Trotz der rekordverdächtigen Nutzfahrzeug-Konjunktur vor der IAA befindet sich die Branche im Strukturwandel: Hersteller und Komponenten-Zulieferer müssen weltweit kooperieren, Aufbauten-Hersteller entdecken die Serienproduktion.
Die IAA startet unter guten Vorzeichen: Die Nutzfahrzeug-Branche brummt. Der Verband der Automobilindustrie (VDA), Frankfurt/M., verzeichnete in den vergangen drei Jahren jeweils ein Plus von 8 %. Dieses Jahr sollen es 7 % werden, für nächstes Jahr stehen die Zeichen ebenfalls gut, heißt es in der aktuellen Verbandsprognose. Rund 172 000 schwere und 235 000 leichte Nutzfahrzeuge werden die deutschen Hersteller dieses Jahr produzieren.
„Eine gute Branchenkonjunktur und laufende Restrukturierungsprozesse schließen sich aber keineswegs aus“, warnt Verbandspräsident Prof. Dr. Bernd Gottschalk. Der Industriezweig befindet sich weltweit in einem Strukturwandel. Dieser betrifft Hersteller wie Zulieferer: Kooperationen, die im Nutzfahrzeugbereich eine lange Tradition haben, werden noch wichtiger werden, sind sich die Experten einig.
Dieser Tage erst haben Opel und Renault sowie PSA und Fiat im Transporterbereich ihre Allianz verlängert, ebenso Mercedes und VW beim Bau des Crafter. Die Zulieferer mit ihren traditionell engen Bindungen an die Lkw-Produzenten müssen da mitziehen. „Angesichts steigender Entwicklungskosten dürfte es insbesondere auf der Komponentenseite zu weiteren Kooperationen kommen“, sagt Präsident Gottschalk. Das gilt auch außerhalb Europas: Transatlantische Bündnisse und Kooperationen, Joint Ventures oder Beteiligungen mit asiatischen Partnern werden nach Meinung des Verbandschefs zunehmen.
Die Hersteller und ihr Zuliefernetzwerk produzieren momentan insbesondere im schweren Lkw-Bereich an ihrer Kapazitätsgrenze. „In der gesamten Wertschöpfungskette ist kein Spielraum mehr“, sagt Gottschalk. Die Werke seien praktisch zu 100 % ausgelastet und sitzen auf vollen Auftragsbüchern. „Die Unentbehrlichkeit hat sich herumgesprochen, auch wenn noch nicht alle wahrhaben wollen, dass wer Wachstum will, Lkw braucht“, erläutert Gottschalk.
Zentrale Stütze der Nfz-Konjunktur sind die Exporte. Wertmäßig stieg die Ausfuhr von Nutzfahrzeugen in den vergangenen drei Jahren durchschnittlich um 10 % pro Jahr. Dabei werden die Exporte durch die unverändert hohe Nachfrage aus Osteuropa getragen. Westeuropa bleibt für deutsche Nutzfahrzeuge die wichtigste Bastion. Immer wichtiger werde die Türkei als Abnehmer sowie der Nahe Osten
„Die anhaltenden Exporterfolge sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hersteller am Standort Deutschland und in Europa sich einem permanent härter werdenden internationalen Wettbewerb stellen müssen“, gibt der Verbandschef zu bedenken. Die asiatischen Konkurrenten wie Dongfeng und FAW aus China oder Tata Motors und Ashok Leyland aus Indien werden über ihre Heimatregionen hinaus zu neuen Wettbewerbern auf Drittmärkten: Vor allem in Osteuropa, dem Mittleren und Nahen Osten, Südamerika sowie Afrika.
Nicht nur Hersteller und Teilezulieferer, auch die Produzenten von Anhängern und Aufbauten reagieren auf den Wandel. Die Branche, die vergangenes Jahr erstmals über 9 Mrd. Euro umsetzte, ist ein Wachstumszweig. Für Europa prognostizieren die Fachleute und Verbände bis 2015 weitere Zuwächse beim Umsatz von bis zu 60 %.
Die Hersteller beobachten einen Trend: „Die Kunden fragen zunehmend nach Sattelaufliegern. Der Anhänger stirbt zwar sicherlich nicht aus, aber der Trend geht ganz klar zum Sattelzug“, erläutert Dr. Bernard Krone, Vorsitzender der Geschäftsführung der Fahrzeugwerk Bernard Krone GmbH in Werlte. 2005 wurden in Deutschland 32 500 Einheiten abgesetzt, das waren 6 % mehr als im Vorjahr. Der Anteil von Sattelzugmaschinen an den gesamten Neuzulassungen von schweren Lkw steige kontinuierlich und nähere sich internationalen Standards an.
Die Anhänger- und Aufbauten-Industrie reagiert: „Die großen Hersteller wie wir konzentrieren sich auf die Serienfertigung hoher Stückzahlen“, erläutert der Unternehmer. Das besondere Know-how der deutschen Betriebe sei es dabei, innovative Ideen so schnell wie möglich in die Serienfertigung einfließen zu lassen.
Die Konzentration auf die Serie bei hohen Stückzahlen biete wiederum für die kleinen Anhänger- und Aufbauten-Hersteller eine echte Chance, wie Krone betont. Denn die Kleinen decken die Sonderanforderungen und Nischenprodukte ab. Bernard Krone: „In dieser Kombination haben somit sowohl die Großen als auch die Kleinen weiterhin gute Chancen, erfolgreich zu agieren.“ tv
Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de
Serie für die Großen – Nische für die Kleinen
Die Messe im Überblick
61. IAA Nutzfahrzeuge
Publikumstage: 21. bis 28. September
Ort: Hannover, Messegelände
Aussteller: Rund 1400 aus 45 Ländern, darunter erstmals zwei chinesische, knapp 40 aus Osteuropa
Ausstellungsfläche (2004):
230 000 m² brutto
Besucher (2004): rund 250 000 aus über 50 Ländern
GlobalisieruNg
In der Nutzfahrzeug-Branche bilden sich globale Bündnisse zwischen den großen Herstellern. Marktbearbeitung und Entwicklung sind alleine nicht mehr zu bewältigen. Das verlangt von den Zulieferern von Komponenten die Bereitschaft zur Kooperation.
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