Startseite » Themen » Werkzeugbau »

Planungsaufwände durch automatisierten Arbeitsplan senken

WBA-Serie
Planungsaufwände durch automatisierte Arbeitsplangenerierung senken

Die industrielle Einzel- und Kleinserienfertigung von Bauteilen im deutschsprachigen Raum unterliegt einem hohen internationalen Wettbewerbsdruck. Dies erfordert eine hohe Fertigungseffizienz bei minimalsten Planungsaufwand.

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Boos, MBA; Dr.-Ing. Sebastian Barth; Christian Lürken, M.Sc.; Tammo Dannen, M.Eng.

Aufgrund der wachsenden Komplexität bei Bauteilen und Technologien steigt die Anzahl an immanenten Wechselwirkungen einzelner Prozesse. Da der werkstückbezogene Aufwand in der Arbeitsplanung überdurchschnittlich hoch ist, gilt es die Planungsaufgaben zunehmend automatisiert umzusetzen. Das Zielbild einer autonomen und selbstoptimierenden Fertigung wurde durch den Begriff Industrie 4.0 geprägt und basiert auf der Eigenständigkeit von Bauteilen sich den Randbedingungen bestmöglich anpassen zu können (siehe Abbildung 1). Adaptive Prozessketten ermöglichen eine kontinuierliche und flexible Anpassung der Fertigung zur Steigerung der Produktivität. Für die Implementierung von adaptiven Prozessketten müssen Alternativen entlang der Fertigung vorgehalten werden, um in Echtzeit die effizienteste Fertigungsroute zu wählen bzw. um auf Störungen reagieren zu können. Die bauteilindividuellen Anforderungen an die Fertigung müssen maschinenlesbar in Form von alternativen Arbeitsplänen abgebildet sein.

Derzeit erfolgt die Gestaltung dieser Prozessketten bzw. Arbeitspläne unidirektional und basiert auf der Erfahrung und Intuition der Mitarbeiter. Hierzu definiert der Arbeitsplaner in der Regel zunächst manuell ein Rohteil sowie die benötigten Fertigungsverfahren (z. B. Fräsen, Härten, Schleifen) und überführt diese in ein Planungssystem. Im nächsten Schritt erfolgt im Rahmen der CAM-Programmierung die Festlegung der Maschinen sowie der Definition von Spannmittel, Spannlagen, Werkzeugen und Bearbeitungsstrategien. Die Programmierung übernehmen in der Regel unterschiedliche Experten der Einzeltechnologien in verschiedenen CAx-Systemen. Im Anschluss findet häufig die Simulation der Fertigung zur unsicherheitsbehafteten Prognose der Bearbeitungszeiten statt, die als Vorgabezeiten im Planungssystem hinterlegt werden. Durch die beschriebene Vorgehensweise erfolgt jedoch keine Berücksichtigung der gegenseitigen Einflüsse getroffener Entscheidungen. Beispielsweise beeinflusst die Wahl des Rohteils (Gestalt, Abmaße, Toleranz) in hohem Maße die Technologiefestlegung. Die Wirtschaftlichkeit kann erst im Anschluss an die Simulation der CAM-Programme zuverlässig eruiert werden. Eine wirtschaftlich ungünstige Prozesskette zu optimieren bedeutet folglich eine redundante Arbeitsplanung bzw. zusätzliche Mehraufwendungen, die unterhalb der erzielbaren Effizienzsteigerungen liegen müssen. Für eine derartige Abschätzung verfügt die Arbeitsplanung im Werkzeugbau über keine Ressourcen und Methoden. Dies begründet sich in der Einzigartigkeit der Randbedingungen, die nur bedingt Wiederholeffekte ermöglichen.

