pharma, Healthcare und Food sind die größten Wachstumsmärkte. In diesen Bereichen wachsen wir zweistellig. Deswegen bringen wir unseren schnellen Pick-Roboter nun auch in einer reinigungsfreundlichen HE-Version mit lebensmitteltauglichem Öl. Dann lässt sich das Modell auch bei der Verarbeitung und Verpackung von Fleisch einsetzen. Bislang wird das Gerät vor allem in der Lebensmittelindustrie und in der Medizintechnik genutzt. Das Spektrum reicht von Schokolade und Brötchen über Kaffeekapseln und Tütensuppen bis hin zum Spritzen-Handling.
Sie wollen mit ihrem Unternehmen technische Benchmarks setzen. Was meinen Sie damit?
Es geht mir dabei nicht um einzelne Werte wie Geschwindigkeit oder Präzision. Das ist für uns sowieso ein Muss. Es geht um eine ganzheitliche Sichtweise, um die Gesamtbetriebskosten. Auch wenn unser Roboter am Anfang etwas mehr kostet, ist er am Ende trotzdem günstiger. Und zwar deswegen, weil man ihn einfach programmieren kann, weil man weniger warten und austauschen muss und weil seine Lebensdauer höher ist. Mit anderen Worten: Wir liefern nicht das günstige Produkt in großen Stückzahlen, sondern wir liefern Werte. Und das wollen wir kommunizieren.
Neben Geschwindigkeit und Präzision steht Stäubli auch für eine gekapselte Bauweise. Ist das heute noch ein Alleinstellungsmerkmal? Das machen inzwischen doch viele.
Gut, aber die meisten bieten das nur bei Kleinrobotern an. Sobald es um höhere Traglasten von 20 bis 100 Kilogramm geht, wird es schwierig. Wir hingegen bieten die gekapselte Bauweise für alle unsere Modelle an. Wir können das, weil wir unsere Produkte von Anfang an so entwickelt haben. Und das ist nicht nur bei Food-Anwendungen wichtig, sondern auch im Automobilbereich, wo Motorblöcke gereinigt werden müssen. Bei nicht gekapselten Robotern gehen hier die Kabelbäume über kurz oder lang kaputt.
Über die so genannte Unival-Drive-Schnittstelle lassen sich Stäubli-Roboter einfacher in eine Maschinensteuerung integrieren. Wie sind hier ihre weiteren Pläne?
Mit dieser Funktionalität waren wir vor fünf Jahren der Trendsetter. Andere Hersteller wollten damals mit ihren Robotersteuerungen noch weitere Achsen und sogar ganze Zellen steuern. Doch Maschinensteuerungen von Siemens, Beckhoff, Schneider oder Rockwell sind ja genau für solche Anwendungen ausgelegt. Damit man bei der Roboterintegration hier nicht mehr in zwei Welten agieren muss, haben wir die offene Unival-Drive-Schnittstelle entwickelt. Nun folgen andere Hersteller diesem Trend.
Gut. Und wie soll es weiter gehen?
In Kürze bringen wir Unival PLC. Das ist nicht für Multiachs-Anwendungen gedacht, sondern für SPS-Steuerungen. Mit dem Werkzeug lassen sich Roboter über normale SPS-Blöcke programmieren.
Welche Rolle spielen für Sie die Leichtbauroboter?
Das Segment ist für uns interessant und wir verfolgen das genau. Von der Technik her könnten wir einen Roboterassistenten entwickeln, aber mir fehlt noch der ganzheitliche Ansatz. Denn solche Modelle müssen einfach zu programmieren sein. Zudem braucht man Bildverarbeitungs-Systeme und flexible Greifer, die bezahlbar sind. Solange Roboter, Greifer, Bildverarbeitung und Programmierung noch kein rundes Angebot ergeben, setzt sich das Ganze nicht auf breiter Front durch. Da müssen wir noch ein Stück Weg zurücklegen. •
Industrieanzeiger
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