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Auftritt mit System

Messestrategie: Auslandspräsenz als Türöffner in neue Märkte
Auftritt mit System

Internationale Messen helfen, neues Terrain zu erschließen und auf bestehenden Märkten neue Kunden zu gewinnen. Clevere Mittelständler setzen auf eine Strategie, die Risiken begrenzt, Kräfte bündelt und Chancen besser nutzt.

Den Besuchern war kein Weg zu weit. Am Morgen des 22. Januar traf die rund 7000-köpfige Schar in Orlando ein. Ihr Ziel: die Kundenkonferenz Lotusphere 2007 von IBM. Mal eben nach Florida für eine mehrtägige Veranstaltung zu jetten, würde den Zeitrahmen hiesiger Mittelständler wohl sprengen. In Zeiten der Internet-Plattform Second Life muss ein schmales Budget aber kein Nachteil sein. Gastgeber IBM bildete die reale Veranstaltung auch in der digitalen Parallelwelt ab – samt aller Möglichkeiten des echten Treffs: mit Experten diskutieren, Software-Lösungen begutachten und Erfahrungen austauschen. Wer teilnehmen wollte, brauchte sich bloß einen künstlichen Stellvertreter, Avatar genannt, kreieren.

Den meisten Firmenchefs ist die reale Welt mehr als genug. Mittelständler finden in den boomenden Schwellenländern wie auch in Ost- und Mitteleuropa reichlich Neuland fürs Geschäft. Ist Second Life ein Biotop, in dem sich der Ernstfall spielerisch erproben lässt, will dieser Schritt in der realen Welt wohl überlegt sein. Schnell kann der Eintritt in einen neuen Markt finanziell im Desaster enden. „Bei Messebeteiligungen“, rät Thomas H. Hagen, Vorsitzender des Ausstellungs- und Messe-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft (Auma), „sollte kühles Kosten-Nutzen-Denken im Vordergrund stehen.“
Nur wer Messeziele definiert, für den kann sich das Engagement auf einem Branchentreff rechnen. Etwa zu testen, wie die Fachwelt auf das neue Produkt reagiert, sagt mehr aus über die Effizienz eines Auftritts als die Gesamtzahl der Besucher und die eingesammelten Visitenkarten. Ob es um Marktbeobachtung, Neugeschäft oder Networking geht: Für die Kosten-Nutzen-Analyse stellt der Auma auf seiner Homepage einen Messenutzen-Check bereit, der im Selbsttest durchgeführt werden kann.
Mittelständler wie die Schäfer Werke GmbH aus Neunkirchen schicken beim Erkunden von Messeneuland erstmal ihre Späher aus. Ins Visier genommen hatten die Siegerländer die Arabischen Emirate als Tor in den mittleren Osten. Als geeignete Messe für seine Ziele erschien dem Dresdener Tochterunternehmen Schäfer IT-Systems die Gulf Information Technology Exhibition (Gitex) in Dubai. „Der Besuch im Vorjahr hat sich gelohnt“, bilanziert Schäfer-Verkaufschef Dieter Dier. Im kommenden Oktober will der Hersteller von Gehäusen für Rechnersysteme dort erstmals als Aussteller reüssieren. Mit im Gepäck: Modulare, platzsparende Lösungen, die vom einzelnen Serverschrank bis zu Komplettlösungen für Rechenzentren reichen – Kühlung und intelligentes Strom- und Sicherheitsmanagement eingeschlossen.
Wichtige Erfahrungen haben die Mitarbeiter von Schäfer bereits auf vielen Messen im Ausland, etwa in Moskau, gesammelt. An der Beteiligung an der Sviaz/Expocomm, 19. Internationale Ausstellung für Telekommunikation, Computer und Bürotechnik, lobt Verkaufsprofi Dier auch die „extrem gute Positionierung auf der Messe durch Teilnahme am deutschen Gemeinschaftsstand“. Mit rund 20 weiteren Ausstellern logieren die Schäfer Werke auf einem 800 m² großen Stand. Die organisatorische Seite übernimmt die HMI Hannover Messe-International.
Das Standmotto „Made in Germany“ unterstreiche die positive Wirkung des deutschen Campus auf der Sviaz, weiß Dieter Dier um die Vorzüge der Beteiligung. Das Faible russischer Einkäufer für hochwertige Technologie kommt dem Gehäusehersteller entgegen. „Mit Angeboten im unteren Preissegment hätten wir in Russland keine Chance“, betont der Verkaufschef. Potenzielle Käufer würden sich vergewissern, dass es sich um in Deutschland gefertigte Produkte handle. „Viele russische Firmen“, sagt Dier, „wollen westliche Technologie.“ Dort könne man eben mit Qualitätsprodukten punkten.
Starthilfe für den Auftritt auf einem deutschen Gemeinschaftsstand gibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. 36 Mio. Euro an Fördermitteln spendiert das Auslandsmesseprogramm des Bundes in diesem Jahr. Dank des Zuschusses können Aussteller diese Exportplattformen kostengünstig nutzen, inklusive zahlreicher Dienstleistungen vom Standbau bis zur Reinigung. Allein in China sind 56 Beteiligungen geplant. Die stärksten Messeplätze im Programm 2007 werden Moskau mit 42 Beteiligungen sein, gefolgt von Shanghai mit 30.
