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Der verhinderte Ansatz

Netzwerke werden zum Rückgrat dezentraler Automatisierung
Der verhinderte Ansatz

Industrial Ethernet ist als durchgängiges Bussystem für die Automatisierung gesetzt. Auch die Systementscheidung ist bei den vielen Anwendern bereits gefallen. Doch wieder mal haben sie die Wahl zwischen zehn verschieden Varianten.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

„Industrial Ethernet ist heute auf dem Weg, als Rückgrat moderner dezentraler Automatisierungsstrukturen die Steuerungswelt zu verändern“, ist sich Dietmar Herian sicher. Für den Leiter industrielle Kommunikation bei der Siemens AG, Bereich A&D, Nürnberg, wird Industrial Ethernet zusammen mit IT-Funktionalitäten und MES dazu beitragen, die Fabrik der Zukunft transparent zu automatisieren und diese Transparenz auch in konkrete Produktivitätsvorteile umzusetzen.
Doch die Vision einer einheitlichen Kommunikation, basierend auf einem einzigen Standard-Anwendungsprotokoll, ist ausgeträumt. Unterschiedliche Anforderungen, wie für den extrem zeitkritischen Datenaustausch, wie ihn Motion-Control-Systeme benötigen, ließen spezielle Bausteine für eine durchgängige Lösung entstehen. „Diese verschiedenen Spezifikationen, die an den Markt drängen, sind inkompatibel“, berichtet Dr. Kai Lorentz. Der Leiter Elektronik bei der Detmolder Weidmüller Interface GmbH Co. KG sieht in der Anzahl der unterschiedlichen Protokolle ein Problem. „Allein die unterschiedlichen Anwendungsfelder und die Tatsache, dass der Grad der Marktreife der einzelnen Protokolle variiert, macht ein Selektieren unübersichtlich und schwierig“, ist sich Lorentz sicher.
Der Anwender hat die Qual der Wahl, er muss sich für ein Protokoll entscheiden.Aber für welches? Hier steht in der Fabrikautomation oft die Frage der Echtzeitfähigkeit im Vordergrund. Dies ist beispielsweise beim Koordinieren vieler Einzelantriebe über das Bussystem der Fall, denn dadurch lassen sich wesentlich flexiblere Maschinen mit weniger Mechanik kostengünstig bauen. In diesem Marktsegment sind in nächster Zukunft wesentliche Umwälzungen durch den Einsatz von Echtzeit-Ethernet zu erwarten. „Um diese zu erreichen, setzen die verschiedenen Konsortien sehr unterschiedliche Architekturen ein, die typischerweise negative Konsequenzen für die Offenheit des Protokolls mit sich bringen“, erklärt Kai Lorentz. Für ihn gilt die Faustformel: „Je höher die zeitlichen Anforderungen an ein Protokoll sind, um so weniger offen ist die Architektur des Protokolls.“ Ein interessanter Aspekt ist in diesem Zusammenhang die Nutzung des IEEE-1588-Protokolls, das ein hochgenaues Synchronisieren verteilter Uhren ermöglicht. Der Vorteil: Eine Automatisierung, die weniger auf hochgenauen Bussen, sondern mehr auf hochgenauen, lokalen Uhren basiert, könnte sowohl Offenheit als auch Genauigkeit bieten.
Aktuell sind insgesamt zehn Industrial-Ethernet-Varianten zur Normung vorgeschlagen. Mit EPA (Ethernet for Plant Automation) entwickelte die chinesische Firma Supcon ein Netz, das derzeit außerhalb Chinas keine Verbreitung hat. Von Ethercat, von der Beckhoff GmbH in Verl entwickelt und von der Ethercat-Technology-Group vorangetrieben, sind bereits erste Produkte im Markt verfügbar. Dieser schnelle Bus basiert aber auf einer speziellen Hardware. Die US-amerikanische Rockwell Automation steuert ihren Bus Ethernet/IP bei, der in den USA weit verbreitet ist. Bei Ethernet Powerlink (EPL), entwickelt von der Bernecker + Rainer Industrie-Elektronik Ges.m.b.H. aus Eggelsberg/Österreich, ist die IEEE 1588 Teil des Konzeptes. EPL basiert auf einer festen Zugriffssteuerung zum Bus und ist mit rund 100 µs Zyklusszeit recht schnell im Vergleich zum Modbus/TCP der französischen Schneider Electric. Diese Busvariante mit 5 bis 10 ms Zyklusszeit wird in der Gebäudeautomation durch ein sehr einfach zu implementierendes Protokoll breit verwendet. Hauptsächlich auf den Schiffbau konzentriert sich dagegen der dänische P-Net-Feldbus. In Europa traditionell stark durch die Entwicklungsunterstützung der Siemens AG ist Profinet von der Profibus Nutzerorganisation (PNO). Der schnelle Bus wird derzeit auf eine breite Basis gestellt. Speziell für das Synchronisieren von Antrieben wurde Sercos vor 20 Jahren von einem Industriekonsortium entwickelt. In der aktuellen Version III erfolgte ein Portieren via IP-Kanal auf Ethernet. In Europa eine untergeordnete Rolle spielen die japanischen Busversionen. Das von Toshiba entwickelte Time-Critical-Control-Net (TC-Net) regelt den Buszugriff ähnlich Powerlin und EPA, während die Yokogawa-Variante V-Net für die Prozessautomatisierung dem Modbus TCP und P-Net gleicht.
Dieses breite Angebot an ethernetbasierten Bussystemen ändert nichts an den Anforderungen. Die Sicherheitstechnik ist eine wichtige Funktionalität, die in Ethernet eingebunden werden sollte. Der Vorteil: ein Engineering, ein Bussystem und ein Steuerungssystem für Standard- und sicherheitsgerichtete Automatisierung. Weitere Anwendungen finden sich in der Prozessautomatisierung oder in Wireless-Applikationen.
Anhand der verfügbaren ersten kommerziellen Produkte stellt Kai Lorentz fest, dass Ethernet zwar reif für den industriellen Einsatz ist. Ein großer Schub wird aber erst dann erfolgen, wenn die verschiedenen Industriekonsortien eine Produktbandbreite anbieten können, so dass die Migration für den Endanwender ohne Probleme möglich ist.
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