Taiwan hat einen Plan. Die Entwicklung intelligenter Maschinen ist Teil einer Richt-linie namens „5+2 Industrial Innovation Plan“ unter Präsidentin Tsai Ing-wen. Demnach gehören intelligente Maschinen neben den Industrien Biomedizin, erneuerbare Energien, Luft- und Raumfahrt sowie nationale Verteidigung zum Fokus aufs industrielle Internet der Dinge (Industrial Internet of Things, kurz IIoT). Hinzu kommen Landwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Den sieben definierten Industrien ist eine hohe Erwartung gemeinsam: Sie sollen Innovation und industrielles Wachstum des asiatischen Insellandes nachhaltig sichern.
Speziell in der Entwicklung von Werkzeugmaschinen kann Taiwan bereits auf mehr als 60 Jahre Erfahrung zurückgreifen. Und laut Gardner Research (World Machine Tool Survey 2017) ist Taiwan immerhin fünftgrößter Exporteur für Werkzeugmaschinen weltweit. Entsprechend positionieren sich taiwanische Werkzeugmaschinenhersteller längst mit interessanten und wettbewerbsfähigen IIoT-Lösungen.
Smarte Maschinen aus Taiwan
Der Werkzeugmaschinenbauer YCM ist auf Präzisions-Bearbeitungszentren spezialisiert – insbesondere für industrielle Anforderungen, wie sie in der Luft- und Raumfahrt, in Automotive, in der Mikrobearbeitung, der Lohnfertigung und im Werkzeugbau gefragt sind. Neben dem Hauptsitz in Taiwan ist YCM in wichtigen Märkten der Welt tätig. Es gibt beispielsweise Montagewerke in China, ein Technikzentrum in Malaysia und eine Niederlassung in Vietnam. Darüber hinaus hat das Unternehmen Tochtergesellschaften in den USA, Europa und China gegründet, um so vor Ort technischen Service zu bieten und Ersatzteile bereitstellen zu können.
Da Deutschland ein sehr wichtiger und zentraler Markt in Europa ist, wurde Hilden bei Düsseldorf als europäischer Hauptsitz gewählt: „Mit seiner zentralen Lage in Europa ist Deutschland ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Wir können unsere Kunden mit technischen und teilebezogenen Dienstleistungen unterstützen und die Ausfallzeiten unserer Maschinen reduzieren. Dieser strategische Schritt ermöglicht es uns, marktnah zu agieren, was einer der Schwerpunkte unseres Globalisierungsbestrebens ist“, sagt YCM-Vorstandsvorsitzender Richard Chen.
Im März – zur Werkzeugmaschinenmesse Taipei International Machine Tool Show (Timtos) vom 4. bis 9. März 2019 – wird YCM mit einem intelligenten und mehrachsigen Fertigungssystem an den Markt gehen. Das System soll mehrere Palettenwechsel erlauben. Sensoren an der Maschine werden den Maschinenzustand überwachen. Gerade die Analyse von Live-Daten aus der Produktionsumgebung, auf deren Basis sich der Produktionsstatus leicht verfolgen, die Auslastung der Fabrik analysieren und ihre Gesamtanlageneffektivität (GAE) überwachen lässt, will YCM als Digitalisierungsnutzen berücksichtigen.
Um für Maschinennutzer die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um auf dem Level von Industrie 4.0 zu arbeiten, konzentriert sich der Werkzeugmaschinenbauer aktuell auf eine IIoT-Plattform, die Anwendern die Überwachung und Verwaltung ihres Shop-Floors in Echtzeit ermöglicht. Außerdem sollen verstärkt intelligente Maschinenfunktionen entwickelt und bereitgestellt werden, um die Leistung und Lebensdauer der Anlagen zu optimieren.
Taiwans Maschinenbauer sind breit aufgestellt
Cosen ist ein taiwanischer Bandsägenhersteller. Mit über 140 Modellen – darunter vertikale und horizontale Gehrungsschnitte, NC- und CNC-gesteuerte automatische und kundenspezifische Bandsägen – kann der Hersteller das Schneiden am Beginn von Produktionen bedienen. Durch autorisierte Distributoren für die spanabhebende Industrie expandiert das Unternehmen, und zwar in über 80 Ländern. Die Hauptabsatzmärkte liegen in Europa und den USA. 40 % der Produkte werden nach Europa und 30 % in die USA exportiert.