Verfügbare Softwaresysteme im Kontext der automatisierten Arbeitsplanung ermöglichen eine Entscheidungsunterstützung auf Basis der 3D-Endgeometrie eines Bauteils durch feature- bzw. regelbasierte Ansätze. Als Regel kann beispielsweise die Zuordnung des Fertigungsverfahren Bohren zugehörig dem geometrisch identifizierbaren Element eines subtraktiv zylindrischen Elements formuliert werden. Es lassen sich weiterführend Produktfertigungsinformationen (PMI) wie Abmessungen, Toleranzen oder Material in die Regelwerke integrieren, um die Richtigkeit der Entscheidung zu steigern. Im weiteren Verlauf werden die Informationen zusammengeführt, so dass beispielweise alle gefundenen Bohrungen dem Fertigungsverfahren Bohren chronologisch zugeordnet werden. Derartige Ansätze eignen sich zuverlässig für Bauteile mit einfacheren 2,5D-Geometrien. Insbesondere Freiformflächen sowie sich überlagernde bzw. verschachtelte Geometrien erzeugen nur eingeschränkt mehrwerthaltige bzw. richtige Informationen. Das Kerndefizit solcher Ansätze ist die fehlende Berücksichtigung der prozessual bedingten Zugänglichkeit zur Bearbeitungsstelle. Der geometrisch erzielbare Fortschritt hängt in hohem Maße von der Kinematik des Fertigungsverfahrens, der Aufspannung sowie der Werkzeuggeometrie ab.

Neuartige Ansätze verfolgen einen nicht-featurebasierten Ansatz und zerlegen die zu fertigenden 3D-Bauteile in eine dreidimensionale Rasterstruktur (Voxel). Ein Voxel ist die Abkürzung für „volumetrisches Pixel“ und ist demnach das dreidimensionale Äquivalent eines Pixels in der 2D-Bildverarbeitung. Mit Hilfe einer KI-basierten Simulation erfolgt die Analyse der Erreichbarkeit zur Optimierung der Fertigungssituation (Spannmittel, Spannlage, Werkzeuggeometrie, Werkzeugabmessungen). Die Simulation verfolgt keine Optimierung der Bahnplanung, sondern die quasi-statische Zugänglichkeit und damit verbundene geometrisch-technologische Transformation der Werkstücke (siehe Abbildung 2). „Dafür werden die prozessbedingten Arbeitsgänge optimiert und zu einer abgestimmten Prozesskette kombiniert.“ Hierzu müssen die Rahmen- und Randbedingungen der verschiedenen Fertigungstechnologien modelliert werden, um eine realitätsnahe Optimierung der Gesamtprozesskette zu ermöglichen. Das Ziel liegt in der Extraktion sinnvoller Arbeitsplanalternativen auf Grundlage der importierten 3D-Bauteilanforderungen. Als Ergebnis stehen dem Anwender nicht nur Informationen zu den Prozessketten zur Verfügung, sondern enthalten einerseits die geometrischen Zwischenzustände als Input für die CAM-Programmierung sowie andererseits Technologieinformationen (z.B. Aufspannung und Werkzeug). Hierdurch lassen sich Planungsaufwendungen reduzieren bei gleichzeitiger Steigerung der Fertigungseffizienz und -resilienz gegenüber Störungen durch das Vorhalten von Alternativen.


Über die WBA

Als Kompetenz-Center im Cluster Produktionstechnik auf dem RWTH Aachen Campus ist die WBA Werkzeugbau Akademie Aachen Teil eines der größten Forschungslabore Europas im Bereich der Produktionstechnik. Durch die Zusammenarbeit mit führenden Hochschuleinrichtungen und mehr als 80 Mitgliedsunternehmen wird die Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie hergestellt.

Für Werkzeugbaubetriebe besteht die Möglichkeit, zwischen drei Stufen der Mitgliedschaft – Premium, Business und Basis – zu wählen und somit die Intensität der Zusammenarbeit festzulegen. Gegenstand der Zusammenarbeit ist zum einen ein Informations- und Gedankenaustausch bezüglich aktueller technologischer und organisatorischer Entwicklungen im Werkzeugbau. Zum anderen haben die Mitglieder umfangreiche Möglichkeiten zur Teilnahme an Weiterbildungsprogrammen, Community-Projekten und Zugang zu exklusiven Studien und der Infrastruktur auf dem RWTH Aachen Campus.

Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de