Als Freund von Happenings, bei denen es darum geht nichts zu sehen, blickte ich Anfang April neidisch nach Nordamerika, als sich dort der Mond vor die Sonne schob und für einige Minuten eine totale Sonnenfinsternis verursachte. Ein solches Naturschauspiel gab es in diesen Breitengraden zuletzt 1999: Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich auf dem elterlichen Balkon stand und das Wetter dem Spektakel einen Strich durch die Rechnung machte. Wolkenbedingt war das einzige, was es für mich zu beobachten gab, die Angestellte der Tankstelle nebenan, die noch Minuten danach mit ihrer Schutzbrille gen Himmel starrte. Wenn man sich die wirklich beeindruckenden Bilder vom 8. April ansieht, kann man sagen, dass die Amerikaner etwas mehr Glück mit der Sicht auf die abgedunkelte Sonne hatten. Beginnend über dem Pazifik wanderte der Kernschatten über Nordmexiko nach Texas in den Nordosten bis nach Maine, streifte Kanada und endete über dem Nordatlantik. Die Aufregung im Vorfeld war natürlich groß: Partys wurden geplant, Schulen blieben geschlossen, Ferienwohnungen waren lange im Voraus ausgebucht. Mancherorts hatten die Menschen zwar auch Pech, weil Wolken den Himmel trübten, doch Millionen verfolgten das Ereignis mit Jubel und Euphorie.
Doch jetzt ist es leider an der Zeit, Forrest Gumps Mama zu zitieren: „Dumm ist der, der dummes tut.“ Denn: Viele US-Amerikanerinnen und Amerikaner taten es ihrem orangefarbenen Ex-Präsidenten gleich, als er bei einer Sonnenfinsternis 2017 ohne Spezialbrille in die Sonne schaute. Noch am Abend des 8. April schossen in den USA Suchanfragen wie „Meine Augen schmerzen“ oder „Wieso tun meine Augen weh“ steil in die Höhe. Paradox, wenn man bedenkt, wie hier vor 25 Jahren für Schutzbrillen geworben wurde. Und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber angesichts der gewaltigen Probleme, mit denen die Menschheit heute und in Zukunft zu kämpfen hat, verliere ich bei solchen Meldungen schon mal den Glauben an eben jene. Deshalb: Bitte im Jahr 2081, wenn hierzulande die nächste Sonnenfinsternis stattfindet, an die Brille denken. Danke. (hw)