Auf der Werkzeugmaschinenmesse Timtos zeigt Cosen unter anderem seine aktuelle Technologie zur Schnittparameter-Empfehlung. Die Datenanalyse beruht dabei auf mehr als einer Million Parametersätze. Basierend auf Maschinendaten und der Schneidenzustandsbewertung können beispielsweise mit Hilfe von Cloud-Datenmanagement und einer Tiefenhierarchieanalyse Schnittparameter empfohlen werden. Maschinen sollen automatisch nach diesen Schnittparametern arbeiten und ihre Schneidenlebensdauer beziehungsweise die Werkzeugstandzeiten maximieren können. Messebesucher erfahren zudem, wie Maschinenbesitzer Daten wie Nutzungsberichte und die Überwachung der Werkzeugstandzeit erfassen können, um zu sehen, welches Werkzeug in seinem Metallbearbeitungsprozess am effektivsten ist und welche kritischen Komponenten und Werkzeugstandzeiten es gibt. Denn zu wissen, wann ein Werkzeug oder eine kritische Komponente ausfällt, hält die Lagerkosten niedrig und schafft Wettbewerbsvorteile.
Seyi stellt Pressen für Industrien wie Automobilbau, Unterhaltungselektronik, Luftfahrt, Landmaschinen und Hausgeräte her. Die zunehmende Elektrifizierung bei Fahrzeugen und Leichtbaumaterialien definiert Seyi als größte Herausforderung für Automobilhersteller. Es gehe in dieser Industrie um die Frage, wie sich Teile aus hochfestem Stahl, Metalllegierungen oder Multimaterialien formen lassen. So werden Servopressen angeboten, die Einschränkungen herkömmlicher Pressen durch ein flexibles und steuerbares Servosystem überwinden. Presshärten (Warmumformung), Kaltumformung, ein- oder mehrstufige Prozesse, progressives Stanzen und eine Automatisierungsintegration werden mit den aktuell angebotenen Servopressen möglich.
Seyi bietet IIoT-Funktionalität auf seinen Pressen
IIoT-Funktionalität ist insofern auf den Pressen vorhanden als diese über das Internet und verschiedene Sensoren miteinander verbunden sind, um die während des Produktionsprozesses erzeugten Daten zu sammeln. So können beispielsweise Kraftsensoren entweder die Spitzenlastwerte oder die Last in Abhängigkeit von der Schlittenverschiebung oder -zeit erfassen. Das kann eine Überlastung der Presse verhindern, sodass die Maschinensicherheit sowie die Genauigkeit und Qualität der Stanzteile gewährleistet werden können. Neben der Datenerfassung über verschiedene Sensoren sind Funktionen wie Fernsteuerung, Ferndiagnose und Produktionsüberwachung enthalten. Via Fernwartung sollen zum Beispiel Produktionsparameter wie Geschwindigkeit, Leistungszähler und Werkzeugdatenaufbereitung anpassbar werden. Die Produktionsüberwachung kann den Status von Stanztonnage, Matrizenschutz oder Fehlermeldung überwachen. Darüber hinaus können die Parameter, die den Maschinenstatus und die Produktivität anzeigen, den Trend weiter analysierbar machen und eine vorbeugende Wartung ermöglichen.
Techman Robot entwickelt, produziert und vertreibt kollaborative Roboter (Cobots), die intelligente Lieferketten leiten können und dem Interoperabilitätsanspruch von Industrie 4.0 nachkommen. Roboter werden Teil intelligenter Produktionslinien und können mit Werkern sicher zusammenarbeiten. Die Cobots aus Taiwan sind mit zertifizierten Plug-and-Play-Peripheriegeräten abgestimmt, sodass die Roboter beispielsweise mit Greifern von Schunk oder Hiwin, mit Industriekameras von Basler oder mit Kabel-Zubehörsystemen von Igus oder Murrplastik verwendet werden können. Auch die Nutzlastanforderungen verschiedener Branchen werden berücksichtigt. Techman Robot hat neue Hochlastroboter auf den Markt gebracht, deren Tragfähigkeit höher ist als bei anderen kollaborativen Robotern mit ähnlicher Armlänge. Die Nutzlast beträgt je nach Modell bis zu 12 kg oder 14 kg.
Smart Factory nutzt Vorteile von Data-Analytics
Das Automatisierungsangebot von Delta Electronics reicht von Geräten bis hin zur Datenanalyse. Das Portfolio umfasst AC-Motorantriebe, Servo- und Motion-Control-Systeme, speicherprogrammierbare Steuerungen (SPSen), Mensch-Maschine-Schnittstellen (HMIs), Bildverarbeitungs-systeme, Zähler und Sensoren, industrielle Steuerungs- und Überwachungssoftware, Fertigungsmanagementsysteme (MES) sowie Industrieroboter und Roboterarbeitsplätze.