Auch im Schlepptau eines starken Partners lassen sich die Risiken eines Messeauftritts begrenzen und Chancen besser nutzen. So ist die T.I.G. Technische Informationssysteme GmbH aus dem österreichischen Rankweil auf internationalen Fachmessen mit dem Spritzgießmaschinenhersteller Engel mit Sitz in Schwertberg unterwegs. Der Schulterschluss der beiden österreichischen Unternehmen auf Veranstaltungen wie der Interplastica in Moskau macht Sinn. Bieten die Vorarlberger doch mit dem TIG Manufacturing Manager ein Software-Baukastensystem, das auf Serienfertiger der Kunststoffbranche passgenau zugeschnitten ist.
Für diese, aber auch für Hersteller aus der Automotivebranche, ist das Bindeglied zwischen Fertigungs- und ERP-Systemebene ein immenser Vorteil. Mit einer direkt an die Automatisierung angebundenen MES-Lösung (Manufacturing Execution Systems) lässt sich die Produktion in Echtzeit kontrollieren. Womit die Brücke zum Maschinenbauer Engel geschlagen ist.
T.I.G-Vertriebsleiter Koblinger sieht „in dem Zugang unseres Partners Engel zum Endkunden für uns einen wertvollen Schlüssel für den Markteintritt“. Das rege Interesse zahlreicher Besucher auf der Interplastica wertet der Verkaufsprofi als Indikator „für das Potenzial dieses Marktes“. Da die Automobilkarawane von Mitteleuropa über Polen, Tschechien und Rumänien immer weiter östlich ziehen werde, sieht er osteuropäische Märkte wie etwa Russland für T.I.G. als strategisch wichtig an. Dort stehe die Technisierung der Produktionswerke erst am Anfang, weshalb sein Haus je nach Marktentwicklung eine eigene Präsenz vor Ort anstrebe.
Bereits ein Drittel ihrer Projekte bearbeiten die Vorarlberger im osteuropäischen Raum. „Zahlreiche erfolgreiche Referenzen“, verbucht Koblinger auf der Habenseite. Das zeigt: Im Ausland aktive Unternehmen stellen dort auch aus. „Wer viel exportiert, weiß offensichtlich, dass Messen ihm dabei noch zusätzlich helfen können“, weist Auma-Chef Thomas H. Hagen auf den Zusammenhang hin. Für bemerkenswert hält er es, dass Firmen, die viel exportieren, ihre Messeinvestitionen laut einer TNS-Emnid-Befragung in diesem Jahr überdurchschnittlich ausweiten wollen. Demnach planen 40 % der Aussteller mit einem Exportanteil von über einem Viertel, ihre Messeausgaben zu erhöhen.
Das können die T.I.G.-Manager bestätigen. Derzeit treiben sie laut Alexander Koblinger „mit Installationen weltweit und auf allen Kontinenten die Internationalisierung“ voran. Die Österreicher werden in diesem Jahr erstmals auf der Digital Factory im Rahmen der Hannover Messe sowie auf der Plastpol in Polen ihre Lösung präsentieren. Allerdings ist der MES-Anbieter in Hannover solo unterwegs. Ziel ist es, „das in der Kunststoff- und der Automobilsparte vorhandene Vertrauen in zahlreichen industriellen Branchen zu erarbeiten“. Damit wolle man beweisen, dass die Software auch außerhalb der kunststoffverarbeitenden Industrie einsatzfähig ist.
Die Basis für die Einsatzbreite ist gelegt. So bietet der Modulbaukasten Einstiegslösungen, die sich zum vollintegrierten Leitsystem ausbauen lassen. Jetzt gilt es, die pfiffigen Lösungen aus der Kunststoffbranche in Bereichen wie Stahl, Medizintechnik, Elektronik und Verpackung zu empfehlen. Gemeinsam mit Kunden habe man dort zahlreiche Lösungen umgesetzt, betont Koblinger. Diese Referenzen und die positiven Signale aus dem Markt hätten den Ausschlag gegeben, den breiten MES-Markt anzupeilen und auf die Factory Automation zu gehen.
Während der MES-Anbieter die Hannover Messe als Auffahrt auf den Industrie-Highway nutzen will, hat Gehäusespezialist Schäfer IT-Systems bereits in der CeBIT eine Schnellstraße fürs Neugeschäft gefunden. Zwischen 30 und 40 % des Auslandsgeschäftes habe man allein durch Auftritte auf dem IT-Branchentreff im März in Hannover akquiriert, nennt Verkaufschef Dieter Dier die Vorteile der hohen Internationalität dieser Messe. Ein Aspekt, der generell auch auf Auslandsmessen nicht zu unterschätzen ist. So hat der Schäfer-Chefverkäufer die Erfahrung gemacht, dass sich auf dem Branchentreff Sviaz nicht nur das Russlandgeschäft ankurbeln lässt. Auch Messebesucher aus nördlichen Nachbarstaaten Russlands interessierten sich für die Server-Rack-Lösungen von Schäfer. Schnell wurde man handelseinig. Was Dier umso mehr freut: Mit Neukunden aus Norwegen und Finnland war nun wirklich nicht zu rechnen.
Messeplätze im Ausland wirken über Grenzen hinaus