Bisher hat Delta vor allem Industrieroboterlösungen, CNC-Lösungen, hybride Energiesparsysteme für Spritzgießmaschinen sowie Antriebs- und Energierückgewinnungssysteme für Aufzüge vorgestellt. Inzwischen hat das Unternehmen Produktionslinien kontinuierlich mit Automatisierungsprodukten und entsprechender Software für Industrie 4.0 erweitert. Vor allem die Online-Überwachung von Maschinen und ganzer Fertigungslinien soll Anwendern Vorteile bringen. Dafür steht eine neue Ausrüstungs-IIoT-Plattform bereit, die an bis zu 100 SPSen oder zehn CNC-Steuerungen für die Betriebsdatenerfassung von Anlagen anschließbar ist. Darauf basierend können die erfassten Betriebs- und Produktionsdaten softwarebasiert – quasi innerhalb einer Manufacturing-Monitoring-Plattform – verarbeitet und analysiert werden. Die Daten stehen so in Echtzeit zur Fernüberwachung bereit. Delta deckt in der Industrieautomation ein recht breites Spektrum an Anwendungen ab – darunter Elektronikindustrie, Textilverarbeitung, Lebensmittel- und Getränkeverarbeitung, Pharmazie, Gummi- und Kunststoffindustrie, Verpackungsindustrie, Druck, Holzbearbeitung und Werkzeugmaschinen.
Tongtai ist auf das Customizing und auf schlüsselfertige Projekte spezialisiert. Vor allem in der Bearbeitung für Luftfahrt- und Automobilteile kommen die Produkte zum Einsatz. Vor 35 Jahren stellte das Unternehmen die erste automatisierte Produktionslinie her und arbeitete mit Spezialmaschinen, um die Ventile von Motorrädern herzustellen – ein riesiger Markt, schließlich sind Motorräder und besonders Roller beziehungsweise Scooter auf Asiens Straßen bis heute nicht wegzudenken. Automatisierte Produktionslinien eignen sich gerade für die Felgen- und Radbearbeitung, weil sie intralogistische Vorteile haben. Tongtai bietet die Automatisierungslösungen von der Materialvorbereitung, der Bearbeitungskontrolle, dem Lagerbestand bis hin zum Produktionsmanagement an.
Neue digitale Services und die Gesamtproduktivität im Blick
Auf die Entwicklung und Herstellung von CNC-Drehmaschinen hat sich Goodway fokussiert. Seine CNC-Drehzentren liefert der Hersteller in über 30 Länder. Verstärkt setzt Goodway auf ein intelligentes Steuerungssystem der Werkzeugmaschinen innerhalb der Produktion. Eine neue Generation an Steuerungshard- und software sowie entsprechende Benutzerschnittstellen sollen den Drehzentren den nächsten Digitalisierungsschritt bringen. Von den Drehmaschinen selbst bis hin zur Gesamtproduktivität der Linien können cloudbasiert Analysen und Voraussagen durchgeführt werden sowie datenbasierte Services angeboten werden.
Hiwin ist auf Lineartechnik bis hin zu mechatronischen Systemen wie 6-Achs-Gelenkarm-Roboter spezialisiert. Die Roboter sind inklusive Steuerung, Software und Handbediengerät verfügbar. Ihnen ist ein kompaktes Steuerungs- und Antriebssystem vorgeschaltet, das eine integrierte Sicherheitssteuerung besitzt, mit der eine komplette Roboterzelle automatisiert werden kann. Neben ganzen Positioniersystemen bietet das Unternehmen Einzelkomponenten wie Linearmotoren, Torquemotoren, Servomotoren und Antriebsverstärker an. Komponenten und Systeme liefert das Unternehmen an viele Hightech-Industrien für Werkzeugmaschinen, für medizinische Geräte, für den Materialtransport, die Automobilindustrie oder die Ökostromindustrie. Damit gehört Hiwin zu den größten Herstellern von Antriebs- und Systemtechnik weltweit.
Femco stellt CNC-Maschinen her. Die Reihe der Maschinen umfasst Drehmaschinen, Vertikal- und Horizontalbohrwerke, vertikale Bearbeitungszentren und Raddrehzentren. Aktuell hat der CNC-Spezialist einAutomatic-Virtual-Metrology-System (AVM) für seine Produktionslinie einer intelligenten Radautomatisierung entwickelt. AVM-Systeme verwenden Daten im Produktionswerkzeug, um die Produktqualität vorherzusagen – und zwar ohne Messungen am Produkt selbst vorzunehmen. Derzeit werden servogesteuerte Roboter-Produktionslinien zusammen mit dem AVM-System integriert, um die Positioniergenauigkeit, Geschwindigkeit, Stabilität und vor allem die Fähigkeit zur Inspektion jedes Werkstücks zu erhöhen.
Werkzeugmaschinenhersteller Femco setzt auf Echtzeitmessungen
Die Technologie soll Echtzeitmessungen zur Herstellung hochwertiger Räder erlauben und natürlich Fehlerquoten reduzieren. Die Messergebnisse werden während des Bearbeitungsvorgangs gesammelt. Die Ergebnisse können dann in die Cloud geladen und auf einem Datenserver für zukünftige Referenzen gespeichert werden. Diese wiederum könnten sofort an einen bestimmten Betreiber oder Kunden gesendet werden, um den Produktionsprozess besser überwachen zu können. Außerdem soll eine Werkzeugkompensation während der Bearbeitung erreicht werden, um die Zykluszeit erheblich zu verkürzen und gleichzeitig eine höhere Qualität und Stabilität des Werkstücks zu gewährleisten.
Feeler bietet als Werkzeugmaschinenhersteller eine weitreichende Hard- und Softwareintegration, um smarten Maschinen zuverlässige und leicht nutzbare Kommunikations- und Analysefähigkeiten zu verleihen. Laut Feeler werden die Werkzeugmaschinen beispielsweise bei allen deutschen Autobauern eingesetzt, die Produktionsmanagementprozesse bekanntlich stark vorantreiben und innovieren. Das Unternehmen ist Teil der Fair Friend Group (FFG), die aus den drei Geschäftsbereichen Werkzeugmaschinen, Industrieausrüstung und Ökostrom mit insgesamt 53 Marken besteht. Allein 37 Unternehmungen gibt es im Bereich der Werkzeugmaschinen.
Auf intelligentere Fertigungsmöglichkeiten richtet sich die FSC Group aus, indem der Kunststoffspritzgießmaschinen-Hersteller auf ein Produktionsmanagement setzt, das auf dem Zykluszeitmanagement basierend arbeitet. Das traditionelle Produktionsmanagement im Spritzguss basiert auf handgeschriebenen Datensatzstatistiken, die nicht sofort Problemlösungen ermöglichen. Erweitert wird das Konzept durch ein effizientes Werkzeug- und Maschinenmanagement sowie durch eine ökonomische Materialverwaltung.
Zudem nutzt FCS das OPC-Kommunikationsprotokoll, um eine sofortige Anzeige von OEE-Informationen (Overall Equipment Efficiency) und Statistiken über abnormale Meldungen zu erreichen. Der Produktionsleiter kann den Produktionsstatus sofort erfassen und bei Abweichungen schnell Gegenmaßnahmen einleiten. Das System lässt sich auch verwenden, um den Zustand von Anlagen in globalen Produktionslinien durch Synchronisation zu überwachen, sodass ein externes Produktionsmanagement unterstützbar wird.
Taipei International Machine Tool Show
Messe | Vom 4. bis 9. März 2019 findet die Werzeugmaschinenmesse Timtos (Taipei International Machine Tool Show) in vier Hallen des Nangang-Messezentrums in Taipeh statt. Intelligentes Fertigen steht im Fokus der etwa 1230 Aussteller aus 26 Ländern. Die Austellerzahl ist ein neuer Rekord. Die Timtos hat sich zur drittgrößten Messe für Werkzeugmaschinen weltweit entwickelt. Die vom Taiwan External Trade Development Council (Taitra) mitveranstaltete Messe gilt als Sprungbrett, um Geschäfte auf dem asiatischen Markt auszudehnen. Unternehmen wie DMG Mori, Mazak, Fanuc, Mitsubishi, Heidenhain, Siemens, Bosch, Schunk, Universal Robots und Haas Automation gehören zu den Ausstellern.
Zu den Schwerpunkten der Messe zählen die Trendthemen Industrie 4.0 und künstliche Intelligenz. Firmen werden unter anderem zeigen, wie Menschen und Maschinen besser zusammenarbeiten und wie Produktionslinien effizient und belastbar arbeiten können. So zeigt Fanuc beispielsweise eine IIoT-Plattform, die Werkzeugmaschinen, Roboter und Sensoren verbindet, um so über Big Data ein Werk intelligent zu gestalten. Siemens präsentiert mit Mindsphere ein cloudbasiertes, offenes IIoT-Betriebssystem, das Anlagen, Systeme und Maschinen verbindet, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, große Datenmengen zu nutzen. Während der Messe findet außerdem der Timtos-Gipfel zu Automatisierungstrends in Industrie 4.0 statt.
Mitarbeiter bestimmen den Erfolg
Als ich vergangenen November zur „Taiwan Machine Tool Media Tour“ – ausgerichtet von Taitra (Taiwan External Trade Development Council) – gereist bin, wusste ich um Taiwans wirtschaftliche Stärken. Getroffen habe ich erfolgreiche Maschinenbauer. Bemerkt habe ich, dass die Mitarbeiter den wohl größten Anteil an diesem Erfolg ausmachen: mit ihrer Bildung, Zuverlässigkeit und Disziplin, Motivation und Herzlichkeit – Stärken, die jedes Unternehmen voranbringen.