MARKTCHANCEN
Für kleine und mittlere Unternehmen eignen sich Auslandsmessebeteiligungen als erste Schritte in neue Wachstumsmärkte. Beim Eintritt in schwierige Märkte ist die Auslandsmesseförderung der Bundesregierung eine erste Adresse. Wer seine Produkte auf einem deutschen Gemeinschaftsstand zeigt, profitiert nicht nur von einem kostengünstigen Auftritt. Durch die gebündelte, einheitliche Präsentation rückt die Exponate stärker ins Blickfeld der Besucher.

Fahrplan für den Messeerfolg

Checkliste

12 bis 9 Monate vorher
  • Messeziele definieren
  • Konkrete Messe auswählen
  • Messeprogramme des Bundes und der Länder prüfen – gibt es Unterstützung?
  • Budget festlegen
9 bis 6 Monate vorher
  • Messekoordinator im Unternehmen bestimmen
  • Schutzrechte für Marken, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Patente und Urheberrechte prüfen
  • Exponate und Werbemittel vorbereiten
  • Reise planen
6 bis 3 Monate vorher
  • Stand planen und bauen lassen
  • Transportfragen mit Spedition und Zollagentur klären
  • Exponate vor Ort bringen
  • Kontakte am Messestandort suchen (Botschaft, Auslandshandelskammer)
  • Besucherwerbung starten
  • Detaillierte Kostenplanung erstellen
In letzter Minute
  • Sicherheitspaket zusammenstellen, wichtige Unterlagen kopieren
  • Prospekte, Geschäftskarten, Namensschilder, Werbegeschenke, Formulare vorbereiten
  • Standbetrieb vorbereiten (Personal, Bewirtung)
Am Messeplatz
  • Zollagentur kontaktieren
  • Standbau und Exponate kontrollieren
  • Registrierung
  • Veranstalter und offizielle deutsche Vertreter kontaktieren
  • Potenzielle Kunden und Medien ansprechen
  • Standpersonal einarbeiten

  • Symbol des deutschen Wirtschaftswunders

    512006

    60 Jahre hannover messe

    Sechs Jahrzehnte für die Technik: Im Laufe dieser Jahre hat die Hannover Messe ständig ihr Gesicht verändert. Der 60. Geburtstag fällt in eine wirtschaftliche Hochphase.
    Die Geschichte der größten Industriemesse der Welt beginnt 1947 mit einer britischen Idee, die befehlsmäßig umgesetzt wurde. General Brian Robertson, Oberbefehlshaber der britischen Besatzungszone in Deutschland, weist die Stadt Hannover an, die Messe durchzuführen – trotz kommunaler Bedenken wegen der kurzen Vorbereitungszeit. London befürchtet, die besetzte Zone werde zu einer Dauerbelastung des britischen Staatshaushaltes. Die dringend notwendigen Einnahmequellen für harte Devisen, für Dollars, schreiben die britischen Offiziere allein dem Export hochwertiger Waren zu.
    • 1947 Am 16. August wird die Deutsche Messe- und Ausstellungs-AG in das Handelsregister eingetragen, nur zwei Tage später öffnet die „Exportmesse Hannover“ erstmals ihre Pforten. In den folgenden drei Wochen strömen mehr als 700 000 Besucher durch die Hallen. Knapp 1300 Aussteller zeigen eine breite Warenpalette: von schweren Maschinen bis zum Patenthosenknopf. Die Messebilanz weist 31,5 Mio. Dollar Exporterträge aus.
    • 1950 Die Veranstaltung wird in „Deutsche Industrie-Messe“ umbenannt, erstmals können sich ausländische Aussteller beteiligen.
    • 1954 Die Mehrbranchenmesse wird immer mehr ausgeweitet. „Alternierend“ heißt das Stichwort, um der Raumnot Herr zu werden. Branchen, die nicht jedes Jahr ausstellen wollen wie die Antriebstechnik, können sich nun untereinander abwechseln.
    • 1961 erhält die Leistungsschau ihren einprägsamen Namen: Hannover Messe.
    • 1968 Die prosperierende Bürowirtschaft erhält mit Halle 1 einen Neubau: das Centrum der Büro- und Informationstechnik CeBIT.
    • 1985 Die Hannover Messe verabschiedet ihren sehr erfolgreichen Ausstellungsbereich CeBIT, der ab 1986 als eigenständige Messe firmiert.
    • 2004 Mit der Eingliederung der Düsseldorfer Interkama erweitert die Prozessautomation das Spektrum der Hannover Messe.
    • 2007 Die internationale Diskussion zum steigenden Energiebedarf, zu Produktionsstandorten, zum Schutz vor Produktpiraterie und der Mangel an qualifiziertem Nachwuchs in der Industrie bestimmen die Messethemen.
    Von Stahl zu Nano